War Merseburg einst römische Exklave ?

Marschlager an der Geisel wären nicht ungewöhnlich. Anders sieht es mit rechtssaalischen Lagern aus. Hier fehlt es noch an Beweisen. Das Ziel von Merseburg aus könnte die Mittelelbe gewesen sein. Zörbig hat sich nicht bestätigt. Aken ist offen.
 
Hat jemand Kenntnis über römische Lesefunde an der Geisel ?
Mücheln, eine Kupfermünze, Severus Alexander (222-235).
Quelle:
kenom.gbv.de - Kooperative Erschließung und Nutzung der Objektdaten von Münzsammlungen

Braunsbedra, römische Münzen (Schatzfund)
"meist solche von Titus (79-81); Faustina, Mutter oder Tochter, erstere Gattin Antoninus Pius, letztere Gattin des Marcus Aurelius (161-180) und Commodus (180-192); 3 Denarien von Vespasian (69-79), Antonius Pius und Commodus"
Quelle:

Neumark, Goldmünze, Trajanus Decius (249-251).
Quelle:
kenom.gbv.de - Kooperative Erschließung und Nutzung der Objektdaten von Münzsammlungen

Nicht an der Geisel, aber gleich um die Ecke, Oechlitz, römische Münze (ohne nähere Angaben)
Quelle:
 
Ich möchte doch noch mal daran erinnern, dass römische Münzen in Indien, China und Japan gefunden wurden, ebenso wie auf Island. Louis Malleret hat römische Münzen m Mekong-Delta gefunden.
Alles keine Gegenden, wo Römer waren, dennoch finden wir ihre Münzen dort.
Von den auf Island gefundenen Münzen ist nur eine gesichert einem Fundhorizont zuzuordnen (wikingisch) die anderen sind teils erst Jahrzehnte nach ihrem Fund abgegeben worden, daher ihr Fundzusammenhang (und ob nicht ggf. von den "Findern" erst mitgebracht) nicht zu 100 % klar. Soweit die Theorie. In der Praxis gelten diese Münzfunde alle als authentisch. Wie auch andere römische Münzen in wikingischen Kontexten, dürften, da Island vor dem 9. Jhdt. nicht besiedelt war, diese Münzen auch erst ab dem 9. Jhdt. nach Island gekommen sein. Wir finden römische Münzen tausende Kilometer weit weg vom RR, es wäre überraschend, wenn Mitteldeutschland römisch fundfrei wäre. Schließlich standen die Römer jahrhundertelang an Rhein und Donau und es gab ein entsprechendes Kultur- und Technologiegefälle, welches Begehrlichkeiten weckte. Umgekehrt hatten die Germanen Rohstoffe zu bieten, für welche sich die Römer interessierten. Sprich; "oh, wir haben einen römischen Fund, also waren die Römer vor Ort" ist viel zu kurz gesprungen.
Wir finden Maria-Theresienthaler mit Gegenstempeln aus Nordafrika, dem arabischen Raum bis hin nach Indien. Hat Österreich jemals eine dieser Gegenden beherrscht?

Island
Japan
Indien
China
 
@ El Quijote
falls wieder mal jemand nach römischen Funden in/bei XY fragt, kopiere ich die Islandstory gleich mit in meine Antwort. Einverstanden?
Das erspart Dir das werfen von Strohpuppen.
 
Du wirfst mir vor, ich würde Strohmannargumente vorbringen. Das heißt konkret, ich würde effektheischerisch Dinge widerlegen, die niemand vertreten hätte.
Nun dieser Thread dreht sich um eine angebliche Siedlungskammer („Exklave“) der Römer in/bei Merseburg. Dafür werden andauernd Thietmar (dem moderne wissenschaftliche archäologische Kompetenz unterstellt wird) und Brotuff herangezogen. Und natürlich tatsächlich römische oder den Römern zugewiesene Funde. Insbesondere Münzen.
Ich verstehe das in diesem Zusammenhang so, dass die tatsächlich römischen oder den Römern nur zugewiesenen Artefakte gerne positivistisch als Belege für römische Anwesenheit (die ich nebenbei gar nicht per se ausschließe, ich würde auch keine römische Anwesenheit in Polen oder Skandinavien per se ausschließen) herangezogen werden.

Ich habe vor nunmehr ca. 20 Jahren ein Seminar über die statistische Auswertung mittelalterlicher Münzhorte in Polen belegt. In mehreren dieser Horte, deren Schlussmünze meist aus dem 9. oder 10. Jhdt. stammte, waren auch römische Münzen aus dem 2. oder 3. Jhdt. Ein einzelner Münzfund sagt also überhaupt nichts darüber aus, wie lange eine Münze umlief und wie sie verloren/niedergelegt wurde.

Nun kann man sagen, dass Münzen Gebrauchsspuren aufweisen, die ein Indiz dafür sind, ob eine Münze lange im Gebrauch war, oder eben nicht. Allerdings - in dem oben verlinkten Artikel über römische Münzfunde aus Island, die kaum vor dem 9. Jhdt. dorthin gekommen sein können, wird auch festgehalten, dass wenigstens eine der Münzen nur wenige Gebrauchsspuren ausweist.

Die dänische Archäologin Helle Horsnaes hat zwei Bücher von zusammen knapp 420 Seiten über in Dänemark gefundenen römische Münzen geschrieben: Crossing Boundaries: An Analysis of Roman Coins in Danish Context, Band I (2010): Finds from Sealand, Funen and Jutland und Band II (2013): Finds from Bornholm. Römische Münzen jenseits der Grenzen.... man hat bei der Art und Weise, wie hier im Thread teilweise diskutiert wird, den Eindruck, dass die Möglichkeit, dass der letzte, der vor dem Fund einer Münze (oder eine anderweitigen tatsächlich römischen oder den Römern zugeordneten Artefakts) diese Münze (dieses Artefakt) mit sich führte, kein Römer gewesen sein könnte, gar nicht erst in Betracht gezogen wird. Und selbst wenn es so war - wie gesagt, natürlich sind Anwesenheiten von Römern in Mitteldeutschland nicht auszuschließen, genauso wenig, wie in Skandinavien oder Polen - dann sind wir immer noch weit entfernt davon - siehe Threadthema - dass Merseburg eine römische Siedlungskammer gewesen sei, was ja hier im Thread mit rekurrierenden Verweisen auf hochmittelalterliche und renaissancezeitliche Autoren vertreten wird.
 
Wenn wir schon so weit abgedriftet sind, so sei bemerkt, dass auch auf Oak Island eine halbe spätrömische Münze gefunden wurde.
 
man hat bei der Art und Weise, wie hier im Thread teilweise diskutiert wird, den Eindruck, dass die Möglichkeit, dass der letzte, der vor dem Fund einer Münze (oder eine anderweitigen tatsächlich römischen oder den Römern zugeordneten Artefakts) diese Münze (dieses Artefakt) mit sich führte, kein Römer gewesen sein könnte, gar nicht erst in Betracht gezogen wird. Und selbst wenn es so war - wie gesagt, natürlich sind Anwesenheiten von Römern in Mitteldeutschland nicht auszuschließen, genauso wenig, wie in Skandinavien oder Polen - dann sind wir immer noch weit entfernt davon - siehe Threadthema - dass Merseburg eine römische Siedlungskammer gewesen sei, was ja hier im Thread mit rekurrierenden Verweisen auf hochmittelalterliche und renaissancezeitliche Autoren vertreten wird.
Vielleicht wird Schottland als vergleichbare Region akzeptiert.
Wir haben einen ersten Eroberungsversuch(?) der britischen Hauptinsel unter Caesar, einen zweiten + erfolgreicheren 43 n. Chr. unter Claudius. Ungefähr beim Hadrianswall hat man dann einen ersten "Limes" angelegt, die Stanegate. Am bekanntesten ist der Hadrianswall und der nur kurzzeitig gehaltene Antoninunswall. Zuvor - also bereits vor Hadrian - hatte Gnaeus Iulius Agricola die "Landenge" zwischen Glasgow und Edinburgh (Central Belt, Firth of Clyde/Firth of Forth) - es handelt sich nicht tatsächlich um eine Landenge, aber um die schmalste Stelle der britischen Hauptinsel zwischen Ost- und Westküste erreicht, auch die Gask Ridge eine Reihe römischer Beobachtungsposten und Lager am Südrand der Highlands (etwa vom Südende des Loch Lomond bis zum Moray Firth (Inverness) wird Agricola zugeschrieben. Laut Tacitus soll sein Schwiegervater die Nordspitze der britischen Halbinsel in einer kombinierten Infanterie- und Marine-Expedition erreicht haben. Also er und seine Truppen sind durch Nordschottland marschiert und die Flotte hat parallel dazu die Truppen begleitet. Von der Nordspitze Schottlands - sorry, Caledonias - soll Agricola ultima Thule gesehen haben. Tacitus'/Agricolas ultima Thule waren also wohl die Orkneys.
Wir wissen also, dass, so wie Agricola bis mindestens in den Raum Inverness gekommen ist, wahrscheilich aber auch bis in den Raum Thurso. So wie auch Drusus, Ahenobarbus und Tiberius an der Elbe waren.
Aber so, wie eben die römische Grenze sich auf der britischen Hauptinsel am Hadrianswall konsolidierte, trotz deutlicher historiographisch behaupteter und archäologischer erwiesener Versuche, darüber hinaus zu greifen, so konsolidierte die römische Grenze sich am Rhein. Auch hier haben wir sowohl historiographische Belege für den Versuch die Elbe zu erreichen und darüber hinaus zu gelangen, wie auch archäologische Nachweise dafür, dass diese Versuche unternommen wurden. Und natürlich finden wir im archäologischen Befund Hinweise auf römische Artefakte auch jenseits der letztlich konsolidierten Grenzen am Hadrianswall oder Rhein, die auch nach der eigentlichen Exansionsphase auf dem einen oder anderen Weg ins sogenannte Barbaricum gelangten (und zwar über die Grenzen Deutschlands und Schottlands hinaus (Osteeraum/Skandinavien bzw. Irland).
 
Ich dachte da bei Dir eher an einen Beurteilungsfehler.
Kannst du das bitte erläutern? Ich erkenne in den Beiträgen von @El Quijote zur "römischen Exklave Merseburg?" keine.

(ok, ein touristischer lag wohl ansatzweise vor: Merseburg braucht keine römische Exklave als Anziehungspunkt, denn es hat schon herrliche heidnische Zaubersprüche, bei Phol und Uuodan und den Idisen) :D
 
Ich habe mich zu den "Thesen" in diesem Thread gar nicht geäussert! Effekthascherei als Motiv für die Verwendung einer Strohmann-Argumentation habe ich nicht unterstellt. Ich dachte da bei Dir eher an einen Beurteilungsfehler.
Klar, natürlich hast du formal gesehen nur eine Frage von User Fleming beantwortet. Und das völlig korrekt. Dieser Thread aber heißt: "War Merseburg einst römische Exklave?"
Wenn römische Funde um Merseburg in diesem Kontext mehr oder weniger kommentarlos (also ohne Einordnung) eingestellt werden, muss man doch davon ausgehen, dass sie im Rahmen der Fragestellung dieses Threads ("War Merseburg einst römische Exklave?") verwendet werden. Dementsprechend der Hinweis, dass es nur natürlich ist, wenige hundert Kilometer von der römischen Reichsgrenze römische Artefakte (Münzen, Militaria, Handelswaren) zu finden, nur folgerichtig. Zumal die Hermunduren uns ja ausdücklich als Handelspartner der Römer überliefert sind. Schließlich finden wir auch anderenorts außerhalb des römischen Reiches römische Artefakte und Münzen sogar bis in die - aus römischer Perspektive entlegendsten Gegenden, wie Japan, das Mekong-Delta oder Island.
 
wenige hundert Kilometer von der römischen Reichsgrenze römische Artefakte (Münzen, Militaria, Handelswaren) zu finden, nur folgerichtig. Zumal die Hermunduren uns ja ausdücklich als Handelspartner der Römer überliefert sind. Schließlich finden wir auch anderenorts außerhalb des römischen Reiches römische Artefakte und Münzen sogar bis in die - aus römischer Perspektive entlegendsten Gegenden, wie Japan, das Mekong-Delta oder Island.
Um das vielleicht noch zu erläutern, warum ich zunächst Münzen, Miliaria und Handelswaren nenne und am Ende nur noch Münzen:
Bei Militaria gehe ich davon aus, dass die als römische Verluste oder Beute in der erweiterten Region einer Auseinandersetzung blieben, so wie es uns durch Tacitus überliefert ist, dass man bei Segestes römische Beute aus der Varusschlacht fand und dass Arminius' Truppen, als sie gegen Marbo aufmarschierten, römische Rüstungen und Waffen trugen (eben Beute der vorherigen Feldzüge). Auch Handelswaren gehen nicht ewig von Hand zu Hand. Also römische Handelswaren in Indien ja, in Japan eher nicht. Bei Münzen hingegen haben wir teils sehr lange Umlaufzeiten (siehe die römischen Münzen in wikingerzeitlichen Hortfunden oder Strata, bei denen es sich natürlich um rare Einzelstücke handelt, dennoch, allein die datierbaren Münzen in Kalkriese decken einen Zeitraum von 200 v. Chr. bis 2 (oder 4) n. Chr. ab).
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Zimmermann schrieb: Ich dachte da bei Dir eher an einen Beurteilungsfehler.

Ein typischer Beurteilungsfehler liegt meines Erachtens in der kartographischen Bestimmung der Lage des Melíbokos Gebirges vor. Der Geograph Ptolemaios hatte den Harz als Melibokos (steil aufragend) bezeichnet. Im 16. Jahrhundert wurde der Melibokus dann jedoch in den Odenwald verlegt und bezeichnete seither über lange Zeit hinweg dann den dortigen Berg Malchen, obwohl dieser in den mittelalterlichen Quellen durchweg als mons malscus bezeichnet wurde. Erst 1854 räumte Walther diesen neuzeitlichen Irrtum ab, doch es sollte noch weitere 150 Jahre brauchen, bis sich diese Einsicht schließlich allgemein durchsetzte. Das Grossherzogthum Hessen nach Geschichte, Land, Volk, Staat und Oertlichkeit : Walther, Philipp Alexander Ferdinand, 1812-1887, Verfasser : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive so auch Wikipedia : Melibokus – Wikipedia Ähnliches hatten wir auch hinsichtlich der Beurteilung einiger Entfernungsangaben in der römischen Geschichte des Herodian beobachten können. Seit der Entdeckung des Schlachtfeldes am Harzhorn mussten auch die dem Herodian unterstellten Fehler zumindest soweit zurückgenommen werden, dass weitere Korrekturvorschläge zu den sorgsam per Transkription aus Handschriften gewonnenen Textvorlagen künftig unterblieben. Auch hier hatte ein neuzeitlicher Beurteilungsfehler vorgelegen.

Die in Vorbereitung befindlichen Grabungen zum mutmaßlichen römischen Lagerstandort in Aken an der Elbe beispielsweise könnten schon sehr bald eine ähnliche Wendung erforderlich machen : Die Römer und ihre Foederaten standen entgegen bisherigen Annahmen selbst in der Zeit des Antoninus Pius noch, oder wieder, an der Elbe. Inwieweit sich diese Theorie bestätigt, wird sich anhand der im Herbst beginnenden Grabungen in Aken sicherlich zeigen lassen. Sobald sich die Fundlage bei Aken in Hinblick auf ein römisches Kastell erhärtet, wird El Quijote seine derzeitige Position, wonach ein römisches Kastell in der Umgebung von Merseburg, oder sonstwo an Elbe und Saale kategorisch auszuschließen sei, gründlich überdenken müssen, denn seine Beurteilung der in diesem Thread vorgestellten Funde dürfte dann inhaltlich von der tatsächlichen Faktenlage überholt worden sein. Bis dahin sollte man sich in Geduld üben, weitere Artefakte dazu und ihre Fundorte vorstellen, sowie gesicherte Ergebnisse abwarten, was bekanntlich einige Zeit in Anspruch nehmen kann.
 
Zuletzt bearbeitet:
Falls Aken römisch sein sollte, kann es sich nur um ein kurzzeitig belegtes Marschlager handeln. Dafür spricht die bisherige völlige Fundarmut aus dieser Epoche. Neolihikum und Mittelalter sind vorhanden
 
Die in Vorbereitung befindlichen Grabungen zum mutmaßlichen römischen Lagerstandort in Aken an der Elbe könnten beispielsweise schon sehr bald eine ähnliche Wendung erforderlich machen :
Ich bin ein Freund davon, um mit Old Surehand zu sprechen, dem Bären das Fell erst abzuziehen, wenn er erlegt ist.

Die Römer und ihre Foederaten standen entgegen bisherigen Annahmen selbst in der Zeit des Antoninus Pius noch, oder wieder, an der Elbe.
Dem würde ich in dieser Formulierung widersprechen: Wenn sie an der Elbe gestanden hätten, würde das bedeuten, dass sie den Raum zwischen Rhein und Elbe beherrscht hätten. Dass römische Truppen immer mal wieder die Germania Libera durchstreiften und dabei auch die Elbe erreichten, ist wiederum eine ganz andere Geschichte, als dass sie an der Elbe "standen" (es sei denn, man versteht unter "standen" eine Momentaufnahme während einer solchen Kampagne). Marschlager sind eben Marschlager und keine Standlager.

wird El Quijote seine derzeitige Position, wonach ein römisches Kastell in der Umgebung von Merseburg, oder sonstwo an Elbe und Saale kategorisch auszuschließen sei, gründlich überdenken müssen,
Marsch- oder kampagenabhängige Sommerlager schließe ich in der Region überhaupt nicht aus. Irgendwo muss etwa Drusus ja genächtigt haben. Ich schließe eine dauerhafte Besiedlung und Beherrschung aus.

Ich will das mal mit al-Andalus vergleichen. Die Araber hatten in den Jahren 711 ff. die gesamte iberische Halbinsel (PI) bis auf das kantabrisch-asturische Gebirge erobert. Sie stießen auch bis 719 über die Pyrenäen hinaus und eroberten Narbonne. 732 wurden sie von Karl Marttell zwischen Tous und Poitiers zurückgeschlagen. Das war fränkisches Territorium. Nicht arabisch beherrscht.
Etwa 250 Jahre später hatte sich die Grenze zwischen christlichen und muslimischen Herrschaften auf der iberischen Halbinsel im Westen der PI etwa am Douro/Duero konsolidiert. Man kann das Verhältnis in dieser Zeit - wobei das Kulturgefälle nicht so groß war, in etwa mit dem zwischen Römern und Germanen vergleichen. Gleichwohl es auch immer wieder christliche Siege gab (sonst wäre die Grenze ja nicht bis zum Douro/duero nach Süden verschoben worden), lag die Initiative zu dieser Zeit hauptsächlich auf muslimischer Seite. Die Potenz auf der iberischen Halbinsel, inbesondere unter dem Kalifen 'Abd ar-Rahman III und dem Großwesir seines Sohnes al-Hakam (der politisch desinteressiert war), al-Mansur, war eindeutig das Kalifat von Córdoba. Insbesondere al-Mansur intensivierte die alljährlichen aceifas (Sommerfeldzüge < as-sayf - Sommer) und legte so ziemliches jedes Jahr eine andere nordspanische Stadt in Schutt und Asche. Manchmal verschonte er die Kirchen, nahm nur die Kirchenschätze an sich. Beherrschte er das Gebiet? Nein, er verfügte über professionelle Truppen, die als Marschkolonne so groß waren, dass sie mehr oder weniger unanagreifbar waren und mit denen er Städte belagern und zerstören konnte. Erobern konnte er das Gebiet aber nicht (und er gewann auch nicht jede Schlacht). Erst, als das Kalifat von Córdoba aus internen Grünen zusammenbrach, gelangte die Initiative allmählich von der muslimsichen Hand in die christliche, so dass etwa 80 Jahre nach al-Mansurs Tod Alfonso VI., - jetzt für einige Jahre der große Player - seinerseits mit seinem Pferd bei Tarifa bis zum Bauch ins Meer ritt und sich als Imperator totius Hispaniae titulieren ließ. Aber auch er konnte de facto, auch wenn er zeitweise Burgen wenige Kilometer von Sevilla entfernt bemannte oder zwischen Granada und Murcía, lediglich ein Gebiet bis zum Tajo dauerhaft beherrschen. Am Ende musste er aber dann auch wieder große Niederlagen einstecken und die Initiative gelangte bis ins 13. Jhdt. wieder auf die muslimische Seite.

So ähnlich sieht der Befund in der Germania Libera aus: Natürlich war Rom der große Player, römische Truppen konnten durch die Germania Libera marschieren, ohne, dass ihnen sich groß jemand entgegenstellte (naja, von einigen Auseinandersetzungen wissen wir dann ja doch,s owohl historiographisch, als auch archäologisch). Natürlich jagten römische Soldaten (venatores) jenseits des Rheins, schlugen dort Holz etc. Aber das sie das Gebiet wirklich beherrscht hätten, ist eine völlig andere Geschichte.

denn seine Beurteilung der in diesem Thread vorgestellten Funde dürfte dann inhaltlich von der tatsächlichen Faktenlage überholt worden sein. Bis dahin sollte man sich in Geduld üben, weitere Artefakte dazu und ihre Fundorte vorstellen, sowie gesicherte Ergebnisse abwarten, was bekanntlich einige Zeit in Anspruch nehmen kann.
Wie gesagt, erst den Bären erlegen, dann ihm das Fell abziehen, nicht schon mit dem Bärenfell prahlen, wenn der noch ganz putzmunter durch die Wildnis tollt.
 
El Quijote : Ich bin ein Freund davon, um mit Old Surehand zu sprechen, dem Bären das Fell erst abzuziehen, wenn er erlegt ist.

Genau darauf legen hier alle Wert, denn einer von diesen Bären wurde 2008 am Harzhorn gefunden. Wir werden im übrigen sehen, was die Grabungen in Aken und andernorts in den nächsten Jahren dazu ans Licht bringen. Ansonsten würde ich es aufgrund der Entdeckungen am Harzhorn begrüßen, wenn die hier in die Diskussion eingeführten Argumente zum Thema sachlich beurteilt werden würden, denn vor 20 Jahren noch wäre man auch dazu pauschal abgebügelt worden, was ich in Hinblick auf die Quelle Herodian selbst miterleben durfte. Wir sollten also keinesfalls auf Pro-Argumente verzichten, denn diese sind in kontrovers geführten Auseinandersetzungen zur Geschichte mindestens genauso wertvoll, gerade auch, weil es ohne diese eben weder eine Diskussion noch eine Kontroverse wäre. Entscheidend ist letztlich die tatsächlich vorgefundene Faktenlage, denn Grimms-Märchenstunde hatten einige bereits. Dazu gehört, dass nach entsprechenden Voruntersuchungen dann letztlich auch gegraben wird, denn so gewinnt man selbst dort, wo die Quellen weitgehend schweigen, die notwendigen Erkenntnisse. Dies gilt auch für die mögliche "römische Exklave" bei Merseburg. Ravenna beispielsweise war eine solche der Byzantiner, und obwohl sie im Reich der Langobarden in Italien gelegen war, dürfte sie dem hier diskutierten Sachverhalt sicherlich eher gerecht werden als das von dir in # 335 eingeführte Narbonne. Überhaupt scheinen mir deine zu diesem Thema bemühten Vergleiche häufig schlecht gewählt zu sein.

Gruß aus dem Melíbokos.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die in Vorbereitung befindlichen Grabungen zum mutmaßlichen römischen Lagerstandort in Aken an der Elbe beispielsweise könnten schon sehr bald eine ähnliche Wendung erforderlich machen : Die Römer und ihre Foederaten standen entgegen bisherigen Annahmen selbst in der Zeit des Antoninus Pius noch, oder wieder, an der Elbe. Inwieweit sich diese Theorie bestätigt, wird sich anhand der im Herbst beginnenden Grabungen in Aken sicherlich zeigen lassen. Sobald sich die Fundlage bei Aken in Hinblick auf ein römisches Kastell erhärtet, wird El Quijote seine derzeitige Position, wonach ein römisches Kastell in der Umgebung von Merseburg, oder sonstwo an Elbe und Saale kategorisch auszuschließen sei, gründlich überdenken müssen, denn seine Beurteilung der in diesem Thread vorgestellten Funde dürfte dann inhaltlich von der tatsächlichen Faktenlage überholt worden sein. Bis dahin sollte man sich in Geduld üben, weitere Artefakte dazu und ihre Fundorte vorstellen, sowie gesicherte Ergebnisse abwarten, was bekanntlich einige Zeit in Anspruch nehmen kann.
Wir können nur heftig die Daumen drücken. Damit die Grabung nicht ausgeht, wie das hornberger Schjeßen. Siehe das Lager in Pömmelte. Klare römische Linien mit Torsituation, aber kaum brauchbare Funde.
 
Genau darauf legen hier alle Wert, denn einer von diesen Bären wurde 2008 am Harzhorn gefunden.
Was genau wurde denn am Horzhorn gefunden?
Spuren eines Scharmützels zwischen einer durchziehenden römischen Truppe und mutmaßlich örtlich ansässigen Germanen.

Wir werden im übrigen sehen, was die Grabungen in Aken und andernorts in den nächsten Jahren dazu ans Licht bringen.
Ich sag ja (mit Old Surehand): Lass uns dem Bären das Fell dann abziehen, wenn er erlegt ist und nicht früher.

Überhaupt scheinen mir deine zu diesem Thema bemühten Vergleiche häufig schlecht gewählt zu sein.
Sind sie das?

Wir haben einen Limes - das ist Forschugsstand - und jenseits des Limes eben auch römische Spuren. Das sind sowohl Spuren miitärischer Auseinandersetzungen als auch von Handel.
Vergleich Schottland: Wir haben einen Limes (Stanegate, Gask Ridge, Hadrianswall, Antoninus-Wall, Hadrianswall) und jenseits des Limes (in Schottland und Irland römsiche Artefakte)
Vergleich al-Andalus: Wir haben die Grenzmarken, die - je nachdem, welche Seite gerade die Macht hatte - im 10. Jhdt. von den Muslimen beherrscht wurden, mit Inkursionen ins christliche Territorium und im ausgehenden 11. Jhdt bis 1090 von den Christen beherrscht wurde, welche Inkursionen ins muslimische Territorium unternahmen usw.

Wieso sollten das "schlechte Vergleiche" sein? Es ist vielmehr in der Sache ziemlich übereinstimmende Situationen.

Wieso sollte, wenn Münzen und andere römische Artefakte ohne Fundzusammenhänge (s.u.) hier angeführt werden und dann womöglich positivistisch interpretiert werden als "Belege" für [dauerhafte] römische Anwesenheit, man verschwiegen, dass es solche römsichen Artefakte auch anderswo im Barbaricum gab und das römische Münzen bis nach Island und Japan zu finden sind?

Fundzusammenhänge: Jan Bemmann z.B. hat seine Habilitation über Körpergräber der römischen Kaiserzeit in Mitteldeutschland geschrieben (2000; er hat damals an der Uni Jena gearbeitet und aufgrund seiner Habil. 2004 den Ruf an die Uni Bonn bekommen). U.a. hat er auch über Münzen und münzähnliche Artefakte, in Gräbern der römischen Kaiserzeit im Barbaricum geschrieben (Zur Münz- und Münzersatzbeigabe in Gräbern der Römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit des mittel- und nordeuropäischen Barbaricums, 2005), u.a. darüber, ob sie als Geld (Obolus) oder als Schmuck verwendet wurden. Das sind Fundzusammenhänge: Gräber, Siedlungen, Lager, Horte. Aber eben auch der Hort dessen Schlussmünze aus dem 9. oder 10. Jhdt. stammt und wo eine römische Münze dabei ist. Oder die wikingische Siedlung auf Island, in der man eine römische Münze findet.
Einzelfunde ohne Fundzusammenhänge sind... nichts. Denn wir wissen ja, dass römische Artefakte noch Jahrhunderte später auftauchen. Natürlich ist die römische Münze auf Island ein Extrembeispiel. Aber dieses verdeutlicht doch nur, die Problematik des Positivismus. Wissenschaft heißt, diese Problematik zu erkennen und ernst zu nehmen. Die Problematik zu ignorieren hingegen führt zur Verzerrung.
 
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