Was bedeutet "saltus"?

Da ich die interessante Diskussion mitlese:

Kann mir nochmal jemand die Entstehungsgeschichte erläutern, ab wann der Begriff in einem Verwaltungs-Kontext nachweislich in Gebrauch kam?

An die Frage von Alfirin anknüpfend: gibt es aus anderen regionalen Fällen Quellen bzw. Hinweise, dass die Römer sozusagen in der Frühphase einer Okkupation administrative Pläne oder "Vorstellungen" über Verwaltungsregionen entwickelten?
Der erste literarische Beleg scheint sich bei Livius, Geschichte Roms, Buch 26 zu finden:
The History of Rome: The Twentieth to the Thirtieth Books Inclusive ... - Livy - Google Books.
saltus tugiensi, a Tugia opp., sic dicti =

Saltus tugiensis, beim oppidum Tugia, daher der Name
Castillo de Toya - Wikipedia, la enciclopedia libre
Cazorla - Cuando la comarca Sierra de Cazorla era el Saltus Tugiensis

Der saltus castulonensis taucht schon bei Caesar als Grenze der Provinzen Hispania Ulterior und Baetica auf, jedoch ist hier weniger klar, ob der Begriff topographisch oder territorial-administrativ zu verstehen ist. Bei einer offiziellen Provinzgrenze würde ich zu letzterem tendieren, zudem war der saltus, wie auch die namensgebende Stadt, aufgrund der reichen Silbervorkommen alles andere als unwichtig, aber andere Lesarten sind sicherlich möglich.
JSTOR: An Error Occurred Setting Your User Cookie
http://interclassica.um.es/var/plai...lication/3f3d3389182c0413e2c7678365f4655e.pdf

Der Begriff erscheint dann gehäuft und regelmäßig in der Nar.Hist. Plinius d.A., sowie etwa zeitgleich bei Frontinus. Plinius nennt, neben dem vorerwähnten saltus tugiensis u.a. folgende saltus:

  1. Vasconum saltus (Nat. Hist. 4,110-111) als Teil seiner Beschreibung Nordspaniens:
    Proxima ora citerioris est eiusdemque Tarraconensis situus a Pyrenaeo per oceanum Vasconum saltus, Olarso, Vardulorum oppida, Morogi, Menosca, Vesperies, Amanum portus, ubi nunc Flauiobrica colonia 8. Ciuitatium VIIII regio Cantabrorum .. =

    Die nächstfolgende Küste ist die des diesseitigen Spaniens oder Tarraconiens. Von den Pyrenäen an liegen entlang des Ozeans: Der vasconische Saltus, Olarso (Irun/ Oiartzun), die vardulischen oppida (der?) Morogi (San Sebastian?), Menosca (Orio/ Zardautz?), Vesperies (Bermeo?), der amanische Hafen, wo sich jetzt die Kolonie Flaviobriga (Bilbao) befindet. Dann die neun Gemeinden der Region Cantabrien...
    Hier lässt sich trefflich darüber streiten, ob der Vasconum saltus (a)analog zu den "neun Gemeinden Cantabriens" als zusammenfassende Bezeichnung für die nachfolgend aufgezählten oppida und colonia des Baskenlands zu verstehen ist, (b) ein Einzelterritorium ist, oder (c) er als direkt an die Pyrenäen anschließendes, jedoch von diesen zu unterscheidendes Waldgebirge östlich Iruns zu verstehen ist. Ein Blick auf die Karte schließt (c) eigentlich aus. Allerdings vermutete schon A.v. Humboldt, dass (d) "Vasconum saltus Olarso" als Einheit zu verstehen sein mag, die sowohl den Talzug Irun-Oiartzun, als auch das küstenseitige Vorgebirge des Jaizkibel (547 m) umfasst Möge sich also jede(r) die Interpretation raussuchen, die ihr/ihm am besten past...
    Wilhelm Von Humbolts Gesammelte Schriften - Google Books
  2. Saltus Tariotarum um Skradin im heutigen Kroatien. Hier wurden entsprechend beschriftete Grenzsteine im Hinterland gefunden, so daß der offziellen Territorialcharakter unzweifelhaft ist. Weiterführende (serbo-)kroatische Literatur scheint vorzuliegen.
    Tariotes - Wikipedia, the free encyclopedia
  3. Der bei Mommsen diskutierte Saltus Galliani in der Emilia.
Wie bereits in einem früheren Beitrag erwähnt, nimmt Mommsen an, dass sich der epigraphisch belegte "procurator vectigaliorum populi Romani, quae sunt citra Padum" auf diesen Saltus Galliani bezieht. In jedem Fall belegt die Inschrioft, dass Prokuratoren auch in senatorischen Territorien eingesetzt wurden, ob schon in der Republik oder erst später, ist unklar. Mommsen folgert hieraus, dass die Institution exterritorialer Gebiete, wie auch immer bezeichnet, in die Republik zurückreicht.
Woher im letzten Grunde diese mit dem römischen Staats- und Stadtbegriff theoretisch wie praktisch unvereinbare Grosswirtschaft rührt, wird durch Zeugnisse nie ausgemacht werden. Es kann sein, dass in Italien die römischen Senatoren aus den Trümmern der durch die Waffen Roms zerschmetterten italischen Städtebünde selbständige Latifundien gebildet haben. Es kann aber auch sein, dass die Einrichtung afrikanischen Ursprungs ist und die Ratsherren von Karthago die Väter wie der römischen Provinzial- so auch dieser Gutswirtschaft sind; in diesem Fall erklärt sich, dass gerade in Africa die letztere zu solcher Ausdehnung und Stabilität gelangt ist.
Gesammelte Schriften - Theodor Mommsen - Google Books

Die Erwähnungen bei Frontinus zitiert Schmall ausführlich in Fußnote 1281 (S.394f). Ausserdem nennt und diskutiert sie als weitere Literatur in diesem Zusammenhang (Fußnoten 738 ff, S. 237):
Schulten, A.: Die kaiserlichen Grundherrschaften. Eine agrarhistorische Untersuchung, Weimar 1896, 5f.. Die Exemtion von Domänen, welche von einem städtischen Territorium umschlossen wurden, belegt eine Stelle bei Hygin, Constitutio limitum (ed. Campbell), p. 154, Z. 23f. der ausdrücklich von privater Termination solcher [FONT=Book Antiqua,Book Antiqua][FONT=Book Antiqua,Book Antiqua]fundi excepti [/FONT][/FONT]spricht, die demnach eigene Grenzen ([FONT=Book Antiqua,Book Antiqua][FONT=Book Antiqua,Book Antiqua]fines[/FONT][/FONT]) haben müssen (ebd., Z. 4): „[FONT=Book Antiqua,Book Antiqua][FONT=Book Antiqua,Book Antiqua]Eadem ratione terminabimus fundos exceptos sive concessos et in forma sicuta loca publica inscriptionibus demonstrabimus[/FONT][/FONT]", vgl. Hygin, Constitutio limitum (ed. Campbell), p. 154, Z. 27f. „[FONT=Book Antiqua,Book Antiqua][FONT=Book Antiqua,Book Antiqua]Excepti sunt fundi bene meritorum, ut in totum privati iuris essent nec ullam coloniae munificentiiam beberent et essent in solo populi Romani[/FONT][/FONT]", dazu Schulten, Grundherrschaften, 5: „[FONT=Book Antiqua,Book Antiqua][FONT=Book Antiqua,Book Antiqua]Privati iuris" hat aber hier eine politische Bedeutung, bezeichnet territoriale Autonomie. ... „In solo p.R." sind die Grundstücke in dem Sinne wie die Muncipien, sie sind „reichsunmittelbar", wie wir sagen.[/FONT][/FONT]"; dagegen His, Domänen, 115f., der die Exemtion von [FONT=Book Antiqua,Book Antiqua][FONT=Book Antiqua,Book Antiqua]fundi[/FONT][/FONT], welche innerhalb der städtischen Gemarkung zu finden sind, generell bestreitet.
(..)Für Schulten, Grundherrschaften, 118ff. [ist dies] die eigentliche Trennlinie zwischen privaten und kaiserlichen Domänen: Nur die kaiserlichen Domänen seien „quasimunizipal" im vollen Wortsinn, da lediglich auf kaiserlichen Territorien eine quasimunizipale Gerichtshoheit durch die Procuratoren der eximierten Saltus ausgeübt werde .
Schulten, Grundherrschaften, 109 behauptet auf Basis von Cod. Theod. 12, 18, senatorische [FONT=Book Antiqua,Book Antiqua][FONT=Book Antiqua,Book Antiqua]saltus [/FONT][/FONT]seien wie die kaiserlichen von munizipaler Gerichtsbarkeit, nicht aber von der Hoheitsgewalt des Statthalters eximiert (..)
Einer wohl v.a. in der angelsächsischen Literatur vertretenen These zu Folge waren saltus (u.a.?) indigene Gebiete mit spezifischen Selbstverwaltungsrechten, deren Hauptorte als castella, später fallweise auch als Colonia bezeichnet wurden. Schmall verweist in diesem Zusammenhang (Fußnote 735, S. 235f) exemplarisch auf das "castellum Aurelianense Antoninianense (CIL VIII, 8425 = ILS 6890), welches von den coloni caput saltus Horreorum et Kalefacelenses Pardalarienses gegründet wurde. Dies könnte in Zusammenhang stehen mit dem kaiserlichen territorium Aureliense in CIL VIII, 8811 = 20618 = ILS 5964".
Für den o.g. dalmatinischen Saltus Tariatorum wird ein solcher Spezialstatus eines "autonomen Gebiets" häufig in Betracht gezogen, bei den Basken liegt die Idee zumindest nicht fern. Insofern halte ich für das ubische Gebiet um Köln die Annahme, es sein von Beginn an eine civitas gewesen, keinesfalls für selbstverständlich.

Das ein saltus durchaus zu einer civitas "aufsteigen" konnte, zeigt das Beispiel Sumelocenna. Nach welchen Kriterien dies erfolgte, scheint (wie so vieles in der römischen Territorialverwaltung) unklar bzw. im Zeitablauf veränderlich. Einwohnerzahl und politisch-militärische Relevanz sind naheliegende Kriterien, und mit beidem stand es ja im augusteischen Köln nicht schlecht. Insofern bin ich im Falle Kölns, selbst wenn Tacitus "civitas" synonym bzw. alternierend mit "ara", "oppidum" und "urbs" benutzt, nicht abgeneigt zu glauben, dass er hier ausnahmsweise mal eine offizielle Gebietsbezeichnung verwendet. Etwas irritierend ist allerdings, dass die erste und zwanzigste Legion von ihrem Sommerlager an der ubischen Grenze (ad finibus ubiorum, Annalen 1,31,3) in die civitas zurückmarschieren, wo sie in 1,39,1 am ara ubiorium in Erscheinung treten. Dies deutet an, dass das ubische Territorium im Ganzen keine civitas war - aber was war es sonst? Andere Quellen als diese Stellen bei Tacitus haben wir für das augusteische Köln jedoch nicht, oder? Bei Plinius (4,31) heisst es schon "in ubis colonia agrippinensis".


Eine interessante verwaltungsgeschichtliche Quelle könnte White, K. D.: Latifundia. A critical review of the evidence on large estates in Italy and Sicily up to the end of the first century A.D., BICS 14, 1967, 62 – 79, sein. Leider keine online-Version verfügbar, aber das eine oder andere Mitglied mag ja Zugang zu Bibliotheken haben, wo der Artikel verfügbar ist.

Schließlich könnte es lohnen, sich mal näher mit der Geschichte und Ethymologie des folgenden Orts auseinanderzusetzen (vielleicht kennt sich ja ein Mitglied diesbezüglich aus):
Al-Salt - Wikipedia, the free encyclopedia
 
Das Etymon von Etymologie ist jedenfalls ἔτυμος und nicht *ἔθυμος :winke:

Was die Inschriften bei Skradin angeht, so kann ich sie im CIL nicht finden, obwohl dort 51 Inschriften vermerkt sind. Bei Miletić, Saltus Tariotarum findet man folgendes Foto und dazu die Auflösung:

Finis.jpg

F[inis] N[ovus] SAL(tus) T[erritori] TAR[iotarum] EX DE[creto] P[ubli] C[orneli] DOL[abella] (Tippfehler korrigiert)

Für die zweite Inschrift (SAL[tus] TE[rritori] TA[riotarum] EX D[ecreto] DOL[abellae] LEG[ati]) wird kein Foto mitgeliefert.
 
Der "Saltus Tugiensis" findet sich nicht bei Livius. Du verwechselst hier Text und Fußnote.
Der Text lautet "huius saltus fauces Nero occupauit", die englische Übersetzung "The entrance of this defile Nero seized".
In der Fußnote wird erläutert, dass es sich bei diesem saltus um den "Saltus Tugiensis" handle, der hier mit der Sierra de Alcaraz identifiziert wird.

Also klar ein Gebirge.

Weit und breit kein Verwaltungs-Kontext.

Der Begriff erscheint dann gehäuft und regelmäßig in der Nar.Hist. Plinius d.A., sowie etwa zeitgleich bei Frontinus. Plinius nennt, neben dem vorerwähnten saltus tugiensis u.a. folgende saltus:
Auch bei Plinius haben wir keinen Verwaltungs-Kontext. Er schreibt, der Fluss Baetis (Guadalquivir) entspringe im Saltus Tugiensis.


Wie bereits in einem früheren Beitrag erwähnt, nimmt Mommsen an, dass sich der epigraphisch belegte "procuator vectigaliorum populi Romani, quae sunt citra Padum" auf diesen Saltus Galliani bezieht. In jedem Fall belegt die Inschrioft
... die "in den Beginn des dritten Jahrhunderts n. Chr." datiert ist, überhaupt nichts für die frühe Kaiserzeit oder gar für die Republik.
 
Was die Stelle mit dem Saltus Castulonensis angeht - Adventu L.Vibulli Rufi, quem a Pompeio missum in Hispaniam demonstratum est, Afranius et Petreius et Varro, legati Pompei, quorum unus Hispaniam citeriorem tribus legionibus, alter ulteriorem a saltu Castulonensi ad Anam duabus legionibus - so übersetzt hier J. J. Sayas Abengochea in seiner Historia antigua de la Península Ibérica ausdrücklich Sierra de Cástulo (S. 194, S. 198). Das alter ulteriorem wurde als textlogisch notwendig von modernen Historikern ergänzt, es steht in keiner der überlieferten HSS.

Auch bei Plinius haben wir keinen Verwaltungs-Kontext. Er schreibt, der Fluss Baetis (Guadalquivir) entspringe im Saltus Tugiensis.

Darauf habe ich im Übrigen bereits vor viereinhalb Jahren hingewiesen:

Beispiel Plinius, Naturalis Historia: "Baetis, in Tarraconensis provinciae non, ut aliqui dixere, Mentesa oppido, sed Tugiensi exoriens saltu"

"Der Guadalquivir entspringt nicht, wie andere sagen, in der Provinz Tarragona, beim Oppidum Mentesa, sondern im Saltus von Tugia (Tuya, Sierra de Cazorla)"
 
Das ein saltus durchaus zu einer civitas "aufsteigen" konnte, zeigt das Beispiel Sumelocenna. Nach welchen Kriterien dies erfolgte, scheint (wie so vieles in der römischen Territorialverwaltung) unklar bzw. im Zeitablauf veränderlich. Einwohnerzahl und politisch-militärische Relevanz sind naheliegende Kriterien, und mit beidem stand es ja im augusteischen Köln nicht schlecht. Insofern bin ich im Falle Kölns, selbst wenn Tacitus "civitas" synonym bzw. alternierend mit "ara", "oppidum" und "urbs" benutzt, nicht abgeneigt zu glauben, dass er hier ausnahmsweise mal eine offizielle Gebietsbezeichnung verwendet.
heutzutage wäre ein Vergleich zwischen Rottenburg am Neckar und Köln am Rhein lächerlich ;)

bzgl. der römischen Antike, genauer der römischen Kaiserzeit, ist es um einen Vergleich zwischen Sumelocenna am Neckar und Colonia am Rhein meiner Ansicht nach nicht anders bestellt...

und zuguterletzt hilft ein saltus sumelocennsis (? heißt das so?) aus dem 2.-3. Jh. innerhalb des Territoriums des römischen Imperiums nicht, einen saltus teutoburgiensis des frühen 1. Jhs. außerhalb des Territoriums des römischen Imperiums zu bestimmen.

(die altphilologischen Worterklärungen zu saltus bei Tacitus, die ich schon vor Jahren hier mitgeteilt hatte (man muss nur zurückblättern), mag ich nicht wiederholen; da kann man zurückblättern)
 
Der Begriff erscheint dann gehäuft und regelmäßig in der Nar.Hist. Plinius d.A., sowie etwa zeitgleich bei Frontinus. Plinius nennt, neben dem vorerwähnten saltus tugiensis u.a. folgende saltus:

  1. Vasconum saltus (Nat. Hist. 4,110-111) als Teil seiner Beschreibung Nordspaniens:
    Hier lässt sich trefflich darüber streiten, ob der Vasconum saltus (a)analog zu den "neun Gemeinden Cantabriens" als zusammenfassende Bezeichnung für die nachfolgend aufgezählten oppida und colonia des Baskenlands zu verstehen ist, (b) ein Einzelterritorium ist, oder (c) er als direkt an die Pyrenäen anschließendes, jedoch von diesen zu unterscheidendes Waldgebirge östlich Iruns zu verstehen ist. Ein Blick auf die Karte schließt (c) eigentlich aus. Allerdings vermutete schon A.v. Humboldt, dass (d) "Vasconum saltus Olarso" als Einheit zu verstehen sein mag, die sowohl den Talzug Irun-Oiartzun, als auch das küstenseitige Vorgebirge des Jaizkibel (547 m) umfasst Möge sich also jede(r) die Interpretation raussuchen, die ihr/ihm am besten past...
    Wilhelm Von Humbolts Gesammelte Schriften - Google Books
  2. Saltus Tariotarum um Skradin im heutigen Kroatien. Hier wurden entsprechend beschriftete Grenzsteine im Hinterland gefunden, so daß der offziellen Territorialcharakter unzweifelhaft ist. Weiterführende (serbo-)kroatische Literatur scheint vorzuliegen.
    Tariotes - Wikipedia, the free encyclopedia
  3. Der bei Mommsen diskutierte Saltus Galliani in der Emilia.


1. "Gehäuft und regelmäßig" tauchen im 4. Buch folgende saltus auf:

- "saltus Cithaeron"- "Hercynius saltus"
- "saltus Pyrenaeus"
- "Vasconum saltus"
Die ersten drei kann man klar als Gebirge identifizieren.



2. Wieder eine Falschinformation. Plinius nennt keinen "Saltus Tariotarum".


3. Ob der "saltus Galliani" eine Verwaltungseinheit darstellt, geht aus Plinius nicht hervor. Der "procurator at praedia Galliana", den Mommsen damit in Verbindung bringt, datiert aus der Zeit des Severus Alexander (222-235).
 
Der "Saltus Tugiensis" findet sich nicht bei Livius. Du verwechselst hier Text und Fußnote.
Der Text lautet "huius saltus fauces Nero occupauit", die englische Übersetzung "The entrance of this defile Nero seized".
In der Fußnote wird erläutert, dass es sich bei diesem saltus um den "Saltus Tugiensis" handle, der hier mit der Sierra de Alcaraz identifiziert wird. .
Danke für den Hinweis. Ich hatte versucht, einen Originaltext zu finden, leider ohne Erfolg, da ich mir selbst nicht ganz sicher war, wie weit die (lateinische Fußnote) als Zitat oder als Erläuterung zu verstehen war.
Also klar ein Gebirge.

Weit und breit kein Verwaltungs-Kontext.

Auch bei Plinius haben wir keinen Verwaltungs-Kontext. Er schreibt, der Fluss Baetis (Guadalquivir) entspringe im Saltus Tugiensis.
Auf den ersten Blick, ja. Aber deshalb habe ich ja die spanischen Artikel beigefügt, die das Ganze in ein etwas anderes Licht stellen.

Beginnen wir mit Plinius und der berühmten Frage, welchen Zufluß eines Stroms die Römer eigentlich als Quellfluss ansehen (das Thema kennen wir ja auch von Elbe und Weser): Bis Plinius wurde offensichtlich der bei Mentesa (Guardia de Jaen) entspringende Guadabullon für den Quellfluss des Betis gehalten. Plinius verlegte die Quelle in den Saltus Tugiensis, wobei nicht klar ist, welchen der dort in Frage kommenden Quellflüsse er meinte. Üblicherweise wird vermutet, dass er sich nicht auf den heute als Oberlauf anerkannten Arm, sondern auf den Guadiana Menor (iberisch Anas) bezog, der weiter östlich und in unmittellbarer Nähe des Rio Segura entspringt.
Fuentes del Guadalquivir - Wikipedia, la enciclopedia libre

Jetzt finden wir bei Caesar (danke für das Zitat, EQ!) den "saltus Castulonensi ad Anam". Eine "Sierra de Castulo" ist der spanischen Geographie unbekannt, das direkte Umfeld von Castulo (bei Linares) ist knochentrocken (also waldleer) und maximal als högelig zu bezeichnen. "ad Anam" wird traditiionell auf den knapp 150 km nördlich entspringenden "großen" Guadiana bezogen. Plausibler aber erscheint der "kleine" Guadiana bzw. obere Guadalquivir nur 20 km südlich. Dann kann mit "saltus Castulonensis" natürlich das 60 km östlich liegende Gebirge an der Quelle des Guadiana/ Guadalquivir, die Sierra Cazorla, gemeint sein. Aber damit hätten wir für ein und dasselbe Gebirge zwei römische Namen, nämlich saltus Castulonensis bei Ceasar und saltus Tugiensis bei Plinius. Upps...

Bei Plinius taucht ein saltus Castulonensis nicht mehr auf. Stattdessen beginnt dort Betica, zu Caesars Zeiten noch Teil der Hispania ulterior, "a Castulonis oppidi fine" (III, 17). Mag sein, dass die Römer zwischendurch fleißig neu vermessen und Grenzsteine gesetzt haben. Viel wahrscheinlicher aber ist, dass die Provinzgrenze gleich blieb, und bloß der saltus Castulonensis zur oppida Castulonensis geworden ist. Falls saltus Castulonensis wirklich eine Territorialbezeichnung ist, könnte sie den Dank der Römer für den Seitenwechsel Castulos während des 2. Punischen Kriegs wiederspiegeln.

Und der saltus Tugiensis? Wie der spanische Link in meinem vorherigen Beitag deutlich macht, war Tugia in römischer Zeit alles andere als eine Wildnis, sondern wichtiger Durchgangsraum für Ost-west und Nord-Süd-Handel, Das Quellgebiet des Baetis (Guadalquivir) hieß bei den Römern nicht nur "saltus Tugiensis", sondern auch "Argentarius mons" (Silberberg). Gute Gründe also für direkte kaiserliche Kontrolle (die von Caesar benannten zwei Legionen hockten sicherlich auch nicht grundlos in der Gegend). Kein direkter Beleg oder Beweis, aber einige Gründe, warum saltus in territorial-administrativen Sinn hier plausibel ist.

... die "in den Beginn des dritten Jahrhunderts n. Chr." datiert ist, überhaupt nichts für die frühe Kaiserzeit oder gar für die Republik.
Wiederum zunächst Danke für die zeitliche Einordnung, nach der ich auch schon erfolglos gesucht hatte.
Den springenden Punktr hast Du allerdings übersehen, nämlich die Worte "vectigalorum populi romani". Noch mal: "populum romani", nicht "caesaris". Es war also erstens senatorisches Territorium, durch einen procurator verwaltet (affirin und aqricola hatten ja die Existenz senatorischer Territorien bzw. Prokuratoren bezweifelt). Zweitens bezieht sich die Inschrift offenbar auf einen von Plinius benannten saltus. Für die Datierung brauchen wir damit die Inschrift gar nicht, sie liefert aber Hintergrundinformation zum status dieses saltus. Und drittens - ach, lies doch einfach Mommsen, den ich ja nun wirklich oft genug hier zitiert und verlinkt habe, und setz Dich auch mal inhaltlich mit seinen Argumenten auseinander!.

Im übrigen empfehle ich allen schon mal einen Blick in Livius 10,21 zum saltus Vescino und Sinessa. Später dazu mehr..
 
Ich hatte versucht, einen Originaltext zu finden, leider ohne Erfolg
Ich habe kurz gegoogelt und diesen Text gefunden:
Livy

Auf den ersten Blick, ja.
Auch auf den zweiten, dritten und vierten Blick finden wir weder bei Livius noch bei Plinius einen Nachweis für einen Verwaltungs-Kontext.

Silesias Frage war:
Kann mir nochmal jemand die Entstehungsgeschichte erläutern, ab wann der Begriff in einem Verwaltungs-Kontext nachweislich in Gebrauch kam?

Können wir uns mal vorerst auf die Nachweise beschränken und Vermutungen, Falschinformationen und extra konstruierte Hilfshypothesen außen vor lassen?

Den springenden Punktr hast Du allerdings übersehen, nämlich die Worte "vectigalorum populi romani". Noch mal: "populum romani", nicht "caesaris".
Der springende Punkt ist: Die Inschrift datiert aus dem 3. Jahrhundert. Wenn im 3. Jahrhundert der Begriff "populus Romanus" auftaucht, ist das kein Nachweis für eine Institution aus republikanischer Zeit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Beginnen wir mit Plinius und der berühmten Frage, welchen Zufluß eines Stroms die Römer eigentlich als Quellfluss ansehen (das Thema kennen wir ja auch von Elbe und Weser): Bis Plinius wurde offensichtlich der bei Mentesa (Guardia de Jaen) entspringende Guadabullon für den Quellfluss des Betis gehalten. Plinius verlegte die Quelle in den Saltus Tugiensis, wobei nicht klar ist, welchen der dort in Frage kommenden Quellflüsse er meinte. Üblicherweise wird vermutet, dass er sich nicht auf den heute als Oberlauf anerkannten Arm, sondern auf den Guadiana Menor (iberisch Anas) bezog, der weiter östlich und in unmittellbarer Nähe des Rio Segura entspringt.

Jaaa?! :grübel: Alles subb(a)etische Kordilliere, zu der die Sierra de Cazorla, die Sierra de Segura, die Sierra de Mágina und die Sierra de Baza gehören. Worauf also willst du hinaus?

Jetzt finden wir bei Caesar (danke für das Zitat, EQ!) den "saltus Castulonensi ad Anam". Eine "Sierra de Castulo" ist der spanischen Geographie unbekannt, das direkte Umfeld von Castulo (bei Linares) ist knochentrocken (also waldleer) und maximal als högelig zu bezeichnen. "ad Anam" wird traditiionell auf den knapp 150 km nördlich entspringenden "großen" Guadiana bezogen. Plausibler aber erscheint der "kleine" Guadiana bzw. obere Guadalquivir nur 20 km südlich.
Nee, das können wir ausschließen. Du musst den Satz auch weiterlesen. Mit ad Anam ist schon der große Guadiana gemeint. Denn der Anas wird auch als Grenzfluss zur Lusitania (Süd- und Mittelportugal, Extremadura) und zum Gebiet der Vettonen (Extremadura) gekennzeichnet.


Dann kann mit "saltus Castulonensis" natürlich das 60 km östlich liegende Gebirge an der Quelle des Guadiana/ Guadalquivir, die Sierra Cazorla, gemeint sein. Aber damit hätten wir für ein und dasselbe Gebirge zwei römische Namen, nämlich saltus Castulonensis bei Ceasar und saltus Tugiensis bei Plinius. Upps...
Cástulo wurde reich wodurch? Richtig, durch die von Cástulo abhängigen Silberbergwerke der östlichen Sierra Morena.

Bei Plinius taucht ein saltus Castulonensis nicht mehr auf. Stattdessen beginnt dort Betica, zu Caesars Zeiten noch Teil der Hispania ulterior, "a Castulonis oppidi fine" (III, 17). Mag sein, dass die Römer zwischendurch fleißig neu vermessen und Grenzsteine gesetzt haben. Viel wahrscheinlicher aber ist, dass die Provinzgrenze gleich blieb, und bloß der saltus Castulonensis zur oppida Castulonensis geworden ist. Falls saltus Castulonensis wirklich eine Territorialbezeichnung ist, könnte sie den Dank der Römer für den Seitenwechsel Castulos während des 2. Punischen Kriegs wiederspiegeln.
Castulo war schon vor der Eroberung Südspaniens durch die Barkiden, also vor römischen Ankunft, erst Recht lange vor Caesar, ein oppidum. Das oppidum Castulonensis ist also nicht identisch mit einem saltus Castulonensis, zumal du auch die Grammatik berücksichtigen musst. Oppidi ist Genitiv. A Castulonis oppidi fine (vom Gebiet der Stadt Castulo...). Ein ganz üblicher Prozess, dass ein Landschaftsname (egal, ob es sich nun um einen Verwaltungsbezirk oder nicht handelt) von einem Ortsnamen abgeleitet wird.

Und der saltus Tugiensis? Wie der spanische Link in meinem vorherigen Beitag deutlich macht, war Tugia in römischer Zeit alles andere als eine Wildnis, sondern wichtiger Durchgangsraum für Ost-west und Nord-Süd-Handel, Das Quellgebiet des Baetis (Guadalquivir) hieß bei den Römern nicht nur "saltus Tugiensis", sondern auch "Argentarius mons" (Silberberg). Gute Gründe also für direkte kaiserliche Kontrolle (die von Caesar benannten zwei Legionen hockten sicherlich auch nicht grundlos in der Gegend). Kein direkter Beleg oder Beweis, aber einige Gründe, warum saltus in territorial-administrativen Sinn hier plausibel ist.
Du meinst den Artikel im Ideal? Was steht dort den bezgl. des saltus Tugiensis? Schlüsselsatz ist doch dieser hier: El Saltus Tugiensis fue el territorio aproximado que comprende la Comarca Sierra de Cazorla. Como todos sabemos es zona rica en recursos naturales, con muchas corrientes fluviales, que facilita el cultivo.

ÜS: Der Saltus Tugiensis war das Gebiet welches ungefährt den [heutigen] Bezirk Sierra de Cazorla umfasst. Wie wir alle wissen, eine Zone reich an natürlichen Ressourcen, mit vielen Fließgewässern, was Anbautätigkeiten erleichtert.

Daraus leitest du ab, dass es sich um einen Verwaltungsbezirk handelte.

Setzten wird doch einfach mal was anderes ein: Die Magdeburger Börde ist eine Zone reich an natürlichen Ressourcen. Wird deswegen aus der Magedeburger Börde ein Verwaltungsbezirk? Nein, es handelt sich um einen geschlossenen Naturraum, genauso wie bei einem Gebirge oder eine Tiefebene.

Im übrigen empfehle ich allen schon mal einen Blick in Livius 10,21 zum saltus Vescino und Sinessa.

Du meinst die Stelle, wo die Römer den saltus durch Rodung urbar machen? itaque placuit ut duae coloniae circa Vescinum et Falernum agrum deducerentur, una ad ostium Liris fluuii, quae Minturnae appellata, altera in saltu Vescino, Falernum contingente agrum, ubi Sinope dicitur Graeca urbs fuisse, Sinuessa deinde ab colonis Romanis appellata.
 
Den bin ich dir noch schuldig geblieben:

Interessieren würde mich, warum Du die Soester Börde für willkürlich hältst. Zwischen Lippe und Ruhr, von ersterer ("bekannter Weg") leicht zu erreichen, 50 Meilen plus mindestens die Strecke durch den silva Caesia vom Rhein entfernt - was befindet sich dort?

Was wissen wir denn? Wir wissen, dass Germanicus bei Xanten eine Brücke über den Rhein legen ließ, um durch den Caesischen Wald, die silva Caesia, von der wir nicht wissen, wo sie liegt, zu den Marsern vorzustoßen, von denen wir nicht genau wissen, wo sie lebten. Wir erfahren hier von einer Schneise(?) die Tiberius hatte anlegen lassen, auf der ein Marschlager angelegt wird. (Von dieser Schneise(?) hören wir allein an dieser Stelle, können sie dementsprechend auch nicht näher lokalisieren.) Nach dem Weitermarsch gerät man in saltus obscuros, die du mit dem Argument in Abrede stellst, dass die Soester Börde ja wohl kaum ein Gebiet dunkler Wälder gewesen sei. Dabei wissen wir - zur Erinnerung - gar nicht, in welche Richtung Germanicus zog, außer, dass es über den Rhein ging. Dann kommen wir an die Weggabelung, von der wir nur wissen, dass der eine Weg den Römern bekannter (wirklich?) und der andere weniger bekannt war. Auch keine besonders konkrete Adresse, wonach ein Postbote gehen kann...

Warum stelle ich das "den Römern bekannter" in Frage? Weil das tatsächlich nicht unbedingt dort steht. Dort steht: ex duobus itineribus breve et solitum sequatur: der kürzere Weg war gebräuchlicher (solitum) - aber nirgendwo steht, durch wen gebräuchlicher. Der andere Weg war auch nicht weniger bekannt, sondern schlechter gangbar und weniger ausgebaut: inpeditius et intemptatum. Tacitus tut uns leider nicht den Gefallen ein klares Gegensatzpaar aus notum und ignotum zu bilden.

Man erreicht schließlich ein Dorf der Marser, wo die betrunkenen Germanen niedergemetzelt werden. Auch hier keine Adresse, nur der Hinweis, dass Germanicus einen Raum von 50 Meilen zerstörte, auch, indem er sein Heer in vier Teile teilte, die - so darf man vermuten - von unserem unbekannten Punkt aus in vier Richtungen zogen, um ihre Zerstörungswerk mit Eisen und Feuer (ferro flammisque) zu vollziehen. Es ist nebenbei interessant zu sehen, wie du einerseits Angaben wie saltus und silvae verwirfst, den Zerstörungsradius von 50 Meilen aber wörtlich nimmst. Warum ist das eine akzeptabel und das andere nicht?

Aufgrund der Ereignisse besetzen nun die Nachbarstämme der Marser die saltus: saltusque, per quos exercitui regressus, insedere.
Auch dieses saltus lehnst du ja ab, weil es in der Soester Börde keine Höhenzüge außer dem Dortmunder Rücken gebe. Aber wir wissen immer noch nicht, in welche Richtung Germanicus nach der Rheinüberquerung marschierte, wo der Caesische Wald lag und welche Wege er zur Auswahl hatte und in welche Richtung sie führten (außer zu den Marsern).
Die Brukterer können wir leicht verorten. Zwischen Ems und Lippe oder gar zwischen Ems und Ruhr. Die Usiper/Usipeter sollen zwischen Ruhr und Sieg gelebt haben und die Tubanten werden im Grenzgebiet Niederlande/Westmünsterland verortet. Twente wird von ihrem Namen abgeleitet. Wir können die genannten Saltus auf dem Rückweg also entweder im Bergischen Land vermuten oder etwa in der Haard/Hohen Mark oder dem Ramsdorfer Höhenrücken "Die Berge" bzw. die Rekener Berge. Je nachdem, wo wir diese vermuten, müssen wir andere Wege annehmen. Das Wohngebiet der Marser wird nirgends genauer gefasst, lediglich durch ihre Nachbarm Brukterer, Usiper und Tubanten können wir ihr Wohngebiet seeeeeeehr grob lokalisieren.

Zusammengefasst:
1.) Wir wissen nicht, in welche Richtung Germanicus nach der Rheinüberquerung marschieren ließ.
2.) Wir können den Lebensraum der Marser nur anhand der ebenfalls nicht wirklich klar definierten Lebensräume ihrer Nachbarstämme eingrenzen.
3.) Wir kennen weder den Ort der Wegegabelung, noch woher die beiden Wege führten.
4.) Die im Text genannten silvae und saltus in Abrede stellen zu wollen, weil Germanicus sich ja der Lippe entlang in die Soester Börde bewegt hätte, führt zu einem Zirkelschluss: Weil Germanicus in die Soester Börde zog - so die Behauptung -, kann es keine saltus und silvae gegeben haben und weil es entgegen dem taciteischen Text diese nicht gab, kann Germanicus eigentlich nur in die Soester Börde gezogen sein.
 
Marser Teil 1

Was wissen wir denn? Wir wissen, dass Germanicus bei Xanten eine Brücke über den Rhein legen ließ,
Nicht einmal den Ort des Brückenschlags kennen wir (zumindest nicht von Tacitus). Der Brückenschlag kann durchaus auch weiter südlich, etwa zwischen Moers-Asberg und Duisburg, erfolgt sein. Asciburgium bestand als Marschlager und Flottenhafen bereits seit Drusus Zeiten, und für einen römischen Brückenkopf in Duisburg gibt es vielfältige, wiewohl nur z.T. sauber datierbare Belege.
http://www.duisburg.de/micro2/pbv/medien/bindata/DDT__7.pdf

um durch den Caesischen Wald, die silva Caesia, von der wir nicht wissen, wo sie liegt,
Wissen wir in der Tat nicht. Eine Option, die die gesamte "story" (nicht nur Marserfeldzug, sondern auch zur rechtsrheinischen römischen Präzenz insgesamt), deutlich ändern würde, ist beispielsweise der Heeser Wald NO von Hamm, gut 20 km lippeaufwärts von Oberaden.
zu den Marsern vorzustoßen, von denen wir nicht genau wissen, wo sie lebten.
Oh, das wissen wir ziemlich genau. Laut Strabos Geographica 7,1,3 sind sie unter römischem Druck vom Rhein ins Binnenland zurückgewichen. Sie sind Bündnispartner, also Nachbarn, der Chatten (Tacitus Annalen 1,56). Diese wiederum bewohnen das nordhessische Bergland bis zum Übergang ins Tiefland (Tacitus Germania 30,1), Weiterhin sind auch Brukterer, Usipeten und Tubanten Bündnispartner, sprich Nachbarn, der Marser (Annalen 1, 51).
Du hast ja selbst schon begonnen, im Auschlußprinzip diese Informationen zusammenzuführen:
Die Brukterer können wir leicht verorten. Zwischen Ems und Lippe oder gar zwischen Ems und Ruhr. Die Usiper/Usipeter sollen zwischen Ruhr und Sieg gelebt haben und die Tubanten werden im Grenzgebiet Niederlande/Westmünsterland verortet. Twente wird von ihrem Namen abgeleitet.

  • Nicht direkt am Rhein (Strabo). Auch lebten im Bergischen Land, die Usipeter, süd-östlich von diesen, im Siegerland, wohl die Sugambrer. Von den Tenkterern lessen wir in den Annalen nichts (waren sie römische Verbündete?), in der Germania (32f) siedeln sie am Rhein nördlich der Usipeter und westlich des ehemaligen Bruktererlands, also wohl zwischen unterer Ruhr und Lippemündung. Nördlich davon dann die Tubanten (hier danke für die mir neue Information).
  • Südlich der Lippe (nördlich siedelten die Brukterer). Eine von Dir offenbar erwogene Lokalisierung nördlich oder nordwestlich der Brukterer, z.B. um Münster herum, wird zum einen durch das (Dir wohl nicht präsente) Eingreifen der Marser während des Chattenfeldzugs 15 n.Chr. unwahrscheinlich.
    Schwerwiegender noch ist, dass die Lippe möglicherweiser zu dieser Zeit gar kein Nebenfluss des Rheins war, sondern, stellenweise parallel zu diesem, über Issel, Oude Ijssel und Ijssel direct in die Nordsee floss (vgl. Strabos Beschreibung der Lippe als vom Rhein entfernt parallel zu Weser und Ems verlaufend; Geographica 7,1,3). In diesem Falle hätten die Brukterer bis kurz vor Wesel, also auch um Münster und in der Hohen Mark, gesiedelt. Hierfür spricht auch, dass die Römer offenbar Augenzeuge der Kämpfe zwischen Angrivarieern und Brukterern wurden (Germania 33), diese also ziemlich nah am Rhein stattgefunden haben müssen.
  • An und nördlich des Übergangs von Mittelgebirge in die Norddeutsche Tiefebene: Südlich siedelten ja die Chatten, die Nachbarn der Marser waren.
Bleibt also noch die Frage der Ostausdehnung. Aus etymologischen Gründen wird Ausehnung bis ins östliche Sauerland / nordhessische Bergland um Marsberg und Volkmarsen angenommen. Dort begann zwar im Frühmittelalter schon das Land der Engern (Angrivarier), aber diese waren ja durchaus expansiv. Somit könnte das Gebiet der Marser relativ nahe an Weser/ Fulda gereicht haben.
Die generelle Lokalisierung (vgl. mein Wikipedia-Zitat in einem vorherigen Beitrag), die - nach allem, was ich gelesen habe - in der Fachwelt unumstritten ist, ist der Raum zwischen (oberer/mittlerer) Ruhr und Lippe. Sagen wir mal, grob das Rechteck Haltern-Paderborn-Volkmarsen-Witten.
 
Marser Teil 2

Wir erfahren hier von einer Schneise(?) die Tiberius hatte anlegen lassen, auf der ein Marschlager angelegt wird. (Von dieser Schneise(?) hören wir allein an dieser Stelle, können sie dementsprechend auch nicht näher lokalisieren.) Nach dem Weitermarsch gerät man in saltus obscuros, die du mit dem Argument in Abrede stellst, dass die Soester Börde ja wohl kaum ein Gebiet dunkler Wälder gewesen sei. Dabei wissen wir - zur Erinnerung - gar nicht, in welche Richtung Germanicus zog, außer, dass es über den Rhein ging.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Germanicus, grob gesagt, vom Rhein aus ostwärts zog :winke:. Das Problem ist mehr, dass der Ort des Rheinübergangs nicht bekannt ist. Aber egal, ob es von Xanten nach Wesel und dann entlang der Lippe, oder von Aciburgium nach Duisburg und dann entlang der Emscher ging: Wirklich bergig wird es an keiner der beiden Strecken. Für den Lipperaum hat die Pollenanalyse die "dichten Wälder" explizit verneint. Das Ruhrgebiet ist alles andere als ideal für Pollenanalysen, aber die, die es gibt (vgl. meinen obigen Link zu Duisburg) zeigen intensiven Getreideanbau. Von der ubischen Bodenmelioration, die in den Abtragungsgebieten alles andere als einer Bewaldung förderlich ist, wissen wir durch Plinius sowie durch Bodenanalysen - sie war auch im vormaligen, recthsrheinischen ubischen Siedlungsgebiet die Regel. Hier spricht wirklich alles gegen Tacitus!

Dann kommen wir an die Weggabelung, von der wir nur wissen, dass der eine Weg den Römern bekannter (wirklich?) und der andere weniger bekannt war. Auch keine besonders konkrete Adresse, wonach ein Postbote gehen kann...

Warum stelle ich das "den Römern bekannter" in Frage? Weil das tatsächlich nicht unbedingt dort steht. Dort steht: ex duobus itineribus breve et solitum sequatur: der kürzere Weg war gebräuchlicher (solitum) - aber nirgendwo steht, durch wen gebräuchlicher. Der andere Weg war auch nicht weniger bekannt, sondern schlechter gangbar und weniger ausgebaut: inpeditius et intemptatum. Tacitus tut uns leider nicht den Gefallen ein klares Gegensatzpaar aus notum und ignotum zu bilden.
Guter Einwand, doch für die Frage nach den saltus letztlich irrelevant, weil Tacitus keine solche auf dem unbequemeren Weg erwähnt.
Man erreicht schließlich ein Dorf der Marser, wo die betrunkenen Germanen niedergemetzelt werden.
Oh, hier hast Du ein bisschen Kontext übersehen. Da platzten die Römer nicht zufällig in eine Silberhochzeit...
Augustus starb am 19.8. Bis die Todesnachricht, dann Germanicus und nach ihm der Senatsgesandte am Rhein eintrafen, die Kölner Legionen beruhigt waren, danach in Xanten zunächst die Rädelführer ausgeschaltet wurden, und schließlich dort Germanicus eintraf und die Truppen neu motivierte, verging einige Zeit. Das germanische Besäufnis fand also frühestens Mitte/ Ende September statt, entweder zur Tag- und Nachtgleiche, oder als rituelles Erntedankfest.
Germanicus zerstört das Heiligtum Tanfanas, "viel besucht von jenen Völkerschaften" (profana simul et sacra et celeberrimum illis gentibus templum, quod Tanfanae vocabant, solo aequantur.). "illis gentibus" ist Plural und dürfte sich nicht allein auf die Marser beziehen - dafür erfahren Usipeter, Brukterer und Tubanten zu schnell von dem Geschehen und entrüsten sich. Auch Germanicus Kundschaftern war das Fest anscheinend wohl bekannt.
Alles zusammen deutet darauf hin, dass hier nicht eine x-beliebige Dorffeier, sondern ein Erntedankfest mit überörtlicher Bedeutung, möglicherweise mit einem Thing verbunden, am Zentralheiligtum Tanfana überfallen wurde. Einige Historiker vermuten, dass hier ein guter Teil der Elite ausgeschaltet, und zudem der überörtliche Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozeß erheblich gestört wurde, was letztendlich zum Verschwinden der Marser als politischer Einheit führte. Wenn Germanicus das geplant hatte, war er genial - vermutlich aber hatte er einfach nur Gluck...
Zur Lokalisierung Tanfanas gibt es wenig Anhaltspunkte. Wir wissen lediglich, dass es im Marserland, und nur einen Eilmarsch entfernt von dem Ort an dem die Römer zwischen zwei Wegen wählen konnten und den unbequemeren nahmen, lag (Annalen.1,51). Ältere Autoren haben Tanfana häufig mit dem Gutshof Fahnen SO von Welver (zwischen Hamm und Soest) identifiziert. In Büren-Wevelsburg (20 km südlich von Anreppen) ist ein Zerstörungshorizont einer größeren germanischen Siedlung dokumentiert, dortige römische Munzfunde datieren z.T. nach 10 n.Chr.
Tamfana ? Wikipedia
Auch hier keine Adresse, nur der Hinweis, dass Germanicus einen Raum von 50 Meilen zerstörte, auch, indem er sein Heer in vier Teile teilte, die - so darf man vermuten - von unserem unbekannten Punkt aus in vier Richtungen zogen, um ihre Zerstörungswerk mit Eisen und Feuer (ferro flammisque) zu vollziehen.
Ich denke auch, dass sich die vier Heerhaufen in verschiedene Richtungen verteilten, und sich nach vollbrachtem Werk wieder am Ausgangspunkt trafen, um gemeinsam zurückzumarschieren. Dieser Ausgangs- und Endpunkt dürfte das sicherlich verkehrsgünstig gelegene Tanfana gewesen sein.
Die Truppen werden sich aber nicht wahllos verstreut haben. Es ging ja nicht nur um Zerstörung, sondern v.a. auch um Beute, und zwar schnelle und leichte (auch gewichtsmäßig!). Ende September/ Anfang Oktober im Feindesland, da bleibt nicht viel Zeit, um vor Herbststürmen und Wintereinbruch wieder zum Rhein zurückzukehren. Also wird man sich auf die größeren Ansiedlungen entlang der ausgetrampelten Handelspfade (Hellweg) konzentriert, und wohl auch nicht mehr als 3-4 Tage mit Plündern zugebracht haben.
Es ist nebenbei interessant zu sehen, wie du einerseits Angaben wie saltus und silvae verwirfst, den Zerstörungsradius von 50 Meilen aber wörtlich nimmst. Warum ist das eine akzeptabel und das andere nicht?
Also, wörtlich nehme ich militärische Erfolgsmeldungen nie, lediglich als Obergrenze und Indikation der Größenordnung. Ich habe die 50 Meilen auch nicht als Zerstärungsradius, sondern als Maximaldistanz zwischen den mehr oder weniger sternförmig erreichten Endpunkten verstanden.
Der wichtigste Punkt aber ist, dass die Aussage hier glaubwürdig erscheint. 50 Meilen sind 3-4 Tagesmärsche. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der Gebrauch von Eisen und Feuer, und zwischenzeitiges Zusammenraffen etwas Zeit benötigt, so 15 Meilen hin und wieder zurück wird jeder einzelne Haufen in 3-4 Tagen schon geschafft haben. Acht Geschwader Reiterei waren auch dabei, die kommen etwas schneller voran. Auf dem Rückweg ging es dann ja auch noch ein bisschen durchs Marserland, und wenn man schon dabei, und im Rucksack noch Platz war...
Aufgrund der Ereignisse besetzen nun die Nachbarstämme der Marser die saltus: saltusque, per quos exercitui regressus, insedere.(..)
Wir können die genannten Saltus auf dem Rückweg also entweder im Bergischen Land vermuten
Unwahrscheinlich. Es musste, bei der fortgeschrittenen Jahreszeit, schnell ins Winterlager nach Xanten zurückgehen (Annalen 1,45,1), da liegt das Bergische Land wirklich nicht auf dem Weg. Im übrigen wohnten dort die eh schon aufgebrachten Usipeter. Und wenn der Weg trotz allem durch dieses Feindesland gegangen ware, hätte Tacitus dies vermutlich als weiteren Erfolg des Germanicus vermeldet.
..oder etwa in der Haard/Hohen Mark oder dem Ramsdorfer Höhenrücken "Die Berge" bzw. die Rekener Berge.
Da kommen wir dem vermutlichen Rückweg schon näher. Insbesondere die Haard könnte, als Abkürzung zwischen - sagen wir mal - Oberraden und Dorsten Sinn machen. Allerdings ist mir bei diesen Anhöhen folgendes aufgefallen:
- Glaziale Bildung, sandreich, teilweise mit eisenhaltigen Steintrümmern durchmischt;
- Vielfach Hochmoore (sauer), durch Mergelgeschiebe teilweise schlechte Wasserdurchlässigkeit und Staunässe, Eisenauswaschung an mehreren Stellen sichtbar;
- Durchgehend bewaldet und fast siedlungsleer.
Das Muster kenne ich, habe es nämlich direkt vor der eigenen Haustür:
Eisenverhüttung bei den Germanen ? Wikipedia
Die Gewinnung von Eisen war für die Germanen der römischen Kaiserzeit (1.–4. Jahrhundert n. Chr.) von großer Bedeutung.(..) Als Rohstoff diente der verbreitet und reichhaltig vorkommende Raseneisenstein (..) eine leicht abbaubare Eisenverbindung, die sich unter wechselnden Grundwasserständen bzw. unter Staunässe innerhalb kurzer Zeit in den oberen Bodenschichten auf natürliche Weise bildet. Die Spuren der Eisenverhüttung (..) lassen sich auf den weiten Sanderflächen des Mittelrückens in Schleswig-Holstein in großer Zahl nachweisen. Gebiete großer Funddichte decken sich mit den Verbreitungsgebieten der Raseneisensteinlagerstätten. (..)
Die Eisenerzlager wurden so stark abgebaut, dass K. Fiege, in dem für die Entstehung von Erzlagern besonders geeigneten Gebiet in Schleswig-Holstein vergeblich nach guten Eisenerzen gesucht hat. Nach den Befunden zu urteilen kann man dem kaiserzeitlichen Verhüttungsrevier auf dem Neumünsteraner Sander den Charakter eines frühen Gewerbezentrums zubilligen, in dem Eisenverhüttung die Erwerbsbasis für die Anwohner gewesen sein muss.
Die Folgen sind klar - massive Entwaldung, zum einen durch direkten Bodenabtrag zum Zweck der Raseneisenerzgewinnung, zum zweiten durch Feuerholzeinschlag (Torfbrand entwickelt nicht die erforderliche Temperatur).
Segeberger Heide ? Wikipedia
Die Segeberger Heide liegt westlich von Bad Segeberg und erstreckt sich fast bis Bad Bramstedt. Sie ist eine von Bachauen durchzogene Sander- und Dünenlandschaft mit eiszeitlichem Ursprung. Diese ist heute weiträumig überwiegend mit Nadelwald aufgeforstet und stellt nach dem Sachsenwald das zweitgrößte geschlossene Waldgebiet in Schleswig-Holstein dar.
Nun schließlich
Die Berge ? Wikipedia
Heute sind die Berge fast vollständig mit Nadel- und Mischwäldern bedeckt, wobei artenarme Kiefernwälder, besonders im östlichen Gebiet, einen Großteil der Flächen einnehmen. Die Kiefer kommt von Natur aus jedoch nicht in dieser Region vor. Das Vorhandensein dieser Baumart erklärt sich aus den Aufforstungsbemühungen seit etwa 1840. (..) Früher erstreckte sich eine ausgedehnte Heidelandschaft mit Callunaheide und Wacholder auf den Hügeln. Von der Heide sind heute nur noch Reste auf einigen Lichtungen und an Waldrändern erhalten.
Ich denke, es ist klar, worauf ich hier hinauswill. Bevor wir weiter darüber reden, ob dies saltus gewesen sein könnten, würde ich mir erst mal gerne das Landschaftsbild um 1800 auf alten Flurkarten ansehen. Im übrigen wollte ich der Lokalarchäologie vorschlagen, sich mal intensive mit späteisenzeitlicher / frühkaiserzeitlicher Raseneisenerzverhüttung zu beschäftigen, aber dies ist offenbar schon geschehen: Eisenverhüttungsfeld mit 80 Rennöfen in Dorsten-Holsterhausen (Link 1, S. 60), vielfache eisenzeitliche Schlackefunde aus der Münsterländer Bucht (Link 2, S.88), (früh.)kaiserzeitliche Eisenverhüttung auch in Dortmund, Borken und Heek-Nienborg bei Gronau (ebd.). Die pollenanlytisch belegte Waldarmut im Lipperaum, und insbesondere bei Haltern (also der Nordrand der Haard) hatten wir ja schon, in den nachfolgenden Links wird für das heutige Ruhrgebiet sogar von fast völliger Entwaldung während der späten Eisenzeit gesprochen. Einige Gründe mehr hierfür sind mir nun auch klar.
http://www.gefao.de/bilder/publikation/AIO9-PDF/Eggenstein.pdf
http://www.lwl.org/walb-download/pdf/KuLEP/Teil2.pdf
 
(...)
Ich denke, es ist klar, worauf ich hier hinauswill. Bevor wir weiter darüber reden, ob dies saltus gewesen sein könnten, würde ich mir erst mal gerne das Landschaftsbild um 1800 auf alten Flurkarten ansehen.
(...)
ich habe deine mit achtenswerter Akribie erstellen Beiträge gelesen, aber ich kann nirgendwo erkennen, dass diese Mühe den Begriff saltus überzeugend anders als die Altphilologie erklären würde (ja ehrlich gesagt kann ich auch keine Argumente gegen die Übersetzung saltus = "Waldgebirge" (bewaldete bergige Landschaft) bzgl. der Tacitus-Stellen erblicken)
 
ich habe deine mit achtenswerter Akribie erstellen Beiträge gelesen, aber ich kann nirgendwo erkennen, dass diese Mühe den Begriff saltus überzeugend anders als die Altphilologie erklären würde (ja ehrlich gesagt kann ich auch keine Argumente gegen die Übersetzung saltus = "Waldgebirge" (bewaldete bergige Landschaft) bzgl. der Tacitus-Stellen erblicken)

Augusto argumentiert nicht gegen die Übersetzung.
Bezüglich der Übersetzung besteht Konsens:

Nein, ich übersetze "saltus obscuros" ganz wörtlich mit "dunkle Wälder".
Ja, hier meint er offensichtlich Wälder.
Es ist im Tacitus-Kontext klar ersichtlich, dass mit "saltus" kaum etwas anderes gemeint sein kann als "(Berg)-Wald".
Hier stimme ich zu.

Um nun für den "saltus Teutoburgiensis" (und auch für die saltus des Marser-Feldzugs) doch noch eine andere Bedeutung hinzubekommen, konstruiert Augusto folgende Hypothese:

- Tacitus hatte eine Quelle vor sich, in der von saltus im Sinne kaiserlicher Domänen bzw. Verwaltungsbezirke die Rede war.
- Germanicus war (nach römischen Maßstäben!) ein Kriegsverbrecher, der kaiserlichen Besitz verwüstet hat.
- Tacitus macht sich zum Apologeten des Kriegsverbrechers Germanicus. Daher vertuscht er "wider besseres Wissen und Gewissen" die kaiserlichen Domänen/Verwaltungsbezirke, indem er dem Leser die Sache so darstellt, als ob die "saltus" Wälder gewesen wären.

Von den drei Punkten dieser Hypothese lässt sich keiner durch Belege stützen.
Statt Belegen müssen also Spekulationen her. Daher versucht Augusto gerade, den Feldzug gegen die Marser so zu "rekonstruieren", dass er nicht durch einen Wald führt.
Zweck dieser Spekulationen:
Aufstellung einer Behauptung, wonach Tacitus mit seinen "silvae" und "saltus" den Leser absichtlich an der Nase herumführt.


(Aus dem Beitrag, in der Augusto seine Hypothese entwickelt, Zusammenhang bitte selber nachlesen:)
Für explizite Kritik, oder sogar Verurteilung seines "Helden" Germanicus, reicht es aber nicht. Er macht sich also bewusst, vermutlich wider besseres Wissen und Gewissen, zum Apologeten eines Kriegsverbrechers. Für die Rationalisierung von Kriegsverbrechen sind uns ja leider einige Muster nur zu gut bekannt.
...
Kann man Tacitus aus der Wiedergabe dieses topos also einen Vorwurf machen?
Ich denke, ja.
... hat er da versucht, sicher zu gehen, daß auch gar niemand auf die Idee kommt, unter saltus teutoburgiensis etwas anderes als einen Wald zu verstehen?
...
Damit wird auch klar, welches Problem Tacitus (und noch mehr Germanicus) gehabt hätte, ware der saltus teutoburgiensis tatsächlich die Bezeichnung eines direkt dem Kaiser unterstehenden Territoriums gewesen. Kaiserlichen Besitz ohne unmittelbaren Anlaß großflächig verwüsten, ohne Ansehen der Person - dafür braucht man schon eine verdammt gute Rechtfertigung. Tacitus "story" um seinen "Helden" Germanicus ware dies sicherlich abträglich gewesen.
Falls ich etwas missverstanden oder missverständlich wiedergegeben haben sollte, bitte ich um Korrektur.
 
Nicht einmal den Ort des Brückenschlags kennen wir (zumindest nicht von Tacitus).
Naja, bei Tacitus steht, dass Germanicus von Köln nach Xanten hochzog, um dort die Reste der Rebellion niederzuschlagen, wegen der Verluste der sich gegenseitig bekämpfenden Soldaten sehr traurig gewesen sein soll und dann ziemlich zügig, dem ardorem seiner Soldaten folgend, die Brücke über den Rhein schlug, um ins Marserland zu ziehen.
Tac. ann. I, 49.

Oh, das wissen wir ziemlich genau. Laut Strabos Geographica 7,1,3 sind sie unter römischem Druck vom Rhein ins Binnenland zurückgewichen.
Und das nennst du genau?

Eine von Dir offenbar erwogene Lokalisierung nördlich oder nordwestlich der Brukterer, z.B. um Münster herum,

Wo genau soll ich das erwogen haben?


Schwerwiegender noch ist, dass die Lippe möglicherweiser zu dieser Zeit gar kein Nebenfluss des Rheins war, sondern, stellenweise parallel zu diesem, über Issel, Oude Ijssel und Ijssel direct in die Nordsee floss (vgl. Strabos Beschreibung der Lippe als vom Rhein entfernt parallel zu Weser und Ems verlaufend; Geographica 7,1,3).
Ja, ich kenne diese Beschreibung. Die ist aber auszuschließen. Der Lippeverlauf hat sich seit der letzten Eiszeit nicht mehr großartig verändert. Strabon irrt hier.
Stell dir mal vor, du müsstest, ohne Atlanten und ohne Fernsehen, nur aufgrund dessen, dass deutsche Soldaten in Afghanistan stationiert sind, eine Geographie Afghanistans schreiben. So in etwa dürften Strabons Arbeitsbedingungen ausgesehen haben.

Bleibt also noch die Frage der Ostausdehnung. Aus etymologischen Gründen wird Ausehnung bis ins östliche Sauerland / nordhessische Bergland um Marsberg und Volkmarsen angenommen.
Der Name Marsberg kommt von einem kontrahierten am Eresberg. Und in Volkmarsen ist morphologisch falsch segmentiert: Da steckt der Name Volkmar drin, eine der häufigsten Ortsnamenbildungen, Eigenname + Endung, hier -sen.

Die generelle Lokalisierung (vgl. mein Wikipedia-Zitat in einem vorherigen Beitrag), die - nach allem, was ich gelesen habe - in der Fachwelt unumstritten ist, ist der Raum zwischen (oberer/mittlerer) Ruhr und Lippe.

Aufgrund der dünnen dokumenatrischen Information über das Siedlungsgebiet der Marser in den Quellen, kann ich mich damit nicht anfreunden.
ZUdem kann ich dir nicht ganz folgen, was die Lokalisierung der Marser nach dem Wikipediazitat zwischen mittlerer und oberer Ruhr und Lippe angeht. Da steht der zwischen Rhein (Rhenus), Ruhr und Lippe (Lupia) siedelte.
Also wenn du dich schon auf den Wikipedia-Artikel berufst, dann bitte den ganzen Satz berücksichtigen.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass Germanicus, grob gesagt, vom Rhein aus ostwärts zog :winke:. Das Problem ist mehr, dass der Ort des Rheinübergangs nicht bekannt ist. Aber egal, ob es von Xanten nach Wesel und dann entlang der Lippe, oder von Aciburgium nach Duisburg und dann entlang der Emscher ging: Wirklich bergig wird es an keiner der beiden Strecken.
Die Ruhr fällt plötzlich wieder aus?


Für den Lipperaum hat die Pollenanalyse die "dichten Wälder" explizit verneint. Das Ruhrgebiet ist alles andere als ideal für Pollenanalysen, aber die, die es gibt (vgl. meinen obigen Link zu Duisburg) zeigen intensiven Getreideanbau.

Dass an Ruhr und Lippe bäuerliches Siedelland war, verneint niemand.
Dass es allerdings keine Wälder gegeben habe, wird nirgends behauptet, auch in deinem Link nicht. Der schreibt nur, dass vom ersten bis zum siebten Jahrhundert Getreide in der Region angebaut wurde, von flächendeckend ist dort nicht die Rede.

Oh, hier hast Du ein bisschen Kontext übersehen. Da platzten die Römer nicht zufällig in eine Silberhochzeit...
Augustus starb am 19.8. Bis die Todesnachricht, dann Germanicus und nach ihm der Senatsgesandte am Rhein eintrafen, die Kölner Legionen beruhigt waren, danach in Xanten zunächst die Rädelführer ausgeschaltet wurden, und schließlich dort Germanicus eintraf und die Truppen neu motivierte, verging einige Zeit. Das germanische Besäufnis fand also frühestens Mitte/ Ende September statt, entweder zur Tag- und Nachtgleiche, oder als rituelles Erntedankfest.

Wieso habe ich den Kontext übersehen?
Von Ende August bis Mitte September mag vielleicht in unserer schnelllebigen Zeit eine Ewigkeit sein. Bis allerdings die Todesnachricht bei den Legionen an Rhein und Donau anlangte, die Nachricht von der Rebellion zur römischen Führung gelangten, Tiberius und Germanicus reagieren konnten etc. das braucht alles seine Zeit. Abgesehen davon haben wir keine Daten, wann das Fest stattfand. Das mit Tag- und Nachgleiche bzw. dem rituellen Enrtedankfest hast du aus Wikipedia. Nur: Dazu gibt uns Tacitus keinerlei Anlass. Abgesehen davon ist es nicht einmal klar, ob es ein Fest zu Ehren der Tamfana war, was die Germanen feierten, ihr Heiligtum war lediglich das wichtigste der zerstörten Heiligtümer. Da wurde ein Zusammenhang zwischen dem zum Massaker gewordenen Fest und Tamfana wegen der Zerstörung ihres Heiligtums in demselben Feldzug hergestellt, den Tacitus bei genauer Lektüre nicht liefert.
Ich sehe in dem Kriegszug gegen die Marser ein Ventil Germanicus' für die unzufriedenen Soldaten, Beschäftigungstherapie, einen Trick zur Wiederherstellung der Loyalität...

Germanicus zerstört das Heiligtum Tanfanas, "viel besucht von jenen Völkerschaften" (profana simul et sacra et celeberrimum illis gentibus templum, quod Tanfanae vocabant, solo aequantur.). "illis gentibus" ist Plural und dürfte sich nicht allein auf die Marser beziehen - dafür erfahren Usipeter, Brukterer und Tubanten zu schnell von dem Geschehen und entrüsten sich. Auch Germanicus Kundschaftern war das Fest anscheinend wohl bekannt.
Vermutlich Ubier oder romtreue Germanen der feindlichen Stämme, wie das vermutlich unter Führung des Flavus existente Cheruskerkontingent (ich nehme nicht an, dass Flavus nach dem Abfalls seines Bruders der einzige in römischen Diensten verbliebene Cherusker war).


Also, wörtlich nehme ich militärische Erfolgsmeldungen nie, lediglich als Obergrenze und Indikation der Größenordnung. Ich habe die 50 Meilen auch nicht als Zerstärungsradius, sondern als Maximaldistanz zwischen den mehr oder weniger sternförmig erreichten Endpunkten verstanden.
Das ist es aber: Die 50 Meilen werden als Zerstörungsradius und nicht als Marschdistanz angegeben. Und wir wissen immer noch nicht, in welche Richtung Germanicus marschieren ließ, ob nach nordosten, "ostosten", südosten...

Unwahrscheinlich. Es musste, bei der fortgeschrittenen Jahreszeit, schnell ins Winterlager nach Xanten zurückgehen (Annalen 1,45,1), da liegt das Bergische Land wirklich nicht auf dem Weg.
Zur Wiederholung: Es gibt keinerlei belastbare Quellen, wo wir die Marser zu suchen haben, wir wissen nicht, welche Wege Germanicus nahm. Auf dieser Basis lässt sich nichts ausschließen, was auch nur annähernd in der fraglichen Region war.

Im übrigen wohnten dort die eh schon aufgebrachten Usipeter.
Eben. Die Usipeter werden zu den drei Stämmen gezählt, welche den Römern auf ihrem Rückweg auflauerten. Dementsprechend gehört ihr Siedlungsgebiet zu den möglichen Kandidaten des Rückweges.

Und wenn der Weg trotz allem durch dieses Feindesland gegangen ware, hätte Tacitus dies vermutlich als weiteren Erfolg des Germanicus vermeldet.
Tut er doch: Germanicus erkennt die Gefahr und bricht durch. Die Germanen werden aus dem Wald hinaus getrieben und in einer Feldschlacht besiegt.


Da kommen wir dem vermutlichen Rückweg schon näher.

Zumindest dem von dir gewünschten.


Die pollenanlytisch belegte Waldarmut im Lipperaum, und insbesondere bei Haltern (also der Nordrand der Haard) hatten wir ja schon, in den nachfolgenden Links wird für das heutige Ruhrgebiet sogar von fast völliger Entwaldung während der späten Eisenzeit gesprochen. Einige Gründe mehr hierfür sind mir nun auch klar.
http://www.gefao.de/bilder/publikation/AIO9-PDF/Eggenstein.pdf
http://www.lwl.org/walb-download/pdf/KuLEP/Teil2.pdf
Dort steht aber nichts von (fast) völliger Entwaldung oder Waldarmut.

Dort steht: "Weiterhin ergab die Auswertung der Holzkohlespektren, dass in der Umgebung der Siedlung keine naturnahen Wälder mehr existierten. Die sog. Wirtschaftswälder sind vielmehr das Ergebnis menschlicher Eingriffe wie Viehweide innerhalb des Waldes und Holzeinschlag."

Und: "Entgegen den schriftlichen Quellen der römischen Okkupationszeit dürften um Christi Geburt weite Teile des Rheinlandes und des nordwestlichen Westfalens keine undurchdringlichen Urwälder und Sümpfe gewesen sein, sondern ein Mosaik aus Äckern, Wiesen und bewirtschafteten Wäldern."
Dieser Text macht die Opposition zwischen undurchdringlichen Urwälndern und Nutzwäldern auf.

Es sind in der Regel die Lössflächen, die waldfrei gehalten wurden, weil sie bewirtschaftet wurden, daneben gab es die Nutz- und Hudewälder und auf den Höhen wurden die Wälder i.d.R. weniger intensiv genutzt. Dabei müssen wir Gebiete in Rechnung haben, die über Jahre und Jahrzehnte auch mal brach lagen. Gerade die Region südlich der Ruhr war aber eher dünn besiedelt. Dort haben wir dann, im Bergischen Land etwa, sehr wohl zusammenhängende Waldgebiete
 
@Sepiola: Ich werde Dir noch ausführlich antworten; erst möchte ich aber noch ein paar andere Punkte abarbeiten.

Du musst den Satz auch weiterlesen. Mit ad Anam ist schon der große Guadiana gemeint. Denn der Anas wird auch als Grenzfluss zur Lusitania (Süd- und Mittelportugal, Extremadura) und zum Gebiet der Vettonen (Extremadura) gekennzeichnet.
Die Formulierung "saltus Castulonensi ad Anam" ist durchaus zweideutig, wobei Deine Interpretation jedoch einiges für sich hat.

Cástulo wurde reich wordruch? Richtig, durch die von Cástulo abhängigen Silberbergwerke der östlichen Sierra Morena.
Die genaue Lage der ursprünglichen Silberminen von Castulo (Baebelo) ist ungeklärt. Einige Forscher vermuten sie im Silberdistrikt von Cartagena, also in der Sierra Cazorla, andere in der direkten Umgebung Castulos (Linares-Palazuelos). Die "großen" Silberminen in der Sierra Morena, z.B. El Centenillo, datieren erst aus dem 1. Jahrhundert AD.
http://www.minas.upm.es/catedra/Une...lina/Mina%20Palazuelos%20(Linares-Ja%E9n).pdf

Castulo war schon vor der Eroberung Südspaniens durch die Barkiden, also vor römischen Ankunft, erst Recht lange vor Caesar, ein oppidum. Das oppidum Castulonensis ist also nicht identisch mit einem saltus Castulonensis, zumal du auch die Grammatik berücksichtigen musst. Oppidi ist Genitiv. A Castulonis oppidi fine (vom Gebiet der Stadt Castulo...). Ein ganz üblicher Prozess, dass ein Landschaftsname (egal, ob es sich nun um einen Verwaltungsbezirk oder nicht handelt) von einem Ortsnamen abgeleitet wird.
Das heisst, bei Caesar ist die Provinzgrenze zur Hispania citerioris (um Cartagena) der saltus Castulonensi, bei Plinius das "Gebiet der Stadt Castulo". Ausser der Tatsache, dass beide vom gleichen Ortsnamen abgeleitet sind, haben sie für Dich jedoch nichts gemein. Hmm..

Du meinst den Artikel im Ideal? Was steht dort den bezgl. des saltus Tugiensis? Schlüsselsatz ist doch dieser hier: El Saltus Tugiensis fue el territorio aproximado que comprende la Comarca Sierra de Cazorla. Como todos sabemos es zona rica en recursos naturales, con muchas corrientes fluviales, que facilita el cultivo.

ÜS: Der Saltus Tugiensis war das Gebiet welches ungefährt den [heutigen] Bezirk Sierra de Cazorla umfasst. Wie wir alle wissen, eine Zone reich an natürlichen Ressourcen, mit vielen Fließgewässern, was Anbautätigkeiten erleichtert.

Daraus leitest du ab, dass es sich um einen Verwaltungsbezirk handelte.
Ich meinte auch den Teil weiter zum Schluß des Interviews, dass über die Region zur Römerzeit bislang kaum geforscht wurde, weil Funde über diverse Museen (lokal, regional, national) und Privatbestände zerstreut und nur zum Teil inventarisiert sind, von den 63 inventarisierten 38 bislang nicht untersucht wurden, vier gerade reinterpretiert werden, etc. Systematische Aufarbeitung sei dringend gefordert, man dürfe nicht in Banalisierung der lokalen Kultur verfallen. Klingt ziemlich danach, als möchte jemand die Rolle der Region, und damit auch den Begriff "saltus", grundsätzlich neu bewerten. Die Denkrichtung dieser Neubewertung macht Dein Zitat mit der Gleichsetzung von saltus und comarca (spanische Verwaltungseinheit vergleichbar mit dem deutschen Landkreis) deutlich.
Natürlich kein Beweis, lediglich eine Meinung aus der lokalen Archäologie.
+++
Zu Livius 10,21 und dem saltus Vescino:
Du meinst die Stelle, wo die Römer den saltus durch Rodung urbar machen?
Wer immer gewagt hätte, das Gebiet zu roden, wäre öffentlich gesteinigt worden. Hier wuchs der berühmte, von vielen Dichtern besungene Falerner Wein, lt. Plinius z.T. als Ranke auf Ulmen und Maulbeerbäumen kultiviert.
Falerner ? Wikipedia
Du musst den Satz auch von Beginn an lesen, da steht der Anlass:
tum de praesidio regionis depopulatae ab Samnitibus agitari coeptum =
The next question was the protection of the district which had been devastated by the Samnites.
Weiter dann:
itaque placuit ut duae coloniae circa Vescinum et Falernum agrum deducerentur, una ad ostium Liris fluuii, quae Minturnae appellata, altera in saltu Vescino, Falernum contingente agrum, ubi Sinope dicitur Graeca urbs fuisse, Sinuessa deinde ab colonis Romanis appellata. =
..and it was decided to settle bodies of colonists about the Vescinian and Falernian country. One was to be at the mouth of the Liris, now called the colony of Menturna, the other in the Vescinian saltus where it is contiguous with the territory of Falernum. Here the Greek city of Sinope is said to have stood, and from this the Romans gave the place the name of Sinuessa.
Was erfahren wir über den saltus Vescino:

  • Er liegt um (circa) die agri von Vescia und Falernus, ist also kein bereits aufgeteiltes Land (ager publicus)
  • Er grenzt an den Falernum agrum an [Sein Name last vermuten, dass er ebenfalls an den Vescinum agrum angrenzt, aber hierzu macht Livius keine Aussage]
  • Auf seinem Gebiet erfolgt eine Koloniegründung, nämlich Sinuessa (das heutige Mondragone).
Nun könnte man vermuten, der saltus Vescino sei der Monte Massico, ein bis 813 m aufragender Höhenzug, der bei Mondragone/Sinuessa ans Meer stößt. Hiergegen spricht allerdings zunächst, das Mondragone/ Sinuessa nicht auf dem Monte Massimo, sondern in der schmalen Küstenebene davor liegt. Des weiteren wurden bislang weder Vescia und Falernus eindeutig identifiziert. In Frage kommende vorrömische Befestigungsreste liegen jedoch am Hang bzw. auf dem Monte Massico. Schließlich durfte auch Wein von den Hängen und Höhen des Monte Massico den begehrten Namen "Falerner" tragen, was dafür spricht, dass der Monte Massico Teil des Falernus ager war. Dies deckt sich mit Plinius Beschreibung (N.H. 14,6,8), wonach der Falernus ager direkt nördlich der am südlichen Fuß des Monte Massico verlaufenden Via Appia lag.
Vescia - Wikipedia, the free encyclopedia
Dictionary of Greek and Roman Geography (1854), FA´BARIS, FA´BARIS, FALERNUS AGER

Wenn der saltus Vescinus aber kein (Wein-)Gebirge war, was dann? Gelegen in der Küstenebene, angrenzend an ager publicus, jedoch selbst frei solchen Status, und Ort einer Koloniegründung, die sich später zur wichtigen Handelsstadt entwickelte. Kennen wir in der römischen Verwaltungsg einen terminus technicus für extraterritoriale, d.h. nicht municipalen ager publicus umfqassende Gebietseinheiten ? Einen solchen kennen wir, nämlich saltus, und ebendiesen benutzt Livius hier!

Die gute Frau Schall diskutiert ausführlich den Zusammenhang von tractus, regio und saltus, und demonstriert, dass die ersteren beiden Begriffe als Oberbegriff für eine Gruppe geographisch naher, jedoch nicht notwendigerweise aneinander grenzender saltus gebraucht werden. Ihr verdanke ich auch den Hinweis auf den "procurator regionum Falernae et Statanae" (AE 1984, 186), Statanus ist lt. Plinius ein an den Falernus ager angrenzendes Weinbaugebiet, über dass ansonsten nichts Genaueres bekannt ist. Die Zeitstellung ist mir unbekannt, aber ich habe diesbezüglich vollstes Vertrauen in sepiola:winke: . Weterhin haben wir noch Kenntnis von einem "procurator hereditatium tractus Campaniae" (AE 1922, 122), dessen konkreten Zuständigkeitsbereich wir geographisch jedoch nicht ganz so gut fassen können.

Wo ich schon bei Livius bin - in 24.20.16 berichtet er im Zusammenhang mit dem 2. Punischen Krieg:
praedatum inde Numidae Maurique per Sallentinum agrum proximosque Apuliae saltus dimissi =
From it Numidians and Mauri were sent out to plunder in the Sallentine agrum and the nearest saltus of Apulia.
Klar, sie plündern die apulischen Wälder, sicher ein lohnendes Ziel! Stutzig macht die Opposition agrum<->saltus, wo der erste Begriff eine verwaltungstechnische Konnotation hat. Und dann weiss Frau Schmall (S. 385f) noch Folgendes zu berichten:
Wie die afrikanischen regiones bestanden die italischen aus einem lockeren Verbund von praedia und saltus. Eine Inschrift aus Luceria nennt einen „proc(urator) s(altuum) A(pulorum)" und umreißt damit den Zuständigkeitsbereich des procurator eines in einer anderen Inschrift tractus Apuliae, einer dritten als regio bezeichneten Gebiets.
 
Das heisst, bei Caesar ist die Provinzgrenze zur Hispania citerioris (um Cartagena) der saltus Castulonensi, bei Plinius das "Gebiet der Stadt Castulo". Ausser der Tatsache, dass beide vom gleichen Ortsnamen abgeleitet sind, haben sie für Dich jedoch nichts gemein. Hmm..
Das habe ich nicht geschrieben. Du meintest, aus dem saltus sei ein oppidum geworden. Und das ist Unsinn. Von dem Namen des Oppidums wurde der Name der Umgebung abgeleitet. Wie bei Münster und Münsterland. Oder bei der Sierra de Cádiz, die nicht einmal in Sichtweite der Stadt liegt, nach der sie benannt ist.
Das Gleiche Phänomen liegt beim Gebiet von Castulo und beim Gebirge von Castulo vor.

Ich meinte auch den Teil weiter zum Schluß des Interviews, dass über die Region zur Römerzeit bislang kaum geforscht wurde, weil Funde über diverse Museen (lokal, regional, national) und Privatbestände zerstreut und nur zum Teil inventarisiert sind, von den 63 inventarisierten 38 bislang nicht untersucht wurden, vier gerade reinterpretiert werden, etc. Systematische Aufarbeitung sei dringend gefordert, man dürfe nicht in Banalisierung der lokalen Kultur verfallen. Klingt ziemlich danach, als möchte jemand die Rolle der Region, und damit auch den Begriff "saltus", grundsätzlich neu bewerten. Die Denkrichtung dieser Neubewertung macht Dein Zitat mit der Gleichsetzung von saltus und comarca (spanische Verwaltungseinheit vergleichbar mit dem deutschen Landkreis) deutlich.
Natürlich kein Beweis, lediglich eine Meinung aus der lokalen Archäologie.
Du überstrapazierst das Gesagte. Ist ein Gebirge kein Gebirge mehr, weil dort gesiedelt wurde? Verliert ein Wald seinen Charakter, weil darin ein Rodung zur Aufsiedlung angelegt wurde? Mit der Comarca ist im Übrigen der heutige Bezirk gemeint.

Zu Livius 10,21 und dem saltus Vescino:
Wer immer gewagt hätte, das Gebiet zu roden, wäre öffentlich gesteinigt worden. Hier wuchs der berühmte, von vielen Dichtern besungene Falerner Wein, lt. Plinius z.T. als Ranke auf Ulmen und Maulbeerbäumen kultiviert.
Womit wir wieder bei Zeitspannen und Anachronismen wären, wie von Sepiola schon an anderer Stelle angemerkt: Die Stelle bei Titus Livius bezieht sich auf ein Ereignis dey frühen 3. Jahrhunderts vor Christus. Plinius' Lobpreisungen des Falerners sind ca 380 Jahre später zu verorten.

Was erfahren wir über den saltus Vescino:

  • Er liegt um (circa) die agri von Vescia und Falernus, ist also kein bereits aufgeteiltes Land (ager publicus)

  • Das circa bezieht sich doch gar nicht auf den saltus. Der kommt doch erstveinen Satz später.

    Er grenzt an den Falernum agrum an [Sein Name last vermuten, dass er ebenfalls an den Vescinum agrum angrenzt, aber hierzu macht Livius keine Aussage]
    [*]Auf seinem Gebiet erfolgt eine Koloniegründung, nämlich Sinuessa (das heutige Mondragone).
    Keine Einwände.

    Nun könnte man vermuten, der saltus Vescino sei der Monte Massico, ein bis 813 m aufragender Höhenzug, der bei Mondragone/Sinuessa ans Meer stößt. Hiergegen spricht allerdings zunächst, das Mondragone/ Sinuessa nicht auf dem Monte Massimo, sondern in der schmalen Küstenebene davor liegt.

    Und woher hat Mondragone seinen Namen?

    Was deine weiteren Ausführungen angeht, so übersiehst du, dass saltus auch 'Weiden' bedeuten kann und Weiden kann man durchaus berauben, nämlich indem man das üblicherweise dort grasende Vieh forttreibt.
 
Marser - Antwort

@EQ: Zu den Marsern nur folgendes: Der Wikipedia-Artikel hat in der Tat Schwächen, besser ist die Beschreibung aus dem bereits verlinkten Artikel von Eggenstein:
Die Siedlungsgebiete dieser aus den literarischen Überlieferungen namentlich bekannten Germanenstämme konkret zu bestimmen, ist problematisch. Wir können aber ungefähr davon ausgehen, dass um die Zeitenwende der Ruhr/Lippe-Raum im westlichen Teil von den Sugambrern und im östlichen Teil von den Marsern besiedelt war, während die Cherusker in Nordost-Westfalen, die Brukterer im Münsterland und die Usipeter im Westmünsterland sowie am Niederrhein lokalisiert werden.
Zur Bewaldung sagt der Fachbeitrag NRW (ebenfalls in meinem Vorbeitrag verlinkt) auf S. 75
Waldweide und Schneitelung, Entnahme von Bauholz und Holzkohlegewinnung (wichtig für die Metallgewinnung und -verarbeitung) führten zu einer Auflichtung der Wälder, die besonders im Umfeld der Siedlungen zu einem Anstieg des Offenlandanteils bis hin zur vollständigen Entwaldung führte. Dies gilt in besonderem Maße für die Siedlungen um​
Christi Geburt an der mittleren und unteren Lippe.
In den Profilen der Einzelregionen heisst es beim Rohrgebiet (S. 209, über das Inhaltsverzeichnis erreichbar, hier aber noch mal als gesonderter Link):​
Ab der Eisenzeit steht mit dem Raseneisenerz ein wichtiger Rohstoff für die Herstellung von Waffen, Geräten und Schmuck lokal zur Verfügung. Der dadurch bedingte intensive Verbrauch von Holz hat eine weitgehende Entwaldung der Ruhrzone zumindest in der älteren Eisenzeit zur Folge; mit einer Wiederbewaldung kann erst in der Jüngeren und Späten Eisenzeit​
parallel zum Rückgang der Besiedlungsdichte und der Bevölkerungszahlen gerechnet werden, die erst in der römischen Kaiserzeit endet.​
Dort weiter auf der Folgeseite, da Du nach der Ruhr fragtest:​
Nachhaltiger waren jedoch die wirtschaftlichen Verbindungen der rechtsrheinischen einheimischen Bevölkerung zu den Römern, was durch Ziegeleien („Transrhenana“), Abbau von Raseneisenerzen, wenigen römischen Siedlungsplätzen (Rees-Haldern, Duisburg), Herstellung und Export von Nahrungsmitteln, Tieren, Tierprodukten und Roheisen belegt wird.​
Im Norden sind insbesondere die Emscher und die Lippe anzusprechen. Hier befanden sich auf der linken, römischen Rheinseite jeweils Lager bzw. Orte (Emscher mit Calo/Halen bzw. Lippe mit Büderich/Vetera Castra).​
Das kurze Stück von der Ruhrmündung bei Duisburg ins Emschertal bei Oberhausen, in dem heute der Rhein-Herne-Kanal verläuft, ist schnell zu überwinden, und eine deutlich kürzere Verbindung nach Osten als der Weg entlang der doch ziemlich gewundenen Ruhr.​
Größere Waldgebiete im Bergischen Land sind unbestritten. Allerdings weiss ich wirklich nicht, wieso die Truppen von Xanten aus durchs Bergiosche Land gezogen sein sollten. Was wäre das Ziel gewesen? Warum von Xanten, und nicht von Köln oder Mainz aus? Oder zumindest so lange den Rhein rauf, bis man den dem Ziel nächstgelegenen rechtsrheinischen Zufluß erreicht hat?​
Und wenn Du nicht an eine Lokalisation der Marser um Münster herum gedacht hast, verstehe ich Deinen Verweis auf die Hohe Mark nicht, ebensowenig wie Andeutungen einer möglichen nordöstlichen Marschrichtung.​
Sicherlich irrten römische Geographen mal, weil ihnen viele unserer heutigen Mittel und Quellen fehlten, aber Deine Kommentaren erwecken den Eindruck, Du dächstest, Germanicus habe deswegen Westfalen kreuz und quer und völlig planlos durchstreift. So schlecht war die römische Geographie denn doch nicht, und germanische Kundschafter hatte er ja auch.​
Ich stimme Dir zu, dass der Kriegszug vor allem interne Gründe hatte. Es war aber nicht nur "Beschäftigungsstrategie". Die Kölner Legionen hatte Germanicus mit der Auszahlung des (angeblich von Augustus den Legionen versprochenen) "Vermächtnisses" in doppelter Höhe beruhigt (Annalen 1, 37), den Xantenern hatte er gleiches versprochen, jedoch erst für das Winterlager. Zwei Xantener Legionen waren darauf eingegangen, die anderen beiden hatten ihr Vermächtnis sofort eingefordert und auch erhalten. Da waren also noch 2 Legionen zu bezahlen, und Germanicus ging sicherlich langsam das Geld aus. Also musste Beute gemacht warden, so viel wie nur irgend möglich. Am besten leicht verwertbare Beute - Gold, Silber oder Salz. Wo es Salz in Germanien gab, wissen wir, nämlich entlang des Hellwegs in der Soester Börde. Wo die Marser wohnten, meine zumindest ich zu wissen, nämlich - oh, Zufall! - ebenfalls in der Soester Börde.​
 
@Sepiola: Ich werde Dir noch ausführlich antworten; erst möchte ich aber noch ein paar andere Punkte abarbeiten.

Knappe Fakten sind mir lieber als ausführliche Spekulationen.

Können wir uns mal vorerst auf die Nachweise beschränken und Vermutungen, Falschinformationen und extra konstruierte Hilfshypothesen außen vor lassen?

Ihr verdanke ich auch den Hinweis auf den "procurator regionum Falernae et Statanae" (AE 1984, 186), Statanus ist lt. Plinius ein an den Falernus ager angrenzendes Weinbaugebiet, über dass ansonsten nichts Genaueres bekannt ist. Die Zeitstellung ist mir unbekannt, aber ich habe diesbezüglich vollstes Vertrauen in sepiola:winke: .

Spätes 1. Jahrhundert n. Chr. (ab 69) :winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Am besten leicht verwertbare Beute - Gold, Silber oder Salz. Wo es Salz in Germanien gab, wissen wir, nämlich entlang des Hellwegs in der Soester Börde. Wo die Marser wohnten, meine zumindest ich zu wissen, nämlich - oh, Zufall! - ebenfalls in der Soester Börde.

Jetzt will ich ausnahmsweise auch mal spekulieren: An Gold und Silber war nichts zu holen, dafür gab es Blei in der Nähe, vor allem in der Briloner Gegend. Das wäre noch innerhalb des 50-Meilen-Radius. Wenn die Römer also von Soest nach Brilon marschiert sind, mussten sie durch den Wald (Arnsberger Wald bzw. Plackwald). Und durch den mussten sie auch wieder zurück. Das war die Chance für die Brukterer und ihre Verbündeten, die Römer zu packen.
Ende der Spekulation.
Ich will damit nur zeigen, dass jeder sich den Feldzug nach eigenem Belieben zurechtspekulieren kann. Das macht vielleicht Spaß, aber es lohnt sich nicht, darüber ernsthaft zu diskutieren.
 
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