Deutsche Aktivitäten zur Herbeiführung des russisch-japanischen Krieges 1904

Den Japanern hat der Krieg ca. 1,7 Milliarden Yen gekostet. Das entsprach in etwa den 6,6 fachen der Steuereinnahmen des Jahres 1903. Die Japaner rechneten nach ihren überwältigenden militärischen Siegen mit entsprechenden Reparationsleitungen des Zarenreiches, aber daraus wurde bekanntermaßen nichts. Japan war praktisch aus finanzpoliischen Gründen nicht in der Lage den Krieg bis zum bitteren Ende für das Zarenreich auszutragen und deshalb nahm man auch Fühlung mit Russland auf.

Die "bescheidenen" Abmachungen von Porthsmouth für den Frieden empfanden viele Japaner als Beleidungung. Die Japaner haben den Krieg durch enorme Anleihen, nicht nur im Innland, sondern auch im Ausland, finanziert. Ich weiß aber nicht, welche Staaten die Anleihen gezeichnet haben, aber deine Fragestellung läßt vermuten, das sich Großbritannien darunter befand.
 
Anglo-Japanese Alliance - Wikipedia, the free encyclopedia
Seit 1902, als Ergebnis der Suche nach Verbündeten nach Aufgabe der splendid isolation.


....nachdem das Deutsche Reich gemäß Bülow meinte, "gar nicht pomadig genug" reagieren zu können. Die Reichsleitung war der Auffassung zu allen Staaten gute Beziehungen, u.a. auch aufgrund des Flottenrüstens, unterhalten zu müssen/ können. So setzte man sich zwischen sömtlichen Stühlen und sezte dei "Auskreisung" fort. Man unterschätzte bloß die enorme Flexibiliät der britischen Diplomatie.
 
Den Japanern hat der Krieg ca. 1,7 Milliarden Yen gekostet. Das entsprach in etwa dem 6,6 fachen der Steuereinnahmen des Jahres 1903. ...
Die Japaner haben den Krieg durch enorme Anleihen, nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland, finanziert. Ich weiß aber nicht, welche Staaten die Anleihen gezeichnet haben, aber deine Fragestellung läßt vermuten, das sich Großbritannien darunter befand.

In Frage kommen wohl auch nur die üblichen Verdächtigen, also Frankreich und Großbritannien. Vielleicht finde ich noch etwas zu den japanischen Auslandsanleihen.

Das Deutsche Reich zeigte sich spendabel bzgl. einiger russischer Anfragen, aber das war wohl dem Handelsvertrag geschuldet. Und außerdem versuchte man, mit Japan als Sieger wieder ins Geschäft zu kommen.
 
War doch eine "nette" Unterstützung für die Japaner. Nikoklaus hat sich gegenüber Wilhelm ja auch überaus "freundlich" über die Briten geäußert.

Nach dem Doogerbank-Zwischenfall stand man übrigens kurz vor einer Konfrontation. Die Home Fleet mit 19 Schlachtschiffen wurde aus gerade laufenden Übungen zum Kanal gerufen, die komplette Mittelmeerflotte über Malta schließlich bei Gibraltar mit der Kanalflotte zusammengezogen, und die russische Flotte wurde ab Vigo von 6 schnellen britischen Kreuzer beschattet.

Gibraltar hatte Alarmzustand, kriegsbereite Patrouillen und die dortige Flotte war von der Admiralität aufgefordert worden, jeden Durchbruchsversuch der russischen Flotte zu verhindern.
 
Die Briten haben sich offenbar auf den Ernstfall vorbereitet. Die von dir genannten Fakten sind hochinteressant. Dankeschön.
 
Ist zwar hier OT, aber was meinst Du mit dem "großen Krieg": die konstellation von 1914? Woraus schließst Du die deutsche, woraus die russische Intention der Kriegsverhinderung in Bezug auf "Björko"?
Auch für einen Kaiser sind zukünftige Kriegskonstellationen nicht leichter vorherzusagen als für einen nicht herrschenden Zeitgenossen. Aber andererseits: Um welche Konstellation hätte es sich denn sonst handeln sollen? Und wozu hätte "Björkö" sonst dienen sollen? Tut mir leid, es ist sonst nicht meine Art, mit Gegenfragen zu antworten. Aber ich denke, alle anderweitigen Spekulationen sollten als "zu weit hergeholt" oder "zu kompliziert" dem Occamschen Rasiermesser zum Opfer fallen.

Eine gegenseitige Rücksichtnahme auf Interessen bezog sich im Zeitalter des Imperialismus lediglich auf die Durchsetzung eigener Interessen, aber das sollte nicht überraschen.
Selbst wenn, aber die Berücksichtigung fremder Interessen kann im eigenen Nutzen sein. Rücksichtnahme auf Deutschland war in der Folge nun mal nicht mehr im russischen Interesse (es ist immer das Interesse gemeint, was die herrschende Klasse als Interesse definiert, nachdem wir ja schließlich im Imperialismus sind).

Da das oben nicht von mir angesprochen war: bitte nichts verdrehen. Mein Hinweis oben bezog sich auf den angeblichen Kontext von "Zeitdruck", Schlieffen-Plan und russisch-japanischem Krieg.
Es ist nicht meine Absicht, irgend etwas zu verdrehen. Wir haben da wohl aneinander vorbei geredet. Ich meinte nicht die Genese des Schlieffen-Plans, sondern den deutschen Aufmarsch in Übereinstimmung mit diesem Plan.

Also du übersiehst hier komplett Frankreich.
Tue ich nicht. Vielmehr ignoriere ich Frankreich bewusst. Nach der Niederlage von 1871 spielte Frankreich nicht mehr DIE weltpolitische Rolle. Einen der Akteure des "Trio infernal" durch Frankreich zu ersetzen würde nicht das tatsächliche Spannungspotential dieser Zeit beschreiben. Nachdem ein deutsch-französisches Bündnis weitestgehend außer Frage stand, ging hier der diplomatische Spielraum für beide Seiten gegen Null. Das deutsch-französische Verhältnis muss man demnach als Konstante, nicht als Variable ansehen. Und nur die variablen Möglichkeiten mit ihrer ganzen Sprengkraft sind ein für Untersuchungen interessanter Gegenstand.

Zumal Russland nach der nicht Verlängerung des Rückversicherungsvertrages durch das DR gar keine Ambitionen mehr sah, es als Verbündeten wieder zu hofieren.
Seit 1890 waren rund 15 Jahre vergangen, nach deren Ablauf man die weltpolitische Lage hätte anders beurteilen können als davor. Informell geschah das ja auch mit der deutschen Parteinahme für Russland (mit dem zusammen man schon 1895 gegen Japan eingetreten war). Ein Bündnis mit Deutschland hätte für Russland irgend einen Nutzen bringen müssen. Aber welchen? Du schreibst selbst:
Doch berührte der Konfliktherd von Afghanistan bis China das DR m.E. weniger, wie daß es hier ein Einmischungspotential gegeben hätte...
Von einem Erfolg auf diesen Schauplätzen hätte Deutschland wohl wenig gehabt. Entsprechend war Russland nichts anzubieten.

Deutschland hätte nur einen Nutzen aus den Geschehnissen der Konflikte 1904/05 haben können, wenn England als Verbündeter Japans in einen Krieg gegen Russland eingetreten wäre, was auch zur Folge gehabt hätte, daß es einen Konflikt mit dem russischen Bündnispartner Frankreich hervorgerufen haben könnte..
So viel meinte man gar nicht zu brauchen, siehe Silesias Einlassung gleich unten.

Die deutsche Sicht - Bülow & Co. - reagierte auf die Entwicklungen 1904 schockiert und war umso mehr bemüht, nun die Konfrontation Rußlands mit dem britischen Verbündeten Japan zu befördern.
Eben. Darum geht es auch offensichtlich in (fast) dem ganzen Thread.

Inwiefern das denn bitte? "Nur" weil die russische Regierung den Zaren zurückgepfiffen hat?
Das zum einen,
folgte, und weitere Geschehnisse, die Du im Folgenden Deines Beitrags selbst ansprichst und die je nach Sichtweise als "Eingrenzung" oder "Ausgrenzung" verstanden werden, denn
Das Deutsche Reich war aber auf der Suche nach weiteren Bündnispartnern,
jedoch erfolglos, weil das Bündnis mit Deutschland den Hauptakteuren (R, F, GB, USA) nichts zu bringen versprach.

...das heisst aber noch lange nicht, das man dort einen Angriffskrieg gegen das Reich im Sinne hatte.
Habe ich auch nicht behauptet. Die Lage gestaltete sich komplizierter. Deutschland wurde immer mehr isoliert, und musste aufgrund der Balkankriege befürchten, dass früher oder später Hand an seinen einzigen verbliebenen Verbündeten Österreich-Ungarn gelegt würde...

bis die deutsche Flotte über eine entsprechende Stärke verfügte.
Was ich nie begriffen habe, ist, warum aufgrund der Flottenrüstung Deutschland als Bündnispartner interessant sein sollte. Für wen? Und warum? In einem anderen Thread habt Ihr diskutiert, dass die deutsche Flotte eben KEIN Bedrohungspotential gegen Großbritannien darstellen konnte. Wenn sie aber diesen Nutzen nicht hat, hat sie sonst auch keinen.


Grüße, Holger
 
In dem Postfragment von mir, welches du oben zitiert hast, ging es darum, das die deutsche Flotte erst über eine gewisse Mindeststärke verfügen musste, bevor sie sich vor "einem Kopenhagen" so halbwegs sicher fühlen konnte. So lange aber galt es Großbritannien nach Möglichkeit eben keine Veranlassung zu liefern, genau dies zu tun. Tirpitz strebte im Endeffekt eine Stärke von 60 Linienschiffen an.


HolgerXX schrieb:
Habe ich auch nicht behauptet. Die Lage gestaltete sich komplizierter. Deutschland wurde immer mehr isoliert, und musste aufgrund der Balkankriege befürchten, dass früher oder später Hand an seinen einzigen verbliebenen Verbündeten Österreich-Ungarn gelegt würde...

Nein, das Deutsche Reich wurde nicht isoliert, sondern hat sich selbst ausgekreist. Es war klar, dass das Flottenrüsten, um hier nur ein Aspekt zu benennen, Großbritannien früher oder später heruasfordern würde und das hat man billigend im Kauf genommen. Man ging in der Reichsleitung davon aus, das Großbritannien seine "unüberbrückbaren" Gegensätze zu Frankreich und vor allem dem Zarenreich irgendwann kommen würde. Eine gravierende Fehleinschätzung wie wir wissen, denn die britsche Diplomatie hat nach der Abfuhr durch das Deutsche Reich im Jhare 1902 sich grundsätzlich mit Japan verständigt und ein Büdnis abgeschlossen. Im Jahe 1904 wurde ein weltweiter kolinalpolitischer Ausgleich mit Frankreich unter Dach und Fach gebracht. Aus dieser Vereinbarung erwuchs dann immer mehr ein Bündnis. 1907 hat man sich dann mit dem Zarenreich geeinigt und das Deutsche Reich stand ziemlich bescheiden da.

jedoch erfolglos, weil das Bündnis mit Deutschland den Hauptakteuren (R, F, GB, USA) nichts zu bringen versprach.

Und warum hat sich Großbritannien dann von 1898 bist 1901 darum bemüht mit dem Deutschen Reich eine Interessengemeinschaft ggf. sogar ein Büdnis zu begründen? Auch das Zarenreich hätte sein Vorteile durch ein Bündnis mit dem Reich haben können. Untersuche beispielsweise nur einmal die gewaltigen finanziellen Aufwendungen Russlands, die durch französische Kredite finanziert wurden, um an der Grenze zu Preussen möglichst schnell im Falle eines Krieges mit schlagkräftigen Armeen anzutreten, die den Krieg nach Deutschland bringen. Der große Druck von der russischen Grenze im Westen wäre weggefallen und man hätte sich in Ruhe um seine Expansionen in Ostasien kümmern können.
 
Zuletzt bearbeitet:
In dem Postfragment von mir, welches du oben zitiert hast, ging es darum, das die deutsche Flotte erst über eine gewisse Mindeststärke verfügen musste, bevor sie sich vor "einem Kopenhagen" so halbwegs sicher fühlen konnte. So lange aber galt es Großbritannien nach Möglichkeit eben keine Veranlassung zu liefern, genau dies zu tun. Tirpitz strebte im Endeffekt eine Stärke von 60 Linienschiffen an.

Gut und schön. Kann man auch so stehen lassen. Was sollen dann aber Äußerungen wie (kann leider nicht zitieren) "Die Flotte soll Deutschland als Bündnispartner attraktiv machen?" Vielleicht im Vollausbau s.o. und dann im Zusammenwirken mit Russland. Aber bis dahin? Und wenn dann mit Russland verbündet, letzten Endes, was hätte es Deutschland gebracht, sich in eine Konfrontation zwischen GB und R in Asien hineinziehen zu lassen?

Nein, das Deutsche Reich wurde nicht isoliert, sondern hat sich selbst ausgekreist.
Mir ist sowohl der Auskreisungs- wie der Einkreisungsgedanke geläufig. Ich habe die Vermutung, es ist beides richtig. Vielleicht ist es geeignet, deutsche Aktionen dem Auskreisungs- und die der Entente dem Einkreisungsbereich zuzuordnen. Das möchte ich aber im Moment nicht weiter diskutieren, weil ich daran noch arbeite.

Und warum hat sich Großbritannien dann von 1898 bist 1901 darum bemüht mit dem Deutschen Reich eine Interessengemeinschaft ggf. sogar ein Büdnis zu begründen?
Du gehst hier in der Zeit vor die Periode des Russisch-Japanischen Krieges zurück. Da war Deutschland als Bündnispartner durchaus noch attraktiv (wie sehr ist allerdings da schon fraglich). Erst ab der Zeit danach gilt die Aussage:
das Deutsche Reich stand ziemlich bescheiden da.

Auch das Zarenreich hätte sein Vorteile durch ein Bündnis mit dem Reich haben können. Untersuche beispielsweise nur einmal die gewaltigen finanziellen Aufwendungen Russlands, die durch französische Kredite finanziert wurden, um an der Grenze zu Preussen möglichst schnell im Falle eines Krieges mit schlagkräftigen Armeen anzutreten, die den Krieg nach Deutschland bringen.
Hätte man DAS deutscherseits finanzieren sollen? Sicher nicht.

Der große Druck von der russischen Grenze im Westen wäre weggefallen und man hätte sich in Ruhe um seine Expansionen in Ostasien kümmern können.
So war zunächst mal der russische Druck von der deutschen Ostgrenze weggefallen. Und die "deutsche Unterstützung" für Aktionen in Ostasien hatte ja soeben nichts erbracht. Eine deutsche Finanzierung (verfügte Deutschland überhaupt über das entsprechende Kapital?) hätte von Russland für oder gegen Deutschland verwendet werden können. Und wie gesagt, was bringt Deutschland eine neue Konfrontation in Asien? Deutschland ist nur gedient, wenn seine beiden Hauptgegener sich weiter gegenseitig in Schach halten. Was die Gefahr in sich birgt, dass sie sich irgendwann gegen Deutschland verbünden, wie es auch geschehen ist.

Grüße, Holger
 
Mit dem Beitrag oben #47 konnte ich wenig anfangen, das war mir bzgl. der diversen Postulate zu schwammig, aber das hier interessiert mich:
Das möchte ich aber im Moment nicht weiter diskutieren, weil ich daran noch arbeite.

Mit welcher Literatur arbeitest Du denn daran? Vielleicht könntest Du sogar einen diesbezüglichen Hinweis zum Kontext von Björkö nachliefern?
 
HolgerXX schrieb:
Hätte man DAS deutscherseits finanzieren sollen? Sicher nicht.

Du verstehst mich falsch. Diese umfänglichen baulichen Maßnahmen in das Schienennetzt zwecks Beschleunigung der Mobilisierung der Armeen wäre doch wohl kaum notwendig gewesen, wenn das Deutsche Reich ein Verbündeter des Zarenreichs gewesen wäre und nicht als potenzieller Kriegsgegner betrachtet wurde.

HolgerXX schrieb:
Und die "deutsche Unterstützung" für Aktionen in Ostasien hatte ja soeben nichts erbracht.

Du spielst auf den Krieg zwischen Russland und Japan an. Da war ja wohl auch unter Berücksichtigung der außenpolitischen Großwetterlage nicht viel mehr möglich gewesen.


HolgerXX schrieb:
Das möchte ich aber im Moment nicht weiter diskutieren, weil ich daran noch arbeite.

Da bin ich gespannt.
 
Die neusten russischen Bauten waren auch bekanntermaßen Fehlkonstruktionen, [...]

Und dieser Umstand war 1904 schon bekannt?

Zum Thema Bündnisfähigkeit der deutschen Flotte, so sei gesagt, daß nie eine Flotte, als die Rang höchste hofiert wurde. Also weder die russische Flotte noch die französische...

Russland war militärisch mit Frankreich in Zweierverband (Zweibund) ab den 90iger aufgestellt. Im Blick auf die Marine als Gegenstück der englischen Flottenrüstung unter dem Motto -Two Power Standard- und zu Land, als beidseitige Front gegen das DR.

Einseitige Bündnis-Verpflechtungen zwischen Russland und Deutschland halte ich für ausgeschlossen. Gibt es historische Nachweise, über solche Überlegungen?

Bei entsprechendem Nationalbewusstsein der europäischen Völker, wie dies der Fall Sommer 1914 war, würde ich darauf spekulieren, daß die außenpolitische Situation schon in der Zeit um 1904/05 vorherrschte, einen Weltkrieg zu entfachen.

Frankreich bezog keine Stellung zum Zweibund mit Russland gegenüber England, das sich in Übersee durch den Verbündeten Japan eines vermeintlich großen Kontrahenten in der Kolonialen Frage entledigen konnte.
Gleichzeitig stößt ein nationaler britischer Naval Scare, angefacht durch Pressemitteilungen im Winter 1904/05 und der Bemerkung, man müsse die deutsche Flotte "kopenhagen", solange diese nicht die Vorgaben der Flottengesetze erreicht habe, in die schon sehr angespannte Lage unter den Mächten auf.
Somit ist es eigentlich verwunderlich, dass der Doggerbankvorfall 1904 nicht zu einem militärischen Konflikt auch in Europa führte.

Aber welchen Nutzen sollte Deutschland dabei haben, Russland als Verbündeten anzusehen? Weder Frankreich (als Gegner des DR) noch Östereich-Ungarn (als Verbündeter des DR) hätten das toleriert.
 
Aber welchen Nutzen sollte Deutschland dabei haben, Russland als Verbündeten anzusehen? Weder Frankreich (als Gegner des DR) noch Östereich-Ungarn (als Verbündeter des DR) hätten das toleriert.

Und doch hat das Deutsche Reich genau dies in Björkö angestrebt und kurzzeitig realisiert. Björkö war ein reines Defensivbündnis und man hätte es mittels "Geheimdiplomatie" händeln können, war ja damals nicht ganz unüblich, siehe auch Rückversicherungsvertrag von 1887.
 
Und doch hat das Deutsche Reich genau dies in Björkö angestrebt und kurzzeitig realisiert. Björkö war ein reines Defensivbündnis und man hätte es mittels "Geheimdiplomatie" händeln können, war ja damals nicht ganz unüblich, siehe auch Rückversicherungsvertrag von 1887.

Soweit der formale Vertrag. Er sollte dienen:

1. der Sprengung des frz.-russ. Bündnisses, was Frankreich in der Bülowschen Weltpolitik erpressbar machen sollte
2. der Verhinderung eines kommenden brit-russ. Ausgleichs, der nach der Entente 1904 nun befürchtet wurde aufgrund des Scharniers Frankreich zwischen Russland und England.

Was er aus deutscher Sicht genützt hätte: Paralyse Englands durch den Kontinentalblock wegen der Empfindlichkeit der Landzwerges England im Mittleren und Fernen Osten. "Weltpolitik" und Anwendungsfälle gab es bereits reichlich: siehe das Beispringen Russlands für Frankreich in der ersten Marokkokrise auf der Algericas-Konferenz. Der Aufriss um Marokko diente im Prinzip zwei Zielen (in Abwandlung eines Zitates könnte man formulieren: "Marokko war nicht das Objekt, um das es ging"):

a) einen tauglichen, größeren Hafen an der Westküste Afrikas zu erlangen
b) die Ost-West-Achse deutscher Kolonien in Afrika zu forcieren.

Bülow war übrigens selbst mit dem später nicht bestätigten "Vertrag" unzufrieden, er ging ihm nicht weit genug. Holstein fand ihn brauchbar.
 
Silesia schrieb:
Bülow war übrigens selbst mit dem später nicht bestätigten "Vertrag" unzufrieden, er ging ihm nicht weit genug. Holstein fand ihn brauchbar.

Bülow hat sich primär darüber geärgert, das der Vertrag "nur" auf Europa begrenzt war. Er wollte ein Vertrag ohne geographische Einschränkungen.


silesia schrieb:
Was er aus deutscher Sicht genützt hätte: Paralyse Englands durch den Kontinentalblock wegen der Empfindlichkeit der Landzwerges England im Mittleren und Fernen Osten.

Das mag schon sein, aber der Vertrag von Björkö galt halt nur für Europa.:winke:

silesia schrieb:
siehe das Beispringen Russlands für Frankreich in der ersten Marokkokrise auf der Algericas-Konferenz.

Im Ernstfall wäre Russland aber nicht in der Lage gewesen, Frankreich zu untersützten und das hat das Reich brutal ausgenutzt. Schlieffen hat in seinen Planungen Russland dann zu jenem Zeitpunkt auch vollkommen außer Acht gelassen. Großbritannien meinte man bei den Planungen vernachlässigen zu können, da "Schiffe ja keine Räder hätten", wie es, ich meine Wilhelm bei Gelegenheit ausdrückte, will heissen die Briten wären gar nicht in der Lage Paris zu schützen.

silesia schrieb:
Der Aufriss um Marokko diente im Prinzip zwei Zielen (in Abwandlung eines Zitates könnte man formulieren: "Marokko war nicht das Objekt, um das es ging"):

a) einen tauglichen, größeren Hafen an der Westküste Afrikas zu erlangen
b) die Ost-West-Achse deutscher Kolonien in Afrika zu forcieren.

Es ging dem Deutschen Reich in der Tat nicht um Marooko. Holstein, er war der Architekt der Marokkokrise im Auswärtigem Amt, wollte die Entente beshädigen, den deutschfeindlichen französischen Außenminister Delcassè stürzen und abschließend sollte mittels internationaler Konferenz Frankreich gedemütigt werden. Interessant ist das folgende Zitat von Bülow:


Falls eine Konferenz zustande kommt, sind wir der diplomatischen Unterstützung Amerikas zugunsten der open door schon jetzt sicher. England wird sich dort wie überall scheuen, mit Nachdruck gegen Amerika anzugehen. Österreich wird sich wegen Marokko nicht mit uns brouillieren wollen, und das gleiche glaube ich von Italien, besonders von einem dreibundfreundlichen Kabinett Fortes. Ich halte daher für ausgeschlossen, daß eine Konferenz das Ergebnis haben könnte, die Einschiebung Marokkos in die ausschließliche Macht- und Interessensphäre Frankreichs anzubahnen.“ (1)


Es sollte den Großmächten vor Augen geführt werden, das niemnad an dem Deutschen Reich vorbeikam. Und hier war Marokko nur Mittel zum Zweck.

Wir wissen ist ja alles anders gekommen, als sich es die graue Eminenz im AA gedacht hat. Es war das Deutsche Reich, welches auf der Konferenz Algeciras 1906 mit mageren Ergebniss nach Hause fahren durfte. Im Endeffekt hat diese Krise dem Reich nur geschadet, sowohl außen- als auch innenpolitisch.


(1)http://de.wikipedia.org/wiki/Algeciras-Konferenz
 
Zuletzt bearbeitet:
Bülow hat sich primär darüber geärgert, das der Vertrag "nur" auf Europa begrenzt war. Er wollte ein Vertrag ohne geographische Einschränkungen.
So sollte er aber wirken. Die Modalitäten des defensiv waren Bülow wohl auch zu wenig weitgehend.

Das mag schon sein, aber der Vertrag von Björkö galt halt nur für Europa.:winke:
Wofür er dem Wortlaut nach abgeschlossen ist, und welche Wirkung er haben sollte, würde ich eben unterscheiden. Die Wirkung war global gegen Frankreich und Großbritannien angesetzt.

Im Ernstfall wäre Russland aber nicht in der Lage gewesen, Frankreich zu untersützten und das hat das Reich brutal ausgenutzt.
Eben, perspektivisch dreht sich das wieder. Rußland "erklärte" sich aber für die Zukunft bereits mit dieser Demonstration verbindlich während der Algericas-Konferenz.
Schlieffen hat in seinen Planungen Russland dann zu jenem Zeitpunkt auch vollkommen außer Acht gelassen.
Ja, aber: die Planungen sind älter als die russische Niederlage, die mit der Ausgestaltung des Szenarios deswegen auch nichts zu tun haben können.
 
silesia schrieb:
Wofür er dem Wortlaut nach abgeschlossen ist, und welche Wirkung er haben sollte, würde ich eben unterscheiden. Die Wirkung war global gegen Frankreich und Großbritannien angesetzt.

War das auch Nikolaus bei Abschluß so klar?
 
War das auch Nikolaus bei Abschluß so klar?

Niki sicher kaum, der hatte einen Sack voll Probleme im eigenen Land, und nach der Katastrophe in Fernost. Zudem stand die Festigung des britisch-japanischen Bündnisses vor der Tür, und dann gab es noch den Balkan.

Die angestrebte Wirkung war aus Sicht des Deutschen Reiches dargestellt. [*] Über den laufenden Gedankenaustausch Russland-Großbritannien zur Lösung der kolonialen Konflikte war man seit 1903 informiert. Außerdem war das britische Interesse klar erkannt und gefürchtet, vor einer neuen Sachlage bzgl. der maritimen Aufrüstung des Deutschen Reiches zu einem Interessenausgleich mit Rußland zu kommen.

[*] Übrigens war die antibritische Stoßrichtung des Björkö-Vertrages RUS/DEU, dem sich Frankreich aufgrund der kontinentalen Machtlage dann anschließen "müßte", bereits Anfang August 1905 nach London übermittelt worden. Kommentar von Lansdowne: "Nachrichten über die Aktivität des Kaiser erfüllen mich mit Sorge. Was ist das Nächste, was ein Mann mit einer solchen Geistesverfassung tun möchte"? Großbritannien hatte sich übrigens zeitgleich den verschärften Vertrag mit Japan von Roosevelt der guten Ordnung halber vor Unterzeichnung "absegnen" lassen, und USA und GB wirkten sehr abgestimmt auf JAP und RUS wegen des Friedensschlusses ein.

Hauser: Deutschland und der englisch-russische Gegensatz 1900-1914
Monger: Entente 1900 - 1907
 
Zuletzt bearbeitet:
Und dieser Umstand war 1904 schon bekannt?

Die Qualitäten wurden 1904 intensiv diskutiert; vom Ergebnis dieser Debatte Fisher-Balfour-Lansdowne hing die Frage ab, ob man sich die russische Baltik-Flotte auf ihrer Reise "nehmen" könne, was laut Fisher "jederzeit möglich" sei.

Die Briefwechsel vom September und November 1904 endeten damit, dass die Japanische Flotte siegen könne, "ihre Leistungen sind ganz hervorragend". Als die Baltik-Flotte sich vor Westafrika weiterquälte, war man über den Ausgang in London sicher. Dem Urteil der damaligen Experten würde ich vertrauen.:winke:
 
Die Peinlichkeit vor dem Herrn war, das Wilhelm Bülow, nachdem Rouvier Delcassè entlassen, zum Fürsten adelte.

Interessant wäre es möglicherweise geworden, wenn die deutsche Diplomatie auf die Vorschläge Rouviers, direkte Verhandlungen um das Problem aus der Welt zu schaffen, eingegangen wären. Eyre Crowe schrieb etwas später:

"he general feeling in Paris ist htat he cheif object wich the German Emperor has had in view...is to show th the French people that an understanding with England is of little value to em and that they have much better come to agreement with Germany. (1)

Grey hat sich gegenüber Metternich ganz ähnlich geäußert. In der Marokko lag also möglicherweise durchaus eine Chance, wie groß zw. klein dies war, muss zwnagsläufig offen bleiben, aber das deutsche diplomatische Verhalten, war wie so oft in jenen Jahren nicht von großer Weisheit bestimmt.



Britsche Dokumente on the Origins of the War, vol III, p.75
 
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