...und Varus wird immer weiter geschlachtet

So lange es keine neuen Erkenntnisse gibt, können wir Kalkriese als Schlachtfeld annehmen. Als kleines Problem bleibt mir die Frage der Schlussmünze. Römische Münzen finden sich aus allen Zeiten und nahezu allerorts. Sollten Germanicus` Truppen und unerwähnte Nachfolgende aus späterer Zeit tatsächlich keine einzige Münze verloren haben? Und dass es ein Interesse daran gab, sie nicht zu publizieren, glaube ich schon.
 
Der Kalkrieser Fundhorizont ist und bleibt hoch interessant aber varuszeitliche Befunde machen noch keine Varusschlacht,

Meine Theorie zu Kalkriese ist ja bekannt.
Deine "Hypothese" (so sie denn diesen Namen verdient, eine Theorie ist doch ein bisschen was anderes!) zu Kalkriese ist mir jetzt nicht präsent. Wohl aber deine These zur Varusschlacht. Die kommt ganz ohne konkrete und datierte Funde aus und genügt sich damit, wage, wenig individuelle Landschaftsbeschreibungen, die man überall im Mittelgebirgsraum verorten könnte, an konkreten Orten zu verorten.
 
Sollten Germanicus` Truppen und unerwähnte Nachfolgende aus späterer Zeit tatsächlich keine einzige Münze verloren haben?

Wer sagt dir, dass sie keine Münzen verloren haben?
Sie haben nur, stand dessen, was wir wissen wohl keine Münzen verloren, die jüngeren Datums als die Varus-Schlacht sind.
Insofern zwischen der Varusschlacht und der Begehung des Schlachtfeldes durch Germanicus, wenn wir es mal als Faktum anehmen, allerdings nur 6 Jahre vergangen wären, erscheint es doch durchaus wachscheinlich das der größte Teil der bei den Truppen noch im Umlauf befindlichen Münzen vorvarianische Prägungen waren.

Insofern sehe ich dieses Problem nicht unbedingt.

Und dass es ein Interesse daran gab, sie nicht zu publizieren, glaube ich schon.

Vielleicht hätte die Stadt Bramsche kein besonderes Interesse daran, wenn nachvarianische Münzen auftauchten, die Kalkriese als Ort der Varusschlacht nachhaltig in Zweifel ziehen würden wobei eine vereinzelte Münze kein letztendlicher Beweis wäre, weil die auch nachträglich noch dahin gekommen sein kann.

Aber die Publikation von Forschungsergebnissen liegt doch nicht in der kommunalen hand, sondern in derer der zuständigen Behörden für Bodendenkmalpflege unter anderem auch der Landesämter und der mit den Grabungen befassten Institute, denen im Gegensatz zur Stadt Bramsche doch vollkommen wumpe sein kann ob die Varusschlacht nun in Kalkrise oder irgendeiner anderen Lokalität in der Umgebung stattgefunden hat.

Von dem her halte ich Vorstellungen, dass da irgendwas zurückgehalten würde für unplausibel.
 
Wer sagt dir, dass sie keine Münzen verloren haben?
Eigentlich wollte ich Opteryx' verschwörungserzählerischen Ansatz, es gäbe kein Interesse jüngere Münzen zu publizieren, ignorieren. Für die archäologischen Forschungen in K'Riese ist es völlig latte, ob Kalkriese Ort der Varusschlacht oder Ort eines Scharmützels der Germanicus-Kriege war. Wissenschaft entwickelt sich weiter und insofern wäre es es schlicht eine veränderte Faktenlage, wenn man die Kalkrieser Funde wenige Jahre später datieren müsste. Und es war ja in der Tat so, dass anfänglich ein gewisser Zweifel herrschte, ob ein Varus- und ein Germanicus-Horizont sich denn überhaupt unterscheiden würden. Die in Kalkriese gefundenen Münzen umfassen ein Spektrum von etwa 200 Jahren, die älteste in Kalkriese verlorene Münze war also zum Zeitpunkt ihres Verlustes bereits gut 200 Jahre im Umlauf.
Allerdings gibt es ja das Brandareal in Köln aus dem Winter 14/15, wo von 56 Münzen sieben (oder waren es acht?), also ein Achtel (wenn es acht waren, ein Siebtel) postvarianisch waren. Bei den über 2000 Fundmünzen von Kalkriese ist es keine einzige.

Nun, die Frage ist, wie wahrscheinlich es ist, dass jenseits einer Schlacht Münzen verloren gingen. Zumal seit Tiberius' 10 n. Chr. darauf geachtet wurde, kein unnötiges Gepäck ins Kriegsgebiet mitzunehmen. Sicher, die Legionäre werden Münzen dabei gehabt haben, schon Abends am Lagerfeuer miteinander zu spielen. Dass hierbei aber groß etwas verloren gegangen sei, ist nicht zu erwarten. Das Münzen verloren gingen, ist dort zu erwarten, wo viele ums Leben kamen und/oder der Tross in Bedrängnis geriet. Auf dem Marsch oder bei einer Bestattungsaktion Münzverluste zu erwarten, ist nicht besonders sinnvoll. Möglich, aber nicht besonders wahrscheinlich.

Insofern zwischen der Varusschlacht und der Begehung des Schlachtfeldes durch Germanicus, wenn wir es mal als Faktum anehmen, allerdings nur 6 Jahre vergangen wären, erscheint es doch durchaus wachscheinlich das der größte Teil der bei den Truppen noch im Umlauf befindlichen Münzen vorvarianische Prägungen waren.
Richtig, aber - siehe oben - ein Achtel (oder Siebtel) der Münzen, die beim Brand im Winter 14/15 in Köln (Hauptlager Germanicus') verloren gingen, waren bereits postvarianisch. Das heißt nicht, dass ein derartig hoher Anteil postvarianischer Münzen an jedem germanicuszeitlichen Fundort zu finden sein müsse, aber man sollte doch bei über 2000 Münzen die eine oder andere erwarten dürfen, wenn es ein germanicuszeitlicher Fundort wäre.

7/56 vs. 0/+2000
 
Richtig, aber - siehe oben - ein Achtel (oder Siebtel) der Münzen, die beim Brand im Winter 14/15 in Köln (Hauptlager Germanicus') verloren gingen, waren bereits postvarianisch. Das heißt nicht, dass ein derartig hoher Anteil postvarianischer Münzen an jedem germanicuszeitlichen Fundort zu finden sein müsse, aber man sollte doch bei über 2000 Münzen die eine oder andere erwarten dürfen, wenn es ein germanicuszeitlicher Fundort wäre.

Natürlich, wenn es insgesamt ein germanicuszeitlicher Fundort wäre.
Über den Kölner Brandhorizont hatten wir ja bereits diskutiert.

Mir ging es einfach nur darum darzulegen, dass der Umstand, dass keine nachvarianischen Münzen verloren wurden kein Beleg dafür ist, dass bei der Begehung des Schlachtfeldes keine Münzen verloren wurden.
Wenn wir anehmen, dass ein Achtel, möglicherweise auch nur ein Zehntel der bei den Legionären im Umlauf befindlichen Münzen nachvarianisch gewesen ist, hätte die Chance, das eine bei der Begehung verlorene Münze eine Postvarianische gewesen wäre 10:1 gestanden.
Alle anderen Fälle von potentiellen Münzverlusten wären, da vorvarianisch überhaupt nicht festzustellen.
 
Hallo El Quijote,
Das unterscheidet uns. Meine Strategie ist die, dass solange es keine keine Fakten gibt, man so viele Indizien wie möglich sammeln sollte. Irgendwo muss man anfangen. Wenn Du willst, dann sind alle Indizien Rosinen, damit muss ich leben. Ich habe jedenfalls eine Indizienkette geknüpft die man in der Varusforschung bislang vermisst hat. Wenn das wie mir scheint, keine hinreichende Basis für eine Diskussion ist, dann werde ich wieder in der Versenkung verschwinden.
Gruß Ulrich Leyhe
Leyhes Ansatz ist im Sinne von El Quixote nicht wissenschaftlich, ergeht nicht von Fakten, sondern von Indizienketten aus. Das ist nicht verwerflich, wenn man nicht auch die Quelle mit berücksichtigt. In meinen Ausführungen, speziell zum Lindwurmzug vom Aufbruchsort(?) bis zum 1. Lager(das berühmte "Hände dreier Legionen" argumentiere ich dort, wo Quellen nicht vorhanden sind , nämlich vom Zug zum Lager. Ab Lager nutze ich diese Quelle, um mir den Heerzug rückwärts vorzustellen(Wegebündel, Wetter, Dauer, Tross, Länge etc. Soweit, so gut.Vereinfacht: Ich knüpfe an der Quelle an und lass dann Indizien sprechen. Dieser Quelle "Lager" ist sehr wichtig, weil ab hier der Weg vorwärts nicht mehr durch Indizien gekennzeichnet werden muß.
Wissenschaftlich das auch nicht, aber angesichts einer Menge Nutzer, die nicht vom Fach kommen, auch eine Möglichkeit der Orientierung.
Da an solchen Vorgehensweisen stehts Kritik geäußert wird, besteht keine Gefahr, den Weg der puren Quelle zu verlassen.
 
EL Quixote,manchmal ist Deine Phantasie so ausgeprägt wie ein Sandsturm im Eisfach.
Da Indizien keine Fakten sind, läßt sich darauf auch keine Hypothese gründen.Und die Fakten dieses varus sind nun endlich, sehr endlich.Man kann darauf 20 Jahre rumbeissen, und kommt nicht weiter. Hilfreich wäre, und das sagte ich bereits damals, ein veritabler Fund.Aber weiterdenken ist nicht verboten .

Stelle Dir bitte folgende Situation vor: Quelle sagt: Varus steht vor einem 10 km langen und 100 m breiten Tunnel.Auf beiden Seiten des Tunnels ergiß sich ein 500 m breiter Strom. Die Quelle fährt fort:in der Nacht kommt er auf eine breite Lichtung. Frage:Wie kommt er dahin?Keine Quelle sagt, daß er den Tunnel passierte. Ein Auswahlermessen hat er nicht, er muß durch den Tunnel.....steht nur in keiner Quelle.
Und jetzt was Echtes aus dem Ungefähren: Nachdem Germanicus sich eben noch mit Arminius scheinduelliert hat, ist er in der weiteren Szene am Treppunkt Ems angelangt.
O-Ton EL Quixote:Wir können uns keine Quellen backen. Und dann frage ich mich, wie Germanicus anders als zu Fuß zur Ems gekommen ist...... weil ein Bus nicht mehr fuhr?. Ist das eigentlich so schwer zuzugeben, daß es einer Quelle nicht bedarf, um offensichtliches zu sehen??Jeder Unhistoriker wie ich fragt nach so einer Lösung. Daß Leyhe es nur auf Indizien stützt, ist seine Vorgehensweise. Und ich verbiete es mir aus Respekt, daran rumzunörgeln. Die Wortwahl machts eben, und dann ist eine akzeptierende Grundhaltung Gold wert.

Ich habe versucht zu ermitteln, wie lang der Heerzug des Varus war(Tages-km), unter welchen Bedingungen er wie lange dauerte, ob der Zug bereits angegriffen wurde etc.(dazu haben sich diverse Nutzer geäußert, ob der Zug 20 km lang war, welche Auswirkungen das hat, waldreiche Gegend oder Savanne. Alles das gewichtet läßt einen Schluß zu, wie weit der Ort von Varus`Aufbruch vom 1. Lager entfernt war. Ob der Schluß letztendlich nachvollziehbar ist, hängt von der Summe der Indizien ab
 
Wenn Du fragst, was ist denn das Vorwärts.....es sind die Fakten des Notlagers, der Trossverbrennung ...dafür brauche ich keine Indizien. Ansonsten genießt Du bei mir Hohen Respekt
 
Daß Leyhe es nur auf Indizien stützt, ist seine Vorgehensweise. Und ich verbiete es mir aus Respekt, daran rumzunörgeln.
mit Verlaub: irgendwelche undeutlichen Karten mit willkürlichen privaten Eintragungen (blättere einfach zurück) sind keine ernstzunehmenden Indizien. Über plausible Indizien hätte man diskutieren können, aber solche wurden nicht vorgestellt.
 
Danke, ich habe seine Auslassungen auch gelesen...und habe eine etwas andere Auffassung.Ein klare Sprache ist schon ok.
Im letzten Jahr bin ich schon auf seine Aufzeichnungen gestoßen, ist sehr umfangreich, und wie ich auch denke, mit sehr viel Arbeit verbunden.
Gefällt eben nicht jedem.Und um der Sache die Schärfe zu nehmen: Wir, oder besser ich, werden die Lösung nicht mehr erleben, obgleich ich wahnsinnig gespannt bin.....
Wissenschaft ist faktenbasiert....El Quixote hat so recht wie Leyhe recht hat......aber es geht nicht um recht haben.
@dekumatland, ist schon richtig, plausible Indizien sollten es sein
 
Und ich habe mir die Beiträge zu den pontes longi angelesen.Und fragte mich, wie jemand mit soviel Verve über buddelnde Germanen und Wasserschwerkraft erzählen kann......und das ist auch schwere Tobak, wobei ich El Quixotes Meinung teile
 
EL Quixote,manchmal ist Deine Phantasie so ausgeprägt wie ein Sandsturm im Eisfach.

Das mag richtig sein*, der folgende Satz ist es jedenfalls nicht:
Da Indizien keine Fakten sind,

Indizien sind sehr wohl Fakten. Sie sind keine Beweise.
Du findest an einem Weg nach einem erodieren den Regen eine römische Münze? Ist ein Indiz dafür, dass irgendwann mal in der Römerzeit ein Mensch, der Kontakt mit den Römern hatte dort war. Aber kein Beweis, denn die römische Münze könnte auch z.B. im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen sein, als ein Sammler auf der Flucht vor anrückenden Alliierten Truppen dort stolperte und seine Habseligkeiten auf dem Boden verteilte. Oder Schlaglöcher würden mit Bauschutt aufgefüllt und dabei kam eine dislozierte Münze an den Ort.

Hirngespinste und Luftschlösser sind keine Indizien. Hirngespinste und Luftschlösser sind genau das: Hirngespinste und Luftschlösser.

Und die Fakten dieses varus sind nun endlich, sehr endlich.
Richtig. Und daher enden auch alle seriösen Überlegungen genau dort, wo historiographische Quellen schweigen und archäologische Funde und Befunde fehlen.

Man kann darauf 20 Jahre rumbeissen, und kommt nicht weiter.
Zur Wissenschaft gehört es eben auch, das anzuerkennen und eben nicht dort, wo die Fakten enden, zum Dichter zu werden. Der Belletrist kann das tun, der Historiker nicht.

Hilfreich wäre, und das sagte ich bereits damals, ein veritabler Fund.Aber weiterdenken ist nicht verboten .
Du kannst weiterdenken soviel du willst, wenn du Luftschlösser mit handfesten Indizien oder logischen Schlussfolgerungen verwechselst, führt das zu nichts.

O-Ton EL Quixote:Wir können uns keine Quellen backen. Und dann frage ich mich, wie Germanicus anders als zu Fuß zur Ems gekommen ist...... weil ein Bus nicht mehr fuhr?.
Ich verstehe nicht, was du diskutieren möchtest.
Wir haben als Quelle nur Tacitus.
Wenn wir der folgen, und mal die uns bekannten Funde aus Kalkriese außer Acht lassen haben wir folgendes Szenario:
Germanicus trifft sich mit Caecina und Pedo an einem uns unbekannten Ort an der Ems. Gemeinsam zieht man durch das Gebiet zwischen Ems und Lippe und peinigt die Brukterer. Schließlich ist man in der des Saltus Teutobugiensis und Germanicus beschließt, das Schlachtfeld aufzusuchen. Dort bestattet man die Varuslegionen. Aus Tacitus ergibt sich nicht, wo das war. Danach wird Arminius verfolgt, es kommt zu einem Scharmützel irgendwo im nirgendwo. Germanicus führt seine Truppen an die Ems zurück, um sie wieder einzuschicken. Alles, was wir wissen, ist das ein Ort an der Ems Dreh- und Angelpunkt dieses Feldzuges war.
Wir können jetzt versuchen, uns mit Logik diesem Ort zu nähern. Die Ems war bis Greven schiffbar, also ist Greven der weiteste Punkt emsaufwärts, wo die Truppenteile verabredet waren.
Bei Rheine soll man angeblich römische Münzen gefunden haben, nur leider weiß davon außer einem Rheinenser Heimatforscher niemand etwas, kein Museum (LWL), kein Archiv (Stadtarchiv Rheine, Bistumsarchiv Münster), zudem sind die Münzen nicht datiert, da unbekannt - was wusste ein Rheinenser Bauernjunge, der beim Bau der Eisenbahn half auch von römischen Münzen?
Lingen ist eigentlich schon zu weit nördlich für den Plan, das Gebiet zwischen Ems und Lippe zu verwüsten. Ergo bleibt das Gebiet zwischen Rheine und Greven als potentieller Treffpunkt. Das ist logisch, aber ohne echte, datierte Funde nicht beweisbar. Auch ein Treffpunkt weiter nördlich (Meppen, Lingen) ist nach dem taciteischen Text möglich. Nicht logisch, aber eben auch nicht auszuschließen. Und solange wir keine archäologischen Fakten haben, können wir auf der Basis von Tacitus nur Großgebiete bestimmen: Münsterland, Soester Börde und nördlich (Emsbezug) bzw. östlich angrenzende Gebirgszüge (Osning, Wiehengebirge, Eggergebirge).
Dort darfst du deine Nadeln im Heuhaufen suchen. Ein paar Nadeln hat man rund um Kalkriese gefunden, alle anderen stehen noch aus.

Jeder Unhistoriker wie ich fragt nach so einer Lösung.
Es gibt in jeder Wissenschaft nach Stand der Dinge unlösbare Probleme. Manche werden in Zukunft lösbar sein, andere nie. Das müssen wir akzeptieren. Es gibt nebenbei Wichtigeres, als zu wissen, wo Varus in der vorletzten Nacht seines Lebens sein Haupt bettete. Und ziemlich sicher auch Interessanteres. Im Übrigen gilt: Wer die Probleme lösen will, muss die Grundlagenforschung voranbringen.

Daß Leyhe es nur auf Indizien stützt, ist seine Vorgehensweise.
Hätte er das getan, wäre das ja immerhin etwas gewesen, das Problem ist, dass er keine echten Indizien hatte. Wenn er seine Hirngespinste zu Indizien erklärt hat, macht das aus seinen Hirngespinsten keine Indizien.

Ich habe versucht zu ermitteln, wie lang der Heerzug des Varus war(Tages-km), unter welchen Bedingungen er wie lange dauerte, ob der Zug bereits angegriffen wurde etc.(dazu haben sich diverse Nutzer geäußert, ob der Zug 20 km lang war, welche Auswirkungen das hat, waldreiche Gegend oder Savanne. Alles das gewichtet läßt einen Schluß zu, wie weit der Ort von Varus`Aufbruch vom 1. Lager entfernt war. Ob der Schluß letztendlich nachvollziehbar ist, hängt von der Summe der Indizien ab
Stell dir vor du hättest eine mathematische Gleichung.

A*2 + B * (C+3) = D​

Du wirst bei dieser Gleichung niemals A, B, C oder D bestimmen können. Zu viele Unbekannte. Und genauso ist es mit der Länge des Varuszuges:
Du weißt nicht, wie viel Soldaten es de facto waren (A), du weißt nicht, in welchen Abständen die liefen (B) oder wie geordnet (C), du kennst den Weg nicht (D).
Du würdest ja auch als Mathelehrer keinem Schüler sagen: "Du musst die Gleichung aber lösen!!!"

Warum ist es bei historischen Sachverhalten so schwer einzusehen, dass die nicht anders sind als mathematische Gleichungen mit zu vielen Unbekannten?`


*nein, eigentlich nicht. Ich bin mit meiner Phantasie vollauf zufrieden. Ich verwechsele sie nur meistens nicht mit historischen Fakten.
 
l Quixote hat so recht wie Leyhe recht hat......aber es geht nicht um recht haben.
Ist die schon mal der Begriff der Falschen Ausgewogenheit untergekommen?
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Akzeptiert. Aber sage mir mal, was eine falsche Ausgewogenheit ist, wenn eine persönliche Gewichtung dahintersteckt....und was eine richtige.
Oder besser, sag es nicht. Oder ist das Schrödinger-Experiment auch ein Hirngespinst?
 
Heutzutage gibt es doch kein Geheimnis, das unentdeckt bleibt. Regierungen entsenden Leute, die Informationen sammeln. Und jetzt kommt es:
Haben nicht auch die Römer....sprich Varus.......unentdeckte Schläfer.......Informanten im cheruskischen Lager gehabt?Wieso funktioniert so etwas heute?Ist es nicht denkbar, daß die Informanten regelmäßig dem Varus berichteten....über die Stimmung im Stamm.....die Größe der pro/antirömischen Gruppen?Wir wissen doch, daß Informationen wichtig sind, über den Stamm, oder außerhalb. Und ich glaube, daß er in 3 Jahren jede Menge Infos sammeln konnte(wäre dann nicht der Wink mit dem Zaunpfahl Segestes` obsolet?
Wenn es bisher schon behandelt wurde, sorry, bin erst bei Thread ?
 
Ich denke nein. In der Position als Anführer römischer Hilfstruppen bestand z.B. für Arminius immer ein unauffälliger und informeller Kontakt zu Entscheidungsträgern auf der Ebene der germanischen Stämme und Pagi.

Man musste nicht viele einweihen, die germanischen Gefolgschaften waren leicht zu mobilisieren.

Und argumentieren wir einmal ganz bequem ex post: Es hat ja funktioniert.
 
Heutzutage gibt es doch kein Geheimnis, das unentdeckt bleibt. Regierungen entsenden Leute, die Informationen sammeln. Und jetzt kommt es:
Haben nicht auch die Römer....sprich Varus.......unentdeckte Schläfer.......Informanten im cheruskischen Lager gehabt?Wieso funktioniert so etwas heute?Ist es nicht denkbar, daß die Informanten regelmäßig dem Varus berichteten....über die Stimmung im Stamm.....die Größe der pro/antirömischen Gruppen?Wir wissen doch, daß Informationen wichtig sind, über den Stamm, oder außerhalb. Und ich glaube, daß er in 3 Jahren jede Menge Infos sammeln konnte(wäre dann nicht der Wink mit dem Zaunpfahl Segestes` obsolet?
Wenn es bisher schon behandelt wurde, sorry, bin erst bei Thread ?
Und wenn der "Schläfer" - Arminius - die Römer verrät?

Ich würde davor warnen wollen, Möglichkeiten von heute, seit der Erfindung der Telegraphie, des Telefons oder des Internets mit Möglichkeiten davor zu vergleichen.

Angenommen, die Römer hätten Spione bei den Germanen gehabt: wie hätten sie diese rekrutiert? Und wie hätten diese unauffällig Kontakt mit den Römern aufgenommen? So ein Informant hätte ja gewissermaßen eine Reise zum nächsten Römerlager antreten müssen, um die Römer zu informieren. Tote Briefkästen gab es auch nicht.
Stellen wir uns mal vor, auf dem Thing wird beschlossen, das Römerlager Aliso zu überfallen. Fällt doch auf, wenn Hunwolf anstatt nach Hause zu gehen, Schild, Speer und Schwert sowie ein Butterbrot für unterwegs einzupacken und sich dem Heerbann anzuschließen nach Westen reitet und tagelang nicht gesehen wird.
 
Wieso funktioniert so etwas heute?
Weil man es professionalisiert hat, und weil es in den meisten Gesellschaften heute einen kulturellen und zivilisatorischen Rahmen gibt, der das auch zulässt.

Natürlich wird es immer irgendwo Überläufer gegeben haben, die man ein paar unsystematische Informationen übermittelt haben, aber professionelle, aktive Spionage, erfordert neben den angesprochenen sozialen Strukturen dann eigentlich auch technische Möglichkeiten in der informationserfassung, - Verarbeitung und Übermittlung, die erst seit dem vergangenen Jahrhundert aufgekommen sind, oder die vielleicht in Ansätzen im 19. Jahrhundert implementiert wurden.

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Datenerfassung&Übermittlung:

Heute ist es ja so, dass alle möglichen Daten in Regierungsorganisationen zusammenlaufen und gespiechert werden, womit Spione das vielfach nicht selbst zusammentragen müssen, sondern gegebenenfalls das bereits von anderer Seite Zusammengetragene anzapfen und übermitteln können.
Nun gab es eine derartige Organisation im Germanien der beginnenden römischen Kaiserzeit nicht und die Informationslage der cheruskischen Anführer dürfte selbst eher prekär gewesen sein.
Aufbau eines größeren spionagenetzwerkes in einem nicht wirklich pazifizierten Gebiet, in dem kein einigermaßen gefahrloses Reisen möglich ist und ohne genügend Personen zur Hand zu haben, die Sprache und Gebräuche kennen und mit der lokalen Bevölkerung in Kontakt treten können, ist auch schwierig.
Und dann ist da natürlich noch das Problem mit der Übermittlung. Seit dem Aufkommen, der optischen und später der elektrischen Telegraphie als alphabetbasiertem System und entsprechenden Verschlüsselungen, die es erlauben, relativ komplexe und präzise Berichte sicher innerhalb kürzester Zeit zu übermitteln, gibt es natürlich das Problem mit den unklaren Angaben und dem Delay nicht mehr so stark.
Aber in der Zeit berittener Boten (die sich ggf. in schlecht bekanntem Territorium auch mal verlaufen oder in nicht pazifiziertem Territorium überfallen werden), konnte es natürlich leicht passieren, dass die Informationen, in dem Moment, in dem der Empfänger sie bekam schon veraltet waren.
Seine eigenen Aktionen an veralteten Informationen auszurichten kann militärisch aber ziemlich schief gehen.
Und dann kommt natürlich noch hinzu, dass es keine umfangreichen Explorationen, Kartographien oder Vermessungen von Seiten der Römer im Großteil der germanischen Gebiete abseits der römischen Stützpunkte gab, was natürlich den Wert von Informationen senkt.
Zu wissen, dass irgendwo ein Aufstand stattfindet oder Truppen dafür zusammengezogen werden, ist das eine, nutzt aber militärisch nicht viel, wenn man den genauen Standort und die Bewegungsgeschwindigkeit des Feindes, mindestens an Hand grober Landmarken nicht einigermaßen präzise einschätzen kann.

Zivilisatorischer/Kultureller Rahmen:

In erster Linie sind für Spionagenetzwerke ja Dissidenten innerhalb eines gegnerischen/feindlichen Landes interessant, wenn man entsprechende Kooperationen aufbauen möchte.
Das funktioniert aber natürlich nur deswegen, weil es in den meisten Gesellschaften (auch in denen, die sowas wie Menschenrechte/Grundrechte eher nicht anerkennen) mittlerweile einen Konsens gibt, dass Dissidenten, so lange sie nicht potentiell gefährlich sind, in der Regel nicht einfach umgebracht oder vertrieben werden und sei es nur um eine Beschädigung des eigenen internationalen Ansehens zu vermeiden.

Aber die germanischen Stammesgesellschaften funktionierten da ja nach etwas anderen Gesetzmäßigkeiten, zumal Dissidententum ja in der Regel so etwas wie organisierte und einigermaßen verlässliche Macht- und Gesellschaftsstrukturen vorraussetzen, die Abwendung einzelner, sich benachteiligt sehender oder moralisch nicht einverstandener Gruppen vom System produzieren können.

Dissident zu werden, und mit ausländischen Mächten gegen die eigene Regierung zu konspirieren ergibt ja vor allem dann einen Sinn, wenn eine Person zu dem Schluss kommt, Dinge, die ihr falsch erscheinen von innerhalb des Systems nicht mit legalen oder jedenfalls als legitim betrachteten Mitteln zu beeinflussen und ändern zu können, weil die Machtstrukturen als übermächtig empfunden werden.
Nun dürften die Machtverhältnisse innerhalb der germanischen Stammesgesellschaften allerdings, weil das keine organisierte Herrschaft und kein festes politisches System war, sondern vom Ansehen einzelner Personen und der Stärke ihrer jeweiligen Klientelverbände abhing, hoch fluide gewesen sein und offene Kämpfe um die Macht als legitim gegolten haben.

Wenn aber die Machtverhältnisse fluide sind, sind auch die Gruppen, die damit ggf. nicht einverstanden sind hoch fluid, was es schwierig machen dürfte stabile Dissidentennetzwerke aufzubauen, die konstant an Informationsbeschaffung arbeiten.
Zudem stellt sich natürlich auch die Frage, nach der Handlungslogik in solchen Stammesgesellschaften, auf Seiten derer, die mit den vorhandenen Verhältnissen nicht einverstanden sind.

Wenn z.B. das Herausfordern und Besiegen des aktuellen Anführers im Zweikampf oder dessen Ermordung die Machtverhältnisse in einer Gesellschaft komplett umdrehen können, weil sie nicht durch Institutionen organisiert ist, die über den Tod eines Machthabers hinaus funktionieren, sondern durch Personenverbände, Clanstrukturen und Klientelverhältnisse organisiert ist, dürften Unzufriedene zum Teil ganz andere Methoden der Konspiration mit auswärtigen Mächten vorziehen, die dürfte erst interessant werden, wenn die anderen Methoden versagt haben.
Vorrausgesetzt, die Unzufriedenen überleben das Versagen der anderen Methoden irgendwie und fallen nicht der Rache zum Opfer.


Ich würde meinen, ausgefeilte, großflächige, professionelle Spionage/Sabotage setzt technische und kulturelle Fundamente vorraus, die in der Römischen Kaiserzeit zumindest im Barbaricum nicht vorhanden waren.
 
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