War Merseburg einst römische Exklave ?

Unter den zu diesem Thema in die Diskussion eingeführten Quellen wurde auch Brotuff genannt. Es dürfte sich um folgendes Werk handeln : Ernst Brotuff : Chronica der römischen Burg, Colonia und Stadt Marsburg, Leipzig 1557. Die ebendort von dem Chronisten auf den Seiten I und IX gemachten Angaben zu den Anfängen des römischen Lagers bei Merseburg sind einfach zu konkret, als dass man sie dauerhaft unberücksichtigt lassen kann. Ich stelle hier daher vier Textstellen aus der Chronik des Brotuff in den Dateianhang. Auch Brotuff sagt, wie Hermundure weiter oben bereits dargelegt hat, dass sich das Castrum locavit aquas befunden habe.
 

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Die ebendort von dem Chronisten auf den Seiten I und IX gemachten Angaben zu den Anfängen des römischen Lagers bei Merseburg sind einfach zu konkret, als dass man sie dauerhaft unberücksichtigt lassen kann. Ich stelle hier daher vier Textstellen aus der Chronik des Brotuff in den Dateianhang. Auch Brotuff sagt, wie Hermundure weiter oben bereits dargelegt hat, dass sich das Castrum locavit aquas befunden habe.
Weil einem "Historiker" des 16. Jahrhundertes im lokalpatriotischen Überschwang die Phantasie durchgeht, sind die Angaben "zu konkret" um sie "unberücksichtigt zu lassen"?
Worauf stützt sich Brotuff denn?
  • Tacitus
  • Piccolomini
  • Orosius
  • Thietmar
Bei Orosius und Tacitus, den beiden antiken Autoren lässt sich das, was Brotuff sich auf sie stützend behauptet, nicht nachlesen. PIccolomini war, wir er selbst, eine Gelehrter der Renaissance (nur wesentlich berühmter), der auf dieselben Quellen zurückgreifen konnte wie Brotluff. Was er tatsächlich zur Elbe-Saale-Region schreibt, habe ich nicht überprügft, aber vermute, dass es ähnlich detailliert ist, wie bei Tacitus oder Orosius.
 
Unter den zu diesem Thema in die Diskussion eingeführten Quellen wurde auch Brotuff genannt. Es dürfte sich um folgendes Werk handeln : Ernst Brotuff : Chronica der römischen Burg, Colonia und Stadt Marsburg, Leipzig 1557. Die ebendort von dem Chronisten auf den Seiten I und IX gemachten Angaben zu den Anfängen des römischen Lagers bei Merseburg sind einfach zu konkret, als dass man sie dauerhaft unberücksichtigt lassen kann.
So? Wer sollen denn die "vielen römischen Kaiser" gewesen sein, die in Merseburg (im tiefsten Germanien, weitab vom Reich!) residiert haben sollen?
Oder die angebliche Etymologie, wonach die Stadt nach dem Gott Mars benannt sein soll: Wäre sie tatsächlich von Drusus oder sonst einem Römer nach Mars genannt worden, müsste im Namen der Stadt statt eines s ein t vorkommen, weil der Wortstamm von "Mars" "Mart-" lautete.
 
(Ich habe absichtlich auf Detailspekulationen zu vorgeschichtlichen Wällen, mittelalterlichen Klerikertexten und siebeneinhalb Kleinfunden römischer Provenienz (die aus allerlei Gründen bei Merseburg gestrandet sein können) verzichtet)
Natürlich lag Waldgirmes nahe des Rheins. Es gehört aber wohl zu den geplanten Städtegründungen in Germania magna und wurde erst nach der Varusniederlage aufgegeben. Weiter vom Rhein entfernte Gründungen sind mir nicht bekannt.
Was die Funde betrifft, so müssen wir zwischen Gegenständen (Arztbesteck und Waffen in Urnen), sonstigen Lesefunden, und Baulichkeiten unterscheiden. Letztere, insbesondere Wall-Graben-Anlagen, sind kein Werk heimgekehrter germanischer Hilfskräfte, sondern durch ihre Form zumeist ein Werk der Römer selbst. Wenn es um Merseburg solche gibt, entsteht ein völlig neues Bild.
 
insbesondere Wall-Graben-Anlagen, sind kein Werk heimgekehrter germanischer Hilfskräfte, sondern durch ihre Form zumeist ein Werk der Römer selbst. Wenn es um Merseburg solche gibt, entsteht ein völlig neues Bild.
Das Problem ist, dass auch z.B. ottonische Wall- und Grabenanlagen (siehe etwa Magdeburg) Spitzgräben aufweisen. Die einfache Gleichung
{Spitzgraben = Römer}​

ist einfach nicht korrekt.
Grundsätzlich können wir Wall- und Grabenwerke bis ins Neolithikum zurückverfolgen. Ich zitiere aus Heiko Steuers Buch, "Germanen" Sicht der Archäologie, 2021, S. 307:

Eine der Vorurteile über die Besiedlungsformen in Germanien war die Behauptung, „Germanen“ würden keine Burgen bauen, hätten das nicht nötig, sondern verteidigten sich im offenen Feld. Der Sieg über die Legionen des Varus 9 n. Chr. im Teutoburger Wald bzw. bei Kalkriese wäre das beste Beispiel. Die Behauptung ging aber eindeutig auf den eingeschränkten Stand der Forschung zurück. Gerhard Mildenberger hat dann zwar zuerst versucht, wenigstens einige Befestigungen in Germanien zu katalogisieren, um damit einerseits zu zeigen, dass Befestigungen äußerst selten seien, dass es aber immerhin einige gab. Es ist auch zu unterscheiden, was unter Befestigungen zu verstehen ist. Burgen als Wohnsitze adliger Familien wie im Mittelalter gab es sicherlich nicht, weil sich eine gesellschaftliche Gruppe „Adlige“ doch wohl (noch) nicht herausgebildet hatte; sofern man nicht die Herrenhöfe in den Siedlungen als Adelswohnsitze akzeptieren will. Leichte Befestigungen von Gehöften und Siedlungen mit Graben und Palisade gab es seit dem Neolithikum und ebenso dann während der vorrömischen Eisenzeit und der Römischen Kaiserzeit in Germanien. Sie dienten zum Schutz, aber nicht unbedingt im militärischen Sinne. Stärkere Befestigungen mit tiefen Gräben und Wällen gab es jedoch ebenfalls, auf exponierten Berggipfeln und Bergspornen, die man als Burgen beschreiben kann. Außerdem gab es wie im Mittelalter Wall-Graben-Linien als Landwehren, die größere Gebiete abgrenzten und womit durch sie hindurch führende Wege kontrolliert und auch Territorien abgesichert wurden.​
Will sagen: ein elektomagnetisch nachgewiesenes Grabenwerk ist nicht datiert und kann letztlich aus einem knapp überschlagen 5000jährigen Zeitraum stammen, vom Neolithikum bis ins HochMA.
 
Das Problem ist, dass auch z.B. ottonische Wall- und Grabenanlagen (siehe etwa Magdeburg) Spitzgräben aufweisen. Die einfache Gleichung
{Spitzgraben = Römer}​

ist einfach nicht korrekt.
Grundsätzlich können wir Wall- und Grabenwerke bis ins Neolithikum zurückverfolgen. Ich zitiere aus Heiko Steuers Buch, "Germanen" Sicht der Archäologie, 2021, S. 307:

Will sagen: ein elektomagnetisch nachgewiesenes Grabenwerk ist nicht datiert und kann letztlich aus einem knapp überschlagen 5000jährigen Zeitraum stammen, vom Neolithikum bis ins HochMA.
Spitzgräben sind nur ein typisches Merkmal von mehreren. Da haben wir die charakterische Skatkartenform und insbesondere die darin enthaltenen Torsituationen, die zwar auch nicht nur bei Römerlagern vorkommen, aber insgesamt die Herkunftszeit wesentlich einschränken
 
Spitzgräben sind nur ein typisches Merkmal von mehreren. Da haben wir die charakterische Skatkartenform und insbesondere die darin enthaltenen Torsituationen, die zwar auch nicht nur bei Römerlagern vorkommen, aber insgesamt die Herkunftszeit wesentlich einschränken
Mit diesen zusätzlichen Einschränkungen und Difefrenzierungen durchaus. Nur klang es oben, dass eine hinreichende Bedingung gegeben sei, wenn Wallgraben-Konstruktionen nachweisbar sind, zu rufen "die Römer!" Der Punkt ist halt, dass nicht einmal einzelne römische Funde eine dauerhafte Präsenz der Römer nachzuweisen in der Lage wären. Es steht ja völlig außer Frage dass die Römer an der Saale waren, dass etwa Drusus an der Saale war. Aber ein Streifen dieser Gegenden (nebst notwendigen Marschlagern) macht keine dauerhafte Siedlung oder gar Merseburg zu einer römischen Gründung. Wir haben einen Zeitraum von gut 5000 Jahren, aus dem Wallkonstruktionen stammen können, wenn man das SpätMA und die Zeit bis zum 30jährigen Krieg hinzunimmt auch gut 5500 Jahre, da zu sagen "Graben-Konstruktion = Römer" ist einfach unseriös.

Notwendige Bedingungen, die Römer nachzuweisen sind:
  • eine Kombination ergänzender typisch römischer Formen, wie etwa Clavicula-Tore, Spitzgraben, ggf. Spielkartenformat
  • eindeutig als römisch zu bestimmende Funde, die bestenfalls in situ geborgen sind, also einem Stratum zuzuordnen sind
Wenn wir nun also ein unüberbautes römisches Holz-Erde-Lager in oder bei Merseburg nachzuweisen in der Lage wären, was würde uns das für die Fragestellung hier im Thread ("War Merseburg eine römische Exklave") sagen?

Du hast geschrieben:

Wall-Graben-Anlagen, [...] ein Werk der Römer [...]. Wenn es um Merseburg solche gibt, entsteht ein völlig neues Bild.​
Du hast da richtigerweise einen Bedingungssatz ("Wenn...") gebildet. Solange dieses Wenn nicht erfüllt ist, sprechen wir über nichts als heiße Luft.
Ich finde das immer erstaunlich: Rund ums Mittelmeer haben wir jede Menge interessanter römischer Fundstellen. Aber selbst in Dtld. - viele hier im Forum interessieren sich legitimer- aber bedauerlicherweise ja nur für das, was in in ihrem eigenen Vorgarten an Historischem passiert ist - gibt es jede Menge nachgewiesener römischer Fundstätten. Städte, Lager, Häfen... Und dennoch diskutieren wir hier im Römerforum andauernd über irgendwelche Konjunktive in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Die Landgrafen von Thüringen haben doch als Literaturmäzene und einer eigenen Hausheiligen wahrlich viel Interessantes an Fakten zu bieten, wo wir nicht auf Luftschlösser und Spekulationen ausweichen müssen, aber irgendwie lommen die nicht vor. Stattdessen werden hier in seitenlangen Diskussionen Luftschlösser errichtet und wieder eingerissen. Find ich unbefriedigend.
 
Und dennoch diskutieren wir hier im Römerforum andauernd über irgendwelche Konjunktive in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Die Landgrafen von Thüringen haben doch als Literaturmäzene und einer eigenen Hausheiligen wahrlich viel Interessantes an Fakten zu bieten, wo wir nicht auf Luftschlösser und Spekulationen ausweichen müssen, aber irgendwie lommen die nicht vor. Stattdessen werden hier in seitenlangen Diskussionen Luftschlösser errichtet und wieder eingerissen. Find ich unbefriedigend.
Dann müssen wir uns doch leider wieder an die Ursachen erinnern. "Varusschlacht in Mitteldeutschland- alle Geschichtsbücher müssen umgeschrieben werden-Froschperspektive der Historiker" tönte es einst von einem unterdrückten Autor aus einem stalinistisch geprägten Land. Das weckt natürlich Interesse und Aufmerksamkeit bei den Lokalpatrioten. Und wenn nicht die Varusschlacht, dann wenigstens Romer vor Ort:
touristische Aufwertung der wenig blühenden Landschaften. Ein Kalkriese-Rummel hätte uns gutgetan, angesichts des kontinuierlichen Niedergangs der lokalen Wirtschaft, der immer noch anhält. Nun versucht man es mit der Vorgeschichte (Ringheiligtum Pömmelte usw.
 
tönte es einst von einem unterdrückten Autor aus einem stalinistisch geprägten Land.
Dass Pflug unterdrückt wurde, ist eine Chimäre. Er publizierte weiter und es ist keinerlei Karriereknick feststellbar. Das ist eine Legende, um aus Pflug einen Schliemann zu machen (der ja selbst auch ein wesentlicher Promoter seiner eigenen Legende ['verkanntes Genie'] war, die nie stimmte).

In der Psychologie versucht man mittlerweile nicht mehr aus den Schwächen der Menschen etwas Positives zu machen, sondern ihr Stärken herauszuarbeiten. Überträgt man das aus dem Raum Merseburg oder auf andere strukturschwache Regionen und ihr kulturtouristisches Angebot, hieße das auch hier: Nichts herbeireden, was nicht da ist (Schwäche), sondern den Markenkern der Region herauskehren. Regionen in Dtld. mit dem Markenkern "Römer" findest du nicht an der Elbe, sondern an Rhein, Mosel und Donau (auch das Osnabrücker Land oder die Lippe mit den Lippelagern und Kalkriese sind keine Gebiete, die als Markenkern "Römer" haben, gleichwohl zwischen Bramsche und Venne alles irgendwie mit Varus im Namen punktet und die Ultras des VfL Osnabrück die Kalkrieser Reitermaske als Markenzeichen benutzen).
Ein künstlich konstruierter Markenkern ist eben keiner.
 
Natürlich lag Waldgirmes nahe des Rheins. Es gehört aber wohl zu den geplanten Städtegründungen in Germania magna und wurde erst nach der Varusniederlage aufgegeben. Weiter vom Rhein entfernte Gründungen sind mir nicht bekannt.
Und sind dir denn römische Exklaven bekannt, also so richtige, die nachweislich ein paar Jahrzehnte isoliert fortexistierten? Ich deute deine Beiträge so, dass du Waldgirmes lieber nicht zur Exklave erklären willst.*)

Und wie sieht es, da es keine schriftlichen Quellen zu solchen Exklaven der römischen Kaiserzeit gibt**), mit einem archäologischen Nachweis einer römischen Exklave aus? Also wie müsste so ein Nachweis beschaffen sein?***)

Damit ich nicht missverstanden werde, wiederhole ich meine Frage:
Gibt es denn andernorts nachgewiesene "römische Exklaven", die sich für einen Vergleich anbieten und indirekte Rückschlüsse liefern könnten?

Mich machen, wie ich schon ausgeführt hatte, nicht die verschiedenen verstreuten römischen Funde in Germanien misstrauisch (sie können aus allerlei Gründen an ihren Fundorten gestrandet sein), sondern die Spekulation von einer Exklave, welche keine wirklichen Quellen****) kennen und für die es bislang kaum mehr als siebeneinhalb Fundstückchen gibt
______________
*) nach meinem Leseverständnis - sollte es anders sein, lasse ich mich gerne korrigieren
**) zumindest mir sind keine bekannt, aber auch hier lasse ich mich gerne korrigieren (ich bin kein Altphilologe und kenne die römische Literatur bei weitem nicht komplett)
***) laienhaft Stelle ich mir vor: man müsste römische Funde, die eine längere Besiedlung nachweisen, wie eine Insel innerhalb nichtrömischer Besiedlungsweisen zur selben Zeit finden ,(?)
****) barocke Texte fallen als Quellen zur römischen Geschichte eher aus, insbesondere dann, wenn sie kuriose Fantastereien enthalten
 
Exklaven sind eigentlich nicht mein Gebiet. Ich kann hierzu nur meine Meinung sagen:
Handelt es sich um Mitteleuropa, so müsste sich eine Exklave im freien Germanien durch folgende Merkmale auszeichnen, wenn sie überleben wollte
-Nähe zum Limes
-Lage an schiffbarem Fluss und möglichst an einer Römerstraße
-wehrtechnisch ausgebaut (Steinkastell), wie z.B. Heidenheim

Die zu erwartende Funddichte ist proportional der Existenzdauer und dürfte wesentlich höher als in Marschlagern sein, möglicherweise wie in Standlagern. Im Bereich der Zufahrtstraße und in germanischer Nachbarschaft ist mit Einzelfunden zu rechnen.
Zum Status von Waldgirmes finde ich keine Quelle.

Das diskutierte Merseburg liegt zwar am Fluss, aber zu weit vom Limes entfernt. Ein Steinkastell ist nicht nachweisbar. Dafür soll es aber eine Römerstraße von Mainz zur mittleren Saale gegeben haben. trotzdem hätte M. keine längere Überlebenschance gehabt. Die relative Fundarmut bestätigt dies
 
Wie ist das augusteische Legionslager in Marktbreit zu bewerten? Fernab vom Limes, überwiegend von außen versorgt, über den Fluss zu erreichen, in strategisch-expansiver Funktion.

Die Funde an der Saale sind überwiegend aus späterer Zeit, als Kreuzungspunkt von Straßen und schiffbarem Fluss würden Städte wie Merseburg und Magdeburg aber durchaus in ein römisches Erschließungsprojekt passen.
 
Wie ist das augusteische Legionslager in Marktbreit zu bewerten? Fernab vom Limes, überwiegend von außen versorgt, über den Fluss zu erreichen, in strategisch-expansiver Funktion.

Die Funde an der Saale sind überwiegend aus späterer Zeit, als Kreuzungspunkt von Straßen und schiffbarem Fluss würden Städte wie Merseburg und Magdeburg aber durchaus in ein römisches Erschließungsprojekt passen.
Für die augusteische Zeitstellung ist kein Limes im heute verwendeten Sinne vorhanden. Grundsätzlich war der Rhein der Schutz von Gallien und dem linksrheinisch-römischen Germanien. Wir haben drei Flüsse, welche in augusteischer Zeit von den Römern für Ihre rechtsrheinischen Aktivitäten benutzt wurden:

  • die Lippe
  • die Lahn
  • der Main
Jeder der drei Flüsse hat ein unterschiedliches Umfeld. Die Lippe führte durch und zu germanischen Siedlungszonen. Die Lahn führte durch den südichen Bereich der germanischen Besiedlung, wenn man die Neckarsueben außer Acht lässt, wofür es gute Gründe gibt. Der Main war wohl eher Trennlinie zwischen den germanisch besiedelten Gebieten sowie der Helvetiereinöde südlich davon.

Die drei uns bekannten wichtigen rechtsrheinische Orte hatten alle Zentralfunktionen:

  • Haltern an der Lippe mit seinem 18,3 Hektar großen Hauptlager lässt in letzter Zeit mit Funden aufhorchen, welche auf eine militärisch-zivile Mischnutzung hinweisen. Belegt war es mit einer Legion
  • Waldgirmes an der Lahn wurde als zivile Planstadt gegründet. Sie ist aus Stein errichtet worden
  • Marktbreit am Main ist 37 Hektar groß. Auch dieses Standlager war für eine Legion geplant. Die Fläche war deutlich zu groß für eine Legion. Daher ist die These überzeugend, dass man hier - wie in Haltern - ein Standlager mit einer zivilen Zentralfunktion kombinieren wollte

Die Orte haben jeweils einen wichtigen linksrheinischen Bezugspunkt
  • von Haltern nach Xanten sind es 51 Kilometer Luftlinie
  • von Waldgirmes nach Köln sind es 147 Kilometer heutige Autobahnlinie. Jedoch dürfte der Ort hauptsächlich über die Lahn an den Rhein anbebunden gewesen sein
  • von Marktbreit sind es 138 Kilometer Luftlinie nach Mainz. Wobei man in Frankfurt auf dem Römerberg Spuren aus der augusteischen Zeit gefunden hat. Durch die starke Überbauung kann man jedoch die damalige Bebauung / Nutzung in Frankfurt nicht rekonstruieren. Eventuell war Marktbreit kein abgelegener Ort, sondern auch durch weitere Lager an Mainz angebunden
Von den drei Fundstätten ist Marktbreit der jüngste. Der WIKI-Artikel geht von einer Zeitstellung für die Jahre 7 bis 9 uZ aus. Ein Grund dafür ist, dass die Principia und das Praetorium in Marktbreit und Haltern sich ähneln. Beide Gebäude sind in diesen beiden Lagern baulich verbunden. Das ist wohl ansonsten unüblich. Demnach wäre Marktbreit ein Haltern 2.0. Ich persönlich vermute, dass Marktbreit ein heißer Kandidat für das Betätigungsfeld von Asprenas ist.

Was bringt uns das für Merseburg? Nach Mainz wären es von dort satte 400 Kilometer. Kein Fluss, der die beiden Orte miteinander verbindet. Wir kennen keine Kastelllinie, welche Merseburg an die römischen Siedlungsgebiete im Westen und Süden anbinden würde. Für mich ist Merseburg genau so römisch wie Hamburg oder Trondheim.
 
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Waldgirmes wird nicht über die Lahn erschlossen worden sein, seine Bedeutung liegt darin, dass es von Mainz aus über die Fernstrassen der Wetterau (und die nordöstlichen augusteischen Lager dort) den nächstgelegenen Anschluss an die mittlere Lahn bietet. Waldgirmes ist z.B. ganze 24 km und 157 Höhenmeter vom Kohortenkastell in Arnsburg entfernt!

Waldgirmes muss man m.E. als geplanten römischen Zentralort in einem besiedeltem und gut erschlossenem keltischem Gebiet (Ubier / Dünsberg / viele keltische Münzen dort) betrachten.

Wenn man sich Expansions- und Erschließungspläne der Römer vorstellt, war die Elbe über die Nordsee (siehe Germanicus), über Böhmen und über das Saalegebiet erreichbar. Das Saalegebiet wiederum auf Land-Fluss-Verbindung über Lippe und Werra, und von Süden über den Main.

Das beschreibt aber nur ein mögliches augusteisches Konzept für die Infrastruktur. Wir wissen von keinen römischen Investitionen, die als tatsächliche finanzielle Belastung nachweisbar wären.

Marktbreit ist ein Ort für eine geplante Expansion nach Nordosten. Vor allem ein Ort von wirtschaftlicher Bedeutung, militärisch war es nicht erforderlich.

Es ist für mich ein Baustein in einem wirtschaftlichen Erschließungsprojekt, in der "varianischen Phase des Imperiums".

Der gewichtigste Einwand von @flavius-sterius ist der, dass Merseburg fernab von den nächstgelegenen römischen Lagern war, also nicht zu versorgen.

Und natürlich sind die römischen Funde dort aus einer späteren Epoche.
 
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Waldgirmes wird nicht über die Lahn erschlossen worden sein, seine Bedeutung liegt darin, dass es von Mainz aus über die Fernstrassen der Wetterau (und die nordöstlichen augusteischen Lager dort) den nächstgelegenen Anschluss an die mittlere Lahn bietet. Waldgirmes ist z.B. ganze 24 km und 157 Höhenmeter vom Kohortenkastell in Arnsburg entfernt!

Waldgirmes muss man m.E. als geplanten römischen Zentralort in einem besiedeltem und gut erschlossenem keltischem Gebiet (Ubier / Dünsberg / viele keltische Münzen dort) betrachten.
Ich bin in der Vergangenheit einer Lippe-Linie "aufgesessen". Zwischenzeitlich ist mir klar, dass diese Linie so nicht existiert hat. Oberaden wurde von Drusus benutzt und dann schon vermutlich 7 vuZ planmäßig von den Römern niedergelegt.
Ähnlich das Lager Anreppen, welches wohl auch nur kurze Zeit bestand (circa 4 uZ bis 6 uZ).
Daher ist es sinnvoll, mit Karten zu arbeiten, welche die noch beziehungsweise schon in Betrieb befindlichen Anlagen zeigen. Bei uns in der Firma nennt man das Zeitscheibenvisualisierung. Man kann dies natürlich auch als Video machen, wo dann in einer Region archäologische Orte neu auf die Karte kommen und andere dann wieder verschwinden.

Das Kohortenkartell Arnsburg wurde erst 90 uZ gegründet und war das Ergebnis der Eroberungen von Domitian in den beiden Chattenkriegen. Für die Bewohner von Waldgirmes war der Wetterau-Limes und damit Arnsburg-Alteburg nicht existent. Damit Waldgirmes an Mainz angeschlossen gewesen war, müsste es eine augusteische Römerstraße gegeben haben. Ist Dir da etwas bekannt?
 
Aber nur für wenige Jahre.
Also jedenfalls nicht so lange, dass "viele römische Kaiser" in Merseburg residiert haben könnten, und jedenfalls nicht mehr im 3. Jhdt. n. Chr.
Völlig richtig. Damit war spätestens nach 16 n.Cr. Schluss. Die o.g. mittelalterlichen Berichte entbehren jedes Wahrheitsgehalts. Eine derart lange Besiedlung hätte unzählige Spuren hinterlassen. Man hätte mit Sicherheit geziegelt und uns eine Menge Ziegelstempel zur Datierung angeboten. Mir ist für M. kein Einziger bekannt. In anderen Burgen sollen z.B einzelne Ziegel eingemauert gewesen sein, die leider nicht mehr auffindbar sind.
 
Die von Hermundure beschriebene Anlage befindet sich in der Elster-Luppe Niederung. Der von Brotuff beschriebene Fundort befindet sich dahingegen im oberen Geiseltal. Die genaue Position laut Brotuff : 2 Meilen östlich Mücheln an der Geisel. Dies wird früher oder später genauer überprüft werden müssen, denn erst dadurch erlangt man die nötige Gewissheit. Sollte sich dieses Lager allerdings auf dem Nordufer der Geisel befunden haben, könnte sich der Nachweis möglicherweise nicht mehr führen lassen, da große Teile des dortigen Gebietes inzwischen durch den Tagebau zunächst einmal abgebaggert und im Zuge der Sanierung dann geflutet wurden. Wenn dem so sein sollte, hätte man dort am besten schon früher entsprechende Untersuchungen durchführen sollen. Hat jemand Kenntnis über römische Lesefunde an der Geisel ? Die ersten Siedlungsspuren datieren dort ca. 7500 BP. Karte : geiseltal mücheln - Google Suche
 
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Das Kohortenkartell Arnsburg wurde erst 90 uZ gegründet und war das Ergebnis der Eroberungen von Domitian in den beiden Chattenkriegen. Für die Bewohner von Waldgirmes war der Wetterau-Limes und damit Arnsburg-Alteburg nicht existent. Damit Waldgirmes an Mainz angeschlossen gewesen war, müsste es eine augusteische Römerstraße gegeben haben. Ist Dir da etwas bekannt?
Du hast vollkommen recht damit, dass das Kohortenkastell Arnsburg erst unter Domitian errichtet wurde.

Nördlich des Kastells, deutlich tiefer gelegen, nördlich des Welsbachs, liegen in Richtung Hof Güll 2 weitere und größere Lager, die möglicherweise aus der Zeit des Drusus stammen:

Dass diese Gegend aber verkehrstechnisch und in der Infrastruktur vollkommen erschlossen war, dafür gibt es viele Hinweise:

Die kürzeste Verbindung, zu Fuß, zwischen dem Glauberg und dem Dünsberg (Waldgirmes) geht über den Bergrücken von Kastell Arnsburg (57 km, 13 Stunden 4 min). Dies ist die Verbindungsachse zwischen den wichtigsten keltischen Zentren im Nahbereich der Wetterau.

Hier laufen mehrere Altstraßen und bedeutende spätere römische Straßen.

Bedenken muss man, dass die Lahnaue zwischen Wetzlar und Gießen weiträumig versumpft war, Dorlar (21 ha groß!) ist ein hervorragender Stützpunkt an einer gut passierbaren Lahnfurt.

Beachtenswert ist das Versorgungslager Rödgen, seltsam dass es nicht auf dem Wasserweg erreichbar war. Von dort geht der direkte Weg nach Dorlar bzw. Waldgirmes weiter westlich von Arnsburg vorbei: Der Weg über Wohnbach /Trais-Münzenberg / Kastell Arnsburg bedeutet nur einen kleinen Umweg, ist allerdings auf der Hochfläche weitaus sicherer.

Die Wetterau war Aufmarschgebiet, die militärische Infrastruktur war offensiv ausgelegt.

Vielleicht bin ich vom Thema Merseburg etwas abgewichen. Ich meine aber, dass die römische Strategie, vor und nach der Varusschlacht, und auch im 2. und 3. Jahrhundert nach Christus, extrem raumgreifend und überlegt war. Und das Saalegebiet hat nicht nur "7 1/2 Funde".
 
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