Deshalb habe ich auch eine Meinung zum Blödsinn. Ravenik erzählte etwas vom halbverfallenen Lager innerhalb des ersten; auch das halte ich nicht für Blödsinn, sondern für eine diskussionswürdige Annahme, weil jeweils dieAnsicht von Osten oder Westen stattfindet(ist auch schon ewig bekannt)
Da vergleichst du aber Äpfel mit Birnen. Auf das halb verfallene Lager im ersten kann man kommen, wenn man versucht, den als unglaubwürdig bekannten Florus (Quelle), der von einer Schlacht im Lager spricht, mit Tacitus (Quelle), der von einem intakten Dreligionenlager und einem unfertigen Lager der geschwächten Reste spricht, zu harmonisieren.
Die Geschichte mit den unterschiedlichen Marschrouten von Varus und dem Tross hingegen ist ein Hirngespinst, das durch keine Quelle auch nur ansatzweise gedeckt ist, und somit keine "diskussionswürdige Annahme".
Wenn Germanicus 15 zum Schlachtfeld wollte, hätte er es ab Lingen/Emsdetten/Greven wesentlich kürzer haben können. Dabei bleibe ich; stattdessen dreht er eine Ehrenrunde mit 8 Legionen zum Bruktererland, um anschließend das Schlachtfeld zu besuchen. Das steht bei Tacitus
in chronologischer Abfolge. Ich kann mir nur vorstellen, daß er ins Bruktererland zuerst zog, um dort Arminius zu jagen oder zu lokalisieren.
Bei Tacitus steht aber auch gar nicht, dass Germanicus zum Varusschlachtfeld wollte. Da steht, dass ihn, als er bei den letzten/äußersten Brukterern war der Wunsch überkam (Tac. ann. I, 61:
Igitur cupido Caesarem invadit), das Varusschlachtfeld zu besuchen, weil er gerade in der Nähe des saltus Teutoburgiensis war, in dem das Schlachtfeld lag. Man muss das Tacitus nicht glauben, aber so zumindest beschreibt er es.
Arminius kommt dann erst
danach vor.
Nach der Bestattung der Legionen, die Arminius wohl aus sicherer Entfernung beobachtet hat, sind römisches und germanisches Heer Katz und Maus spielend durch die Gegend gezogen, bis im Unwegsamen (
avia) Arminius Germanicus ein Scharmützel geboten hat.
Wenn meine Vorstellung stimmen sollte, dann hat er zuerst Arminius jagen wollen, weil er ihn im Bereich Bruktererland oder etwas östlich vermutet;da die Sache insgesamt ergebnislos verlief, ist er zur Ems zurückmarschiert.Das erklärt, warum er nicht direkt zum Schlachtfeld marschiert ist und auch, warum er mit stattlicher Streitmacht ins Bruktererland gezogen ist.
Warum auch immer Germanicus einen Cherusker im Bruktererland suchen sollte. Wenn der 1. FC Köln Hannover 96 herausfordern möchte, fährt er nicht ins Preußenstadion nach Münster.
Schau dir doch noch mal die Feldzüge an:
- Feldzug des Jahres 14
- Im Jahr 14 geht es gegen die Marser. Auf dem Rückweg haben sich Brukterer, Tubanten und Usipeter zusammengetan und greifen Germanicus im Wald an, bringen die Nachhut in Unordnung, werden aber letztlich besiegt.
- Feldzug 15-1
- Im Jahr 15 greift Germanicus in einem ersten Feldzug die Chatten an und wird von Segestes um Hilfe gerufen, der von Arminius belagert wird. Er kommt Segetes zur Hilfe - Germanicus ist also da bereits im Cheruskerland, hat Feindberührung mit Arminius.
- Feldzug 15-2
- Ein zweiter Feldzug (der aber schon vor dem ersten geplant war, da Germanicus befahl, Schiffe für diesen zu bauen) im Jahr 15 geht ins Bruktererland, dann zum Varusschlachtfeld - erst dann wieder Feindberührung mit Armnius - und endet für Caecina an den pontes longi beinahe im Desaster.
- Feldzug 16-1
- Silius greift die Chatten erfolglos an. Germanicus entsetzt das von den Germanen belagerte Aliso und lässt die Wege dorthin instandsetzen.
- Feldzug 16-2
- Germanicus fährt erneut an die Ems und marschiert an die Weser, wo die Schlachten von Idistaviso und vom Angrivarierwall stattfinden.
Die erkennbare Strategie ist, die Verbündeten von Arminius möglichst einzeln zu schlagen, bzw. sich der eigenen Klientel (der Friesen und Chauken, wobei letztere als unsichere Kandidaten, welche Arminius absichtlich beim Angrivarierwall entkommen lassen, dargestellt werden) zu versichern, möglichst überraschend aufzutauchen (durch Schnelligkeit) und mit logistischen Meisterleistungen (Flottenoperationen) Eindruck zu schinden (eine Strategie, die auch Caesar schon angewandt hat (Brückenbauten über den Rhein).
soweit ich weiß, war Arminius in Pannonien,
Das ist eine verbreitete, nicht unwahrscheinliche Annahme, die auf einer Stelle bei Velleius Paterculus basiert, der sich dazu aber recht offen/unklar äußert:
Arminius, Sigimeri principis gentis eius filius, ardorem animi vultu oculis praeferens, adsiduus militiae nostrae prioris comes, iure etiam civitatis Romanae decus equestris consecutus gradis, segnitia ducis in occasionem sceleris opprimi, quam qui nihil timeret, et frequentissimum initium esse calamitatis securitatem.