Deutsche Aktivitäten zur Herbeiführung des russisch-japanischen Krieges 1904

Köbis17 schrieb:
Gute Frage, ich glaube unser User HolgerXX hat selbst den Faden verloren...Ständig widersprechen ist halt nicht einfach, vor allem wenn einem die Argumente ausgehen.

Da ich auch den Überblick hier verloren habe, aber das Thema eigendlich sehr intressant finde, frage ich mal wieder nach einem Zwischenfazit, vielleicht hat sich etwas zu den bisherigen Erkenntnissen verändert.

Nein, neue Erkenntnisse gibt es nicht. Neu eingeführt in die Diskussion wurde aber die Tatsache, das Poincarè den Bündnisfall erweitert hatte.

solwac schrieb:
Was hat der Ablauf 1914 mit dem Thema des Stranges zu tun? :S

Gar nichts.


HolgerXX schrieb:
Ich weiß nicht, ob es jetzt die Frage ist, was man GENAU unter Mobilmachung zu verstehen hat. Es gab sicher überall Vorbereitungen hinter den Kulissen, es gab Teilmobilmachungen und es gab die offiziellen Verkündungen der Generalmobilmachungen. Zeitlich gesehen kamen die Generalmobilmachungen zum Ersten Weltkrieg in dieser Folge:
31.08.1914 (Uhrzeit nicht bekannt, wird auf Wunsch zu ermitteln versucht) Österreich-Ungarn
31.08.1914 12:00 Russland (Teilmobilmachungen in großem Umfang schon 1 Tag früher)
01.08.1914 15:40 Frankreich (Quelle: First World War.com - On This Day - 1 August 1914)
01.08.1914 17:00 Deutsches Reich
So wie Du es darstellst, kann man es also nicht stehen lassen. Das Deutsche Reich macht, offiziell zumindest, als letzter (der Konstellation R-F-D) mobil. Es ist strittig, ob eine Mobilmachung bereits eine Kriegshandlung darstellt oder nicht. Im Normalfall ist sie es m.e. nicht. Mein Standpunkt zu den obigen Ereignissen: Bei Vorliegen eines Offensivbündnisses ist die Generalmobilmachung eine Kriegshandlung. Das Deutsche Reich hatte somit gegen R und F einen objektiven Kriegsgrund.

Österreich-Ungarn hatte am 28.07.1914 Serbien dem Krieg erklärt, an der Grenze zum Zarenreich wurde teilweise ebenfalls mobil gemacht!, und begann bereits am 29.07 mit der Bombardierung Belgrads. Russland hatte daraufhin mobil gemacht und Frankreich hätte m.E. nach ebenfalls sofort die Mobilmachung verfügen müssen. Und hier zählt jede Stunde. Aber okay, das hätte ich ober gerne etwas weniger missverständlich zum Ausdruck bringen müssen.
Unter Mobilmachung versteht die Überfühurng der Streitkräfte, Aufmarsch, Einberufung der Reservisten etc.etc., in dem Kriegszustand. Das gleich gilt für die Wirtschaft. (1)

HolgerXX schrieb:
Ich kann für die mandschurische Geschichte für den Zeitraum zwischen 1905 und 1914 überhaupt nichts online herausfinden. Bitte nenne eine russische Aktion in der Mandschurei zwischen 1907 und 1914 mit absichtlich oder tendenziell anti-britischer Zielrichtung.

Ich habe dir bereits entsprechende Literaturhnweise gegeben und ich weiß nicht, ob hier noch wirklich neue Baustellen eröffnet werden sollten. Ich meine eher nicht.

HolgerXX schrieb:
Ein halbes Jahr ist m.e. keine Zeit, wo man ein "nicht so schnell" konstatieren könnte. Wenn Du aber Recht hast, dann bedeutet das, Extra-Druck auf Frankreich, zu seinen Bündnisverpflichtungen zu stehen. Was Poincare´ bei seinem Besuch in St. Petersburg wohl auch deutlich gemacht hat.

Bitte jetzt nicht auch noch Wortklauberei. Die Beziehungen hatten sich zu dem fraglichen Zeitpunkt noch nicht wieder erholt gehabt.

HolgerXX schrieb:
Nach den Flottenvereinbarungen mit Frankreich konnte sie sehr wohl. Es ist sogar die Frage, ob diese britische Flottenaufstellung nicht offensiv gemeint war, d.h., dass im Kriegsfall Landungen an den deutschen Küsten stattfinden sollten, oder auch ein zweites "Kopenhagen", ungeachtet dessen, dass solche Aktionen im Ersten Weltkrieg nicht stattfanden und m.e. auch undurchführbar bzw. ohne konkrete Aussicht auf Erfolg gewesen wären.

Hier würden mich einmal Belege interessieren.

Es war der kaiserlichen Marine bekannt, wie die Royal Navy im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung, Stichwort Fernblockade, operieren wollte. Trotzdem hat man auf deuscher Seite munter weiter an einem Szenario in der Deutschen Bucht gearbeitet.


(1) Enzyklopädie erster Weltkrieg, S.723 f
 
Zuletzt bearbeitet:
Es war der kaiserlichen Marine bekannt, wie die Royal Navy im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung, Stichwort Fernblockade, operieren wollte. Trotzdem hat man auf deuscher Seite munter weiter an einem Szenario in der Deutschen Bucht gearbeitet.

OT:
Sicher?

Und selbst wenn die deutsche Admiralität die neuen Planungen der RN :)grübel:so ab 1911/12) erkannte, war die deutsche Flottenrüstung in der Typologie und der strategischen technischen Ausrichtung auf eine nahe Blockade fixiert. Keine Chance auch nur unmittelbar das technische Konzept umzustellen.
Ansätze ließen sich bei der Einplanung des Ersatz Odin (SMS Prinzregent Luitpold) eines Schiffsdiesels auf der Mittelwelle finden, um so den Aktionsradius zu erhöhen, doch blieb es bis zuletzt nur bei der Planung.
Der Krieg kam zu schnell, wobei schnell relativ ist, denn die Planung das Schiff entsprechend neu aufzustellen im Antrieb wurde schon vor 1910 erstellt.

Nein, daß Flottenprogramm der Deutschen mit den Novellen von 1906 und 1908 zum Dreadnought-Bau war mit der Fernblockade der RN gescheitert und daran konnte niemand in Deutschland mehr etwas ändern.

PS:Tirpitz muss schlaflose Nächte gehabt haben, sollte das Reichsmarineamt von der neuen strategischen Aufstellung der RN gegen die deutsche Bucht schon weit vor 1914 gewusst haben.

Was HolgerXX sicher meinte, zum Thema "zu kopenhagen" gab es schon im Winter 1904 aufgepeitscht von britischen Medien die Meinung, man solle die kaiserliche Marine erledigen, bevor diese ernsthaft gefährlich wird.
Leider ist mir die Quelle in diesen Zusammenhang nicht zugegen, aber darüber habe ich in irgend einem Thema hier im GF schonmal geschrieben...
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Este Seelord Churchill hatte dafür Sorge getragen, das die Fernblockade im Kriegsfalle aufgebaut werden würde. Dies wurde im Deutschen Reich bekannt und verursachte auch so eine gewisse Unsicherheit in der kaiserlichen Marine.(1) Nur einer ließ sich nicht beirren: Tirpitz.

Der Chef des Admiralstabes von Heeringen bewerte die Rolle der kaiserlichen Marine, als eine sehr traurige, wenn die Briten die Fernblockade konsequent durchziehen.

Dabei war es doch Tirpitz gewesen, der bereits im Jahe 1894 vor de Gefahren einer Fernblockade gewarnt hatte. Er konnte oder wollte sich wohl nicht mehr an seine eigenen Argumente erinnern.


Was man hätte tun können, wäre ein entsprechendes Programm für U-Boote aufzulegen, aber dagegen hat sich Tirpitz gesträubt. Und wenn ich mich korrekt erinnere, hat dies der Kaiser bereits im Jhre 1912 beim sogenannten Kriegsrat auch gefordert gehabt.

(1) Schröder, Die UBoote des Kaisers
Schröder bezieht sich auf Baumgart, Deutschland im Zeitalter des Imperialismus
 
Bei Vorschlägen zu uneingeschränkten Angriffskriegen legt sich mir immer so ein komischer Druck auf die Lunge, ich kann dagegen nichts machen...da, jetzt schon wieder! Hust! ;-)
Naja, den uneingeschränkten Angriffskrieg - was immer das sein mag - hast du ins Spiel gebracht. Da ich grade wieder etwas in "Schalen des Zorns" lese, hier mal ein Zitat von Grey:

"Was die Außenpolitik dieses Landes wirklich bestimmt, ist die Frage der Seemacht", sagtes Grey 1911 vor Delegierten aus den Dominions. "Es besteht keine nennenswerte Gefahr, dass wir in Europa in größere Schwierigkeiten hineingezogen werden, solange es keine Macht...gibt, die den Ehrgeiz hat, zu verwirklichen was ich Napoleonische Politik nenne. Das Ergebnis wäre ein großer Zusammenschluss in Europa außerhalb dessen wir ohne einen Freund bleiben würden."

Er befürchtet also nicht nur eine Besetzung Frankreichs sondern alternativ, dass das DR eine Hegemonie in Europa errichtet indem es Frankreich durch Kriegsdrohung erpresst und so zur militärischen und politischen Gefolgschaft zwingt.


Magst Du richtig sehen, aber "attraktiver" war der Erste Weltkrieg m.e. auch nicht, zumal er sowohl GB im Speziellen schwer geschadet hat und dem Imperialismus insgesamt den ersten ordentlichen Knacks verpasst hat.
Aber den Krieg hat nicht GB angefangen. Zur "friedlichen Koexistenz" gehören nunmal zwei und dass Deutschland friedlich bleibt und GB um einen Krieg herumkommt, wenn es einer Flottenparität zustimmt, dafür gab es keine Garantie.

Was manchmal übersehen wird: die USA waren der entscheidende Faktor beim Ende des Russisch-Japanischen Krieges (kann ich leider im Moment nicht exakt zitieren). Trotz "Tsushima", die Russen kämpften zu Lande weiter, und die Japaner wären ihnen dort auf Dauer unterlegen gewesen. Erst die Drohung eines amerikanischen Eingreifens machte R endgültig friedensbereit, und nicht ohne Grund wurde der Friedensvertrag auf dem Gebiet der USA abgeschlossen.
Ich denke nicht, dass das "übersehen" wird, das ist einfach falsch. Eine Drohung der USA gab es nicht und die USA hatten auch keinerlei Intention in den Krieg einzugreifen.
Was Russland friedensbereit machte, war die Revolution von 1905. Um die Revolution niederzuschlagen brauchte der Zar seine Truppen, ohne den Friedensschluss wäre das zaristische Regime wahrscheinlich schon 1905 gestürzt worden.

GB: verfolgte die konträre Politik
USA: sah zu dem Zeitpunkt sicher keinen Sinn in einem Bündnis mit D (erst nach 1945...)
J: dazu war es noch zu früh, später wurde ja was draus, aber auch zum gegenseitigen Verhängnis.

Es wäre die Frage geschickter Politik gewesen, sich in GB, Japan und USA einzuschleichen, unentbehrlich zu machen, usw... :)

Um mal Japan herauszugreifen. Das Verhängnis im 2. WK für Deutschland und Japan war nicht das deutsch-japanische Bündnis. Wieso war es vor dem 1.WK dafür "noch zu früh"? War es nicht so, dass Deutschland diese Möglichkeit gar nicht ausgelotet hat? Immerhin hatten Deutschland und Japan in Russland einen gemeinsamen Feind. Warum also kein Bündnis gegen Russland?
 
Österreich-Ungarn hatte am 28.07.1914 Serbien dem Krieg erklärt, an der Grenze zum Zarenreich wurde teilweise ebenfalls mobil gemacht!, und begann bereits am 29.07 mit der Bombardierung Belgrads. Russland hatte daraufhin mobil gemacht und Frankreich hätte m.E. nach ebenfalls sofort die Mobilmachung verfügen müssen. Und hier zählt jede Stunde. Aber okay, das hätte ich ober gerne etwas weniger missverständlich zum Ausdruck bringen müssen.
Unter Mobilmachung versteht die Überfühurng der Streitkräfte, Aufmarsch, Einberufung der Reservisten etc.etc., in dem Kriegszustand. Das gleich gilt für die Wirtschaft. (1)
Alles Mögliche in den Begriff der Mobilmachung mit einzubeziehen ist genau das Kuddelmuddel, das ich befürchtet habe. Eine vernünftige Lösung ist auf dieser Basis nicht mehr möglich. Staatsführer pflegen dann die Definition selbst vorzunehmen, mit den Folgen Kriegsausbruch und Kriegsschuldzuweisung im Friedensvertrag.

Ich habe dir bereits entsprechende Literaturhnweise gegeben und ich weiß nicht, ob hier noch wirklich neue Baustellen eröffnet werden sollten. Ich meine eher nicht.
Ich will hier sicher keine neue Baustelle eröffnen. Den Literaturhinweis bitte ich zu wiederholen.

Hier würden mich einmal Belege interessieren.
Na, dann nehmen wir doch mal wieder den "Neitzel":

S. 81: "Das enge Verhältnis zu Frankreich und die Ausschaltung der modernen russischen Pazifikflotte hatten dazu geführt, dass nun zunehmend die deutsche Flotte in das Blickfeld der britischen Öffentlichkeit rückte. Forderungen wurden laut, sie anzugreifen, bevor sie zu einer Bedrohung werden würde. Sogar der Erste Seelord, Admiral Sir John Fisher, sprach Ende 1904 gegenüber dem König unter vier Augen davon, "to Copenhagen the growing German fleet before it became too strong", und spielte damit auf die Vernichtung der dänischen Flotte in Kopenhagen 1801 durch Nelson an. Es war diese antideutsche Haltung, die Großbritannien dauerhaft an Frankreich heranrücken ließ."

S. 88: "Die britische Hilfsbereitschaft ging schließlich so weit, dass im Herbst 1905 konkrete Überlegungen zur militärischen Unterstützung Frankreichs vorgenommen wurden. Die Zerstörung der deutschen Flotte in Kiel und die Landung von Truppen in Schleswig-Holstein waren Gegenstand entsprechender Planungen."

S. 168: "Der Draht nach London schien für ein Krisenmanagement nicht mehr zu gebrauchen zu sein, nachdem Großbritannien dabei war, sich militärisch an das Zarenreich zu binden und offenbar sogar Planungen für eine Landungsoperation in Pommern ausarbeitete."

Nachdem die Führung der Royal Navy sicher weder an Amnesie noch an einem Mangel an militärischer Phantasie litt, kann sowohl ein Rückgriff auf die Planungen von 1904/05 als auch ein Vorgriff auf selbige von 1914 für 1912 ohne weiteres angenommen werden.

Naja, den uneingeschränkten Angriffskrieg - was immer das sein mag - hast du ins Spiel gebracht.
Selbst wenn ich ihn "ins Spiel gebracht haben" sollte - wo denn bitte? Kannst Du mich zitieren? - befürworte ich ihn dennoch nicht.

...und dass Deutschland friedlich bleibt und GB um einen Krieg herumkommt, wenn es einer Flottenparität zustimmt, dafür gab es keine Garantie.
Garantien gab es freilich nicht. Die wären auch unglaubwürdig gewesen. Es hätte aber vielleicht trotzdem Alternativen zur tatsächlich verfolgten britischen Politik gegeben. "Pari" ging für die Briten gar nicht, sie versuchten, mit der Forderung dem "Verzicht auf wesentliche Teile der (deutschen) Flottennovelle" 1912 (Neitzel, S. 119) ihre Überlegenheit auch vertraglich festzuschreiben. Deutschland forderte dafür die uneingeschränkte britische Neutralität. GB war dazu nicht bereit.

Ich denke nicht, dass das "übersehen" wird, das ist einfach falsch. Eine Drohung der USA gab es nicht und die USA hatten auch keinerlei Intention in den Krieg einzugreifen.
Was Russland friedensbereit machte, war die Revolution von 1905. Um die Revolution niederzuschlagen brauchte der Zar seine Truppen, ohne den Friedensschluss wäre das zaristische Regime wahrscheinlich schon 1905 gestürzt worden.
Wie gesagt kann ich meine Position im Moment nicht richtig unterlegen. Sonst könnte man vielleicht einen eigenen Thread daraus machen.

Es wäre die Frage geschickter Politik gewesen, sich in GB, Japan und USA einzuschleichen, unentbehrlich zu machen, usw... :)
"Sich unentbehrlich zu machen" hätte sicher nur im rückständigen Russland funktioniert. Vielleicht sonst gerade noch in Japan, dazu s.u.

Um mal Japan herauszugreifen. (1)Das Verhängnis im 2. WK für Deutschland und Japan war nicht das deutsch-japanische Bündnis. (2)Wieso war es vor dem 1.WK dafür "noch zu früh"? (3)War es nicht so, dass Deutschland diese Möglichkeit gar nicht ausgelotet hat? (4)Immerhin hatten Deutschland und Japan in Russland einen gemeinsamen Feind. Warum also kein Bündnis gegen Russland?
(1) Habe ich auch nicht behauptet. Trotz Bündnis waren aber beide Staaten zu einer engen Koordination der Kriegsanstrengungen nicht bereit, was zur Niederlage beitrug.

(2) Solange D noch Kolonialbesitz und darüber hinaus gehende Ansprüche im pazifischen Raum hatte, musste es mit dem ebenfalls expansiven J in Gegensatz geraten. Das Schüren der "gelben Gefahr" in D insbesondere durch KWII machte ein D-J-Bündnis unglaubwürdig. Erst als nach dem Ersten Weltkrieg die übrige Entente Japan die kalte Schulter zeigte und Deutschland neue Kooperationspartner suchte, wurde die Partnerschaft für beide interessant.

(3) Richtig. Entsprechende japanische Fühler wurden zurückgewiesen.

(4) Die ewige Feindbildsicht kann ich nicht unterstützen. Denkt man sich die weg, hatten die imperialistischen Staaten 1900 - 1910 Kooperationsmöglichkieten wie später nie wieder. Durch das Bündnis mit GB war J fest in die Entente eingebunden. R hatte es 1905 ja bereits besiegt und hätte durch ein Bündnis mit D zu dem Zeitpunkt auch nicht viel mehr gewonnen.

Grüße, Holger
 
Deutschland forderte dafür die uneingeschränkte britische Neutralität. GB war dazu nicht bereit.
Aber eine uneingeschränkte Neutralität - also freie Hand für Deutschland auf dem Kontinent, der Verzicht GBs das europ. Gleichgewicht zu wahren - war doch offensichtlich für GB völlig unannehmbar.
Interessant ist die Frage, warum die deutsche Seite so eine Forderung überhaupt erhoben hat. Meiner Ansicht nach war das eben das Ziel des Flottenbaus, GB in europäischen Fragen zu "neutralisieren", sei es dadurch, dass man sie zu einem Neutralitätsversprechen "erpresst" oder "überrüstet".
Allerdings waren beide Versuche reichlich hoffnungslos.

(2) Solange D noch Kolonialbesitz und darüber hinaus gehende Ansprüche im pazifischen Raum hatte, musste es mit dem ebenfalls expansiven J in Gegensatz geraten. Das Schüren der "gelben Gefahr" in D insbesondere durch KWII machte ein D-J-Bündnis unglaubwürdig...
Durch das Bündnis mit GB war J fest in die Entente eingebunden. R hatte es 1905 ja bereits besiegt und hätte durch ein Bündnis mit D zu dem Zeitpunkt auch nicht viel mehr gewonnen.
Schon, aber das galt ja für alle Großmächte, dass es Interessengegensätze gab. GB hatte sich schließlich genauso wie das DR in China festgesetzt, trotzdem hat Japan sich mit ihnen verbündet. Deutschland hätte erst zu einem besseren Verhältnis mit GB kommen müssen, um bei Japan "landen" zu können, aber das die Japaner bereits "fest in die Entente eingebunden" waren sehe ich nicht. Japan hatte Russland besiegt, aber dass die Russen die Niederlage auf Dauer nicht hinnehmen würden, war nicht ganz abwegig.

(4) Die ewige Feindbildsicht kann ich nicht unterstützen.
Naja, was heißt Feindbild? Russland hatte sich mit Frankreich, dem Erbfeind, verbündet. Es gab konkrete militärische Zusammenarbeit und Absprachen zum koordinierten Einfall in das Reich. Das war dann schon ein etwas anderen Niveau als die inoffiziellen Absprachen zwischen GB und Frankreich.
Per se, wäre den Deutschen ein Bündnis mit Russland sicher lieber gewesen als mit GB.
 
HolgerXX schrieb:
Es war diese antideutsche Haltung, die Großbritannien dauerhaft an Frankreich heranrücken ließ."

Wie aus dem bisherigen Diskussionsverlauf deutlich geworden sein sollte, ist diese Aussage einfach zu undifferenziert. Die Entwicklungslinien der außenpolitischen Konstellation war komplizierter.

HolgerXX schrieb:
S. 88: "Die britische Hilfsbereitschaft ging schließlich so weit, dass im Herbst 1905 konkrete Überlegungen zur militärischen Unterstützung Frankreichs vorgenommen wurden. Die Zerstörung der deutschen Flotte in Kiel und die Landung von Truppen in Schleswig-Holstein waren Gegenstand entsprechender Planungen."

Die Gespräche hierübe begannen bereits im Frühjahr und fanden im Herbst ihre Fortsetzung. Der zuständige Unterschauschuss für solche offensiven Vorhaben hatte bis 10.Oktober noch nicht getagt gehabt und es ist zweifelhaft, ob er überhaupt jemals betreffs dieser Fragestellung zusammengetreten ist. Das führt zumindes Lord Hankey aus. (1)

Lord Robertson hat später erklärt, das man das Thema hat einfach fallenlassen. Des Weiteren führte er aus: "In Wirklichkeit war die Möglichkeit in einen französisch-deutsche Krieg hineingezogen zu werden, noch nicht eine Frage, der die Minister mehr als ein akademeisches Gehör zu schenken geneigt waren; sie hielten daran fest, daß, wenn wir wirklich eingreifen müßten, unsere Rolle ihrem Wesen nach nach ausschließlich bei der Flotte liegenwürde, und kaum irgendwie bei der Armee. In dieser Auffassung wurden sie von der Admiralität unterstützt." (2)

Die Marokkokrise, das erwähnt Neitzel erst gar nicht, fiel mit einer weiteren Krise zusammen, in der das Deutsche Reich nicht verwickelt war. In Indochchin war die russische baltische Flotte in französische Gewässer, mit vollen Einverständnis der Franzosen, eingelaufen. Darüber waren die Japaner sehr verärgert und machten entsprechend Druck auf Großbritannien, welches entsprechend in Paris vorstellig werden sollte. Lord Fisher schreib an Balfour:" Nehmen Sie an, die Japaner greifen Roji in der Kamranh-Bucht an, was zu tun sie berechtig wären, wird Frankreich dann gegen Japan kämpfen? Wenn ja, kämpfen wir dann gegen Frankreich? Welche Aussichten für den deutschen Kaiser!" (3) Das war für die Briten eine komplizierte, ja heikle Lage.

Des Weiteren knirschte es ohenhin gerade im Gebälk der britsch-deutschen Beziehungen wegen Madeira.

Außerdem spielte die außerordentlich schlechte Beziehung zwischen Edward und Wilhelm eine nicht zuverachtende Rolle. Der britische Außenminister Landsdowne sah die Ausfälle Edwards gegenüber Wilhelm schon mit einer gewissen Gereiztheit. Als im Juni 1905 der dänische Prinz Karl, der spätere Hakoon VII., für den norwegischen Thron ins Gespräch kam, beeilte sich Edward seine Unterstützung kundzutun. Landsdowne war darüber sehr verärgert.

Das es in Anbetracht solcher Spannungen dann zu militärischen Sandkastenspielen kommt, ist nicht weier überraschend.


Neitzel schreibt dies im Kontext der Julikrise und bezieht dies auf die im Mai 1914 stattgefundenen britischen-russsichen Flottengespräche in London, die widerum eine Folge der Liman-Sanders-Krise waren. Hierzu empfiehlt sich folgende Lektüre:

Schröder, Die englisch-russische Marinekonvention

Was er dabei nicht erwähnt, ist die gescheitere Mission Lord Haldanes, die Liman-Sanders-Krise und auch das erfolgreiche gemeinsam deutsch-britische Krisenmanagement der Balkankriege 1912/13. Dadurch wird diese Aussage Neitzels doch ein wenig relativiert.




(1) Hankey, The Supreme Command, 1914-1918, Bd.1, S.62

(2) Robertson, Soldiers and Statesmen, Bd.II, S.25-26

(3) Monger, Entente 1900-1907, S.239
 
Aber eine uneingeschränkte Neutralität - also freie Hand für Deutschland auf dem Kontinent, der Verzicht GBs das europ. Gleichgewicht zu wahren - war doch offensichtlich für GB völlig unannehmbar. Interessant ist die Frage, warum die deutsche Seite so eine Forderung überhaupt erhoben hat.
Ich verweise auf meine frühere Behauptung, dass die Bündnisse ohne GB bereits ein ("äußerst", sagte ich, was Du angezweifelt hast) stabiles Gleichgeweicht darstellten. Das Verlassen der Neutralität durch GB wahrte also nicht das Gleichgewicht, sondern gefährdete es. Nach Ansicht verschiedener Zeitzeugen, auch Briten, würde die neue britische Politik auf längere Sicht Krieg bedeuten.

Meiner Ansicht nach war das eben das Ziel des Flottenbaus,...
Das Ziel des Flottenbaus war, entweder GB zu einem Bündnis mit D zu veranlassen (was der Forderung nach der Neutralität GBs widerspricht), oder aber die kleineren Flottenmächte. Die Mutter aller Milchmädchenrechnungen, wie wir wissen.

Schon, aber das galt ja für alle Großmächte, dass es Interessengegensätze gab. GB hatte sich schließlich genauso wie das DR in China festgesetzt, trotzdem hat Japan sich mit ihnen verbündet. Deutschland hätte erst zu einem besseren Verhältnis mit GB kommen müssen, um bei Japan "landen" zu können, aber das die Japaner bereits "fest in die Entente eingebunden" waren sehe ich nicht.
D wollte Nordchina mit hauptsächlich der Halbinsel Shantung als Einflussgebiet. Die Gegend wäre für die Japaner die nächste logische Expansionsrichtung gewesen, nicht die englischen Einflusszonen Hongkong und Tibet. Das DR hätte sicher zum geeigneten Zeitpunkt sich um Japan bemühen können. Beispielsweise hätte es 1895 nicht im Konzert mit F und R Japan um die Beute aus dem Krieg mit China bringen müssen. Mein Gott, was geht Deutschland denn Korea an? (Oder Marokko...) Will D Japan als Verbündeten, muss es seinen Expansionismus fördern. Die betrügerischen Depeschen, die ja hier das eigentliche Threadthema sind, müssen nicht nur in St. Petersburg, sondern auch in Tokio den entsprechenden Eindruck erzeugt haben. Ab 1905 war also weder mit R noch mit J noch ein Bündnis für D möglich, und das meine ich mit "fest eingebunden". Die Japaner waren der festen Überzeugung, dass die Entente über den Ersten Weltkrieg hinaus hält. Aber auch sie hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Japan hatte Russland besiegt, aber dass die Russen die Niederlage auf Dauer nicht hinnehmen würden, war nicht ganz abwegig.
Es ist immer so: Du besiegst einen, dann ist Frieden, dann steht er wieder auf, und dann gibt es wieder Kriegsgefahr. Wenigstens in Westeuropa wurde nach 1945 begriffen, dass es so nicht weitergeht.

Naja, was heißt Feindbild? Russland hatte sich mit Frankreich, dem Erbfeind, verbündet. Es gab konkrete militärische Zusammenarbeit und Absprachen zum koordinierten Einfall in das Reich.
Zur allgemeinen Feindbildbeurteilung s.o. "Was wäre, wenn" spielen kann man m.e. nur auf der Basis, dass Deutschland sich 1895 Japan gegenüber anders verhalten hätte. Hätte Deutschland jetzt 1904/05 zugunsten Japans in den Krieg eingegriffen und wäre gegen Russland marschiert (die hitlersche Wunschvorstellung), wäre für Frankreich der Bündnisfall eingetreten. Möglicherweise wäre rein militärisch die Situation für Deutschland tatsächlich günstig gewesen, Frankreich hätte vielleicht nicht wirklich viel machen können. Das Eingreifen Frankreichs, an dem Punkt waren wir auch schon, hätte dann für Großbritannien den Bündnisfall ausgelöst, und es hätte gegen seinen Willen für Deutschland kämpfen müssen. Es ist nur so, dass Deutschland keinen Kriegsgrund hatte, und vor Verbündeten, Gegnern und Neutralen als opportunistischer Aggressor dagestanden hätte. Kein schönes Bild. Und die Welt dreht sich schließlich weiter, die Kräfteverhältnisse verschieben sich...

Per se, wäre den Deutschen ein Bündnis mit Russland sicher lieber gewesen als mit GB.
Nein, Deutschland wollte die "Politik der freien Hand" ausüben. Ich weiß ja nicht, was Du von einer Tussi hältst, die Dir sagt: "Du bist ein toller Typ, El Mercenario, und morgen finde ich jemand anderen toll!" D setzte sich damit jedenfalls zwischen alle Stühle. Ein Bündnis mit Russland hätte ich befürwortet, aus der Sicht des Nachgeborenen heraus, und aus dem Bewusstsein der bis heute rückständigen wirtschaftlichen Entwicklung weitester Teile Ost- und Südosteuropas, die in Folge einer deutsch-russischen Kooperation vor ca. 100 Jahren hätte anders verlaufen können.

Wie aus dem bisherigen Diskussionsverlauf deutlich geworden sein sollte, ist diese Aussage einfach zu undifferenziert. Die Entwicklungslinien der außenpolitischen Konstellation war komplizierter.
Sicher ist diese Aussage unangenehm undifferenziert, aber sie wird von einem Historiker getätigt, der kontinuierlich mehr Renomée erwirbt (auch z.B.mit aktuellen Veröffentlichungen). Der bisherige Diskussionsverlauf macht in dieser Frage eigentlich nur unterschiedliche Positionen von Dir und mir deutlich, was ich mir erlaube, unter "Interpretationsmöglichkeiten" einzusortieren.

Die Gespräche hierübe begannen bereits im Frühjahr... Lord Robertson hat später erklärt, das man das Thema hat einfach fallenlassen.
Vermutlich kann man hier der Literatur mit der Literatur um die Ohren hauen. Neitzel zitiert auch aus irgendwas, was seine Schlussfolgerungen stützt.

"Nehmen Sie an, die Japaner greifen Roji in der Kamranh-Bucht an,..."
Cam Ranh? Unangenehme Erinnerungen an 60+ Jahre später...

Lord Fisher:..."Wenn ja, kämpfen wir dann gegen Frankreich? Welche Aussichten für den deutschen Kaiser!"
Die Konstellation s.o. zu El Mercenario, nur dass Deutschland hier gar nichts zu machen braucht. Wäre sie eingetreten, Fisher wäre wohl von Bord seines Flaggschiffs gesprungen. Seine Haltung charakterisiert genau die allgemeine "antideutsche Haltung" lt. Neitzel in GB, gegen die auch opponiert wurde, die sich aber stets durchsetzen konnte.

Neitzel schreibt dies im Kontext der Julikrise und bezieht dies auf die im Mai 1914 stattgefundenen britischen-russsichen Flottengespräche in London, die widerum eine Folge der Liman-Sanders-Krise waren.
Flottengespräche im Mai, aber das Verhältnis soll sich seit der Liman-Sanders-Krise (im Januar) nicht erholt haben. Wortklauberei die zweite, Tschuldigung

Was er dabei nicht erwähnt, ist die gescheitere Mission Lord Haldanes, die Liman-Sanders-Krise und auch das erfolgreiche gemeinsam deutsch-britische Krisenmanagement der Balkankriege 1912/13. Dadurch wird diese Aussage Neitzels doch ein wenig relativiert.
Erwähnt Neitzel andernorts. Für ein verändertes deutsch-britisches Verhältnis ergaben sich daraus aber keine Grundlagen. Man muss unterscheiden zwischen einzelnen Eingriffen und der grundsätzlichen britischen Staatsräson. Letztere forderte ein Ablenken Russlands von Indien nach Südosteuropa, wo ein Zusammenstoß mit den Mittelmächten nicht gegen die britischen Interessen verstieß.


Grüße, Holger
 
HolgerXX schrieb:
Flottengespräche im Mai, aber das Verhältnis soll sich seit der Liman-Sanders-Krise (im Januar) nicht erholt haben. Wortklauberei die zweite, Tschuldigung

Bevor du so vorschnell urteilst, mach dich doch bitte erst einmal mit dem Komplex vertraut.

Vermutlich kann man hier der Literatur mit der Literatur um die Ohren hauen. Neitzel zitiert auch aus irgendwas, was seine Schlussfolgerungen stützt.

Ich denke, du weißt selbst, das solche Ausführungen einer Diskussion nicht eben befördern; eher das Gegenteil.

Und Neitzel schreibt mit seinem Werk bestenfalls eine oberflächliche Einführung in die jeweiligen Themen. Das ist bei dem geringen Umgang des Buches auch nicht anders zu leisten. Du kannst aber in solchen Werken keine erschöpfenden Auskünfte erwarten.

HolgerXX schrieb:
Erwähnt Neitzel andernorts. Für ein verändertes deutsch-britisches Verhältnis ergaben sich daraus aber keine Grundlagen. Man muss unterscheiden zwischen einzelnen Eingriffen und der grundsätzlichen britischen Staatsräson. Letztere forderte ein Ablenken Russlands von Indien nach Südosteuropa, wo ein Zusammenstoß mit den Mittelmächten nicht gegen die britischen Interessen verstieß.

Beispielsweise war Grey doch sehr darum bemüht, die Beziehungen zum Deutschen Reich zu verbessern. Ausgangspunkt war das gmeinsame Krisenmangement während der Balkankriege 1912/13. So schreib Austin Lee nach einem Besuch im Foreign Office beispielsweis an Bertie, Tyrell und Grey seien "now very Germano-phile." (1) Friedrich Kießling hat unlängst festgestellt, das gute Beziehungen Englands zum Deutschen Reich ein eigenständiges Ziel britscher Außenpolitik geworden war. (2) Grey wollte innerhalb der Tripleentente keine antideutsche Front schaffen oder den Deutschen vor dem Kof stoßen.(3)


(1) Lee an Bertie, 14.04.1914, Public Record Office, NL Bertie, FO 800/188

(2) Kießling, Entspannung, S.230

(3) Schröder, Die englisch-russische Marinekonvention, S.164f
 
Ich verweise auf meine frühere Behauptung, dass die Bündnisse ohne GB bereits ein ("äußerst", sagte ich, was Du angezweifelt hast) stabiles Gleichgeweicht darstellten. Das Verlassen der Neutralität durch GB wahrte also nicht das Gleichgewicht, sondern gefährdete es. Nach Ansicht verschiedener Zeitzeugen, auch Briten, würde die neue britische Politik auf längere Sicht Krieg bedeuten.
Aber das wurde von den maßgeblichen britischen Politikern nunmal anders gesehen. Diese waren der Ansicht, dass die Bündnisse kein stabiles Gleichgewicht darstellten und dass Deutschland a) fähig und b) willens war das Gleichgewicht umzustürzen. Das immer wiederholte Argument Greys für die Entente war ja, dass Frankreich sonst den Deutschen ausgeliefert wäre, dass GB die Niederwerfung Frankreichs nicht Zulassen könne. Was voraussetzt, dass das DR dazu in der Lage war und eben kein Gleichgewicht gegeben war.

Mich würde interessieren wie du zu der Einschätzung kommst, dass die gegnerischen Bündnisse Dreibund und Zweiverband in einem stabilen Gleichgewicht waren?

Das Ziel des Flottenbaus war, entweder GB zu einem Bündnis mit D zu veranlassen (was der Forderung nach der Neutralität GBs widerspricht), oder aber die kleineren Flottenmächte. Die Mutter aller Milchmädchenrechnungen, wie wir wissen.
Angeblich war das das Ziel. Sollten Leute von der Intelligenz eines Tirpitz oder der diplomatischen Erfahrung eines Bülow wirklich an diesen Schmarrn geglaubt haben? Spätestens die Reaktion GBs, hätte sie eines besseren belehren müssen.

Die betrügerischen Depeschen, die ja hier das eigentliche Threadthema sind, müssen nicht nur in St. Petersburg, sondern auch in Tokio den entsprechenden Eindruck erzeugt haben. Ab 1905 war also weder mit R noch mit J noch ein Bündnis für D möglich, und das meine ich mit "fest eingebunden".
Dass die "betrügerischen" Depeschen diesen Eindruck in Tokio erzeugt haben wäre dann aber zu belegen. Wenn ich mir die Liste anschaue:

- Rußland werde sich zurückhalten,
- die Krise nicht auf die Spitze treiben,
- wolle Japan nur einschüchtern,
- Japan habe deutsche Sympathien für ein forsches Vorgehen
- es werde keine englisch-russische Verständigung geben
- Rußland hoffe auf japanisches Nachgeben
- der Abbruch der Verhandlungen bedeute nicht zwingend Krieg
- Rußlands derzeitige Finanznot werde den Krieg verhindern
- Rußland sei besorgt über US- und britische Rückendeckung für Tokio


Sind aus meiner Sicht alle bis auf eine Aussage absolut korrekt. Von betrügerisch kann keine Rede sein. Und was der Kaiser gleichzeitig nach Russland depechiert hat, wussten die Japaner ja nicht.
Deutschland hat bis 1905 antijapanische Politik gemacht, aber das heißt nicht, dass ein 1905 vollzogener Wechsel zu projapanischer Politik nicht bis 1915 Früchte getragen hätte.
GB hat auch 1905 antirussische Politik betrieben und einen Wechsel bis 1914 vollzogen.

Das Eingreifen Frankreichs, an dem Punkt waren wir auch schon, hätte dann für Großbritannien den Bündnisfall ausgelöst, und es hätte gegen seinen Willen für Deutschland kämpfen müssen.
Kaum. Frankreich hätte natürlich Deutschland den Krieg erklärt, aber nicht Japan, um eben dieses zu verhindern. :)

Ein Bündnis mit Russland hätte ich befürwortet, aus der Sicht des Nachgeborenen heraus, und aus dem Bewusstsein der bis heute rückständigen wirtschaftlichen Entwicklung weitester Teile Ost- und Südosteuropas, die in Folge einer deutsch-russischen Kooperation vor ca. 100 Jahren hätte anders verlaufen können.
Aus Sicht des Nachgeborenen hätte ich Elsaß-Lothringen zurückgegeben und mich mit Frankreich verbündet. ;)

Du musst doch die Politik von anno dazumal, nach der Intention von damals beurteilen und nicht nach heutigen Kriterien. Die wirtschaftliche Situation der Slawen zu verbessern war nun gewisslich nicht die Absicht der Reichsleitung. Man wollte die (minderwertige Rasse der) Slawen unterbuttern, nicht ihre wirtschaftliche Entwicklung voranbringen. Im Gegenteil, die sollten schön rückständig bleiben.

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Beispielsweise war Grey doch sehr darum bemüht, die Beziehungen zum Deutschen Reich zu verbessern. Ausgangspunkt war das gmeinsame Krisenmangement während der Balkankriege 1912/13. So schreib Austin Lee nach einem Besuch im Foreign Office beispielsweise an Bertie, Tyrell und Grey seien "now very Germano-phile."
Das Grey pro-deutsch gewesen sei hat Lichnowsky (ich hoffe der schreibt sich so) auch behauptet. Mich hat das immer verwundert, denn seiner Politik nach war er das offensichtlich nicht.
Der grundsätzliche Ausgangspunkt seiner Außenpolitik war immer Frankreich gegen die Deutschen stark zu machen. Er war nicht antideutsch in dem Sinne, dass er den Konflikt jetzt explizit gesucht hätte, aber dass er sich da jetzt "sehr bemüht" hätte, kann ich nicht sehen.
Besonders seine Militärabsprachen, immer schön am Kabinett und am Parlament vorbei, finde ich sehr dubios. Erinnert an Bismarcksche Geheimdiplomatie, vorneherum macht man auf gut Freund und hintenrum hat man sich schon mit Gegenseite abgesprochen, wie man im Falle eines Falles gemeinsame Sache macht.
 
Das Grey pro-deutsch gewesen sei hat Lichnowsky (ich hoffe der schreibt sich so) auch behauptet. Mich hat das immer verwundert, denn seiner Politik nach war er das offensichtlich nicht.
Der grundsätzliche Ausgangspunkt seiner Außenpolitik war immer Frankreich gegen die Deutschen stark zu machen. Er war nicht antideutsch in dem Sinne, dass er den Konflikt jetzt explizit gesucht hätte, aber dass er sich da jetzt "sehr bemüht" hätte, kann ich nicht sehen.
Besonders seine Militärabsprachen, immer schön am Kabinett und am Parlament vorbei, finde ich sehr dubios. Erinnert an Bismarcksche Geheimdiplomatie, vorneherum macht man auf gut Freund und hintenrum hat man sich schon mit Gegenseite abgesprochen, wie man im Falle eines Falles gemeinsame Sache macht

Grey seine Einstellung unterlag der Wandlung und seine Bemühngen zum Deutschen Reich die Beziehungen zu verbessern, gingen auch nicht so weit, das er deswegen die Entente über Bord hätte werfen wollen. Aber und das ist auch wichtig, er wollte die Entente nicht als antideutsche Spitze eingesetzt wissen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das hatte ich ganz übersehen:
Die weitestgehende Räumung des Mittelmeeres durch die britische Flotte geschah m.e. nicht unter dem Zwang einer Bedrohung, sondern weil infolge der fortgeschrittenen Bündnissituation mit F Großbritannien sich schlicht diese Möglichkeit der Kräftekonzentration eröffnete.

Die Mutmaßung ist unzutreffend.

"The North Sea will be the decisive theatre of naval operations, and it is absolutely essential, that Great Britain should have complete freedom to concentrate such forces in that area as are necessary to defeat the enemy."
Halpern, Paul G.: The Mediterranean Naval Situation 1908-1914, Minute der Admirality: "Joint Action in the Mediterrenean", S. 107, 116.

Die Kräfteverhältnisse zur Hochseeflotte wurden monatlich geschätzt - 1911/13 war die für erforderlich gehaltene numerische Überlegenheit (die, siehe Jellicoe-Papers, auch auf die unterschiedlichen Kampf-Qualitäten der Schiffe gestützt wurde) kritisch und sank in einzelnen Monaten auf +15% statt der geforderten 50% (3:2) ab. Aus den Gründen wurde abgezogen bzw. auch der Verlegung für Herbstmanöver etc. widersprochen. Abzüge und kurzzeitige Zuteilungen für das Mittelmeer waren jeweils vom Kräftebild der deutschen Bedrohung geprägt. Dies ist umso beachtlicher, als die Franzosen numerisch zunehmend in Schwierigkeiten gegen ÖU/Italien gerieten und stetig drängender wieder ein verstärktes britisches Engagement anforderten.

turgot schrieb:
Aber und das ist auch wichtig, er wollte die Entente nicht antideutsche Spitze eingesetzt wissen.
Richtig, und seit der Intensivierung der Armeegespräche 1912 wurde darauf britischerseits in klaren Noten darauf hingewiesen, dass es keinen Automatismus gäbe; ausdrücklich müsse das Parlament den Kriegsfall sehen.

Das wurde auf frz. Seite zB bei den Kriegsplandiskussionen hartnäckig "überlesen", insbesondere beim Schwenk zum Offensivplan XVII, der diese diplomatische Grundlage völlig unberücksichtigt ließ, was intern kritisiert wurde.
Wilsberg, Klaus: Terrible ami - aimable ennemi - Kooperation und Konflikt in den deutsch-französischen Beziehungen 1911-1914
Schmidt, Stefan: Frankreichs Außenpolitik in der Julikrise 1914
 
Bevor du so vorschnell urteilst, mach dich doch bitte erst einmal mit dem Komplex vertraut.
Das ist wieder das übliche Abgekanzel. Mehr Informationen bedeuten nicht immer größere Sicherheit in den Schlussfolgerungen. "Schlechtes Verhältnis" einerseits, Flottengespräche andererseits sind ein Widerspruch, der eigentlich sogar Dir auffallen müsste.

Ich denke, du weißt selbst, das solche Ausführungen einer Diskussion nicht eben befördern; eher das Gegenteil.
Was dann passiert ist: zwei historische Werke nebeneinander, die ein und denselben Sachverhalt völlig unterschiedlich beurteilen. Der Nutzen für die Diskussion ist: jeder kann, und soll, sich sein eigenes Bild machen.

Und Neitzel schreibt mit seinem Werk bestenfalls eine oberflächliche Einführung in die jeweiligen Themen. Das ist bei dem geringen Umgang des Buches auch nicht anders zu leisten. Du kannst aber in solchen Werken keine erschöpfenden Auskünfte erwarten.
Nein, aber s.o. zu Informationen, wenn Neitzel nicht recht hätte, und aufgrund von mehr Detailkenntnis es Dir möglich wäre, ihn zumindest punktweise zu widerlegen, dann kannst Du das ja gerne machen. Oder wer immer das möchte. Die Schlussfolgerungen sind dann aber der Beurteilung hier im Forum ausgesetzt, und da können wieder ganz andere Einschätzungen erfolgen.

Beispielsweise war Grey doch sehr darum bemüht, die Beziehungen zum Deutschen Reich zu verbessern. Ausgangspunkt war das gmeinsame Krisenmangement während der Balkankriege 1912/13. So schreib Austin Lee nach einem Besuch im Foreign Office beispielsweis an Bertie, Tyrell und Grey seien "now very Germano-phile." (1) Friedrich Kießling hat unlängst festgestellt, das gute Beziehungen Englands zum Deutschen Reich ein eigenständiges Ziel britscher Außenpolitik geworden war. (2) Grey wollte innerhalb der Tripleentente keine antideutsche Front schaffen oder den Deutschen vor dem Kof stoßen.(3)
Grey war kein nationalistischer Hetzer, sondern britischer Außenminister. Seine Aufgabe war es, die britische Außenpolitik gemäß den Interessen des Empire mal in diese, mal in jene Richtung zu lenken. Die grobe Richtung seiner Politik wird nun mal von Autoren anders beurteilt, als Du das hier tust. Als ausgesprochen antideutsch eingestellt werden beispielsweise die Unterstaatssekretäre Crowe, Nicolson und Hardinge beurteilt. Und auch der als deutschfreundlich eingeschätzte Tyrell wird mit folgenden Worten zitiert (Neitzel S. 141, indirekte Rede), dass nach dem Erstarken des Zarenreiches ein ausreichend großes Gegengewicht zum Deutschen Reich vorhanden sei, so dass England nun wieder selbstbewusster und selbstständiger auftreten könne. Tyrell wird wohl gemeint haben, GB müsse seine Politik nun weniger an R orientieren. Man kann seine Worte aber auch ganz anders auffassen. Nämlich, dass GB jetzt erst recht in der Lage ist (Frühjahr 1914), sein Gewicht in die Waagschale zu werfen, zu der es gerade lustig zugeneigt ist.

Mich würde interessieren wie du zu der Einschätzung kommst, dass die gegnerischen Bündnisse Dreibund und Zweiverband in einem stabilen Gleichgewicht waren?
Liegt an meiner Literaturgläubigkeit. Wir können gern, soweit wir die Zeit aufwenden wollen, zum Erbsenzählen übergehen. Ich kann mir nur vorstellen, dass wir bei der Beurteilung des Kampfwertes bestimmter Einheiten bald wieder zu unterschiedlichen Ergebnissen und somit zu keiner Einigung kommen.

Angeblich war das das Ziel. Sollten Leute von der Intelligenz eines Tirpitz oder der diplomatischen Erfahrung eines Bülow wirklich an diesen Schmarrn geglaubt haben? Spätestens die Reaktion GBs, hätte sie eines besseren belehren müssen.
Ja, schon komisch.

Sind aus meiner Sicht alle bis auf eine Aussage absolut korrekt. Von betrügerisch kann keine Rede sein.
Warum macht Silesia dann diesen Thread auf? Wo ist das Problem? Es sieht doch so aus, dass das Reich vom R-J-Krieg profitieren wollte und sich dabei (und anderweitig) ordentlich ins Knie geschossen hat.

Und was der Kaiser gleichzeitig nach Russland depechiert hat, wussten die Japaner ja nicht.
Na ja, Wände haben Ohren...

Deutschland hat bis 1905 antijapanische Politik gemacht, aber das heißt nicht, dass ein 1905 vollzogener Wechsel zu projapanischer Politik nicht bis 1915 Früchte getragen hätte.
Denk doch mal japanisch. Was hätte Deutschland Japan bieten können, was ihm die Seemächte nicht geboten haben?

GB hat auch 1905 antirussische Politik betrieben und einen Wechsel bis 1914 vollzogen.
Der Witz dabei ist aber der Wechsel der russischen Politik.

Kaum. Frankreich hätte natürlich Deutschland den Krieg erklärt, aber nicht Japan, um eben dieses zu verhindern. :)
Noch ein Grund mehr für Deutschland, sich rauszuhalten.

Aus Sicht des Nachgeborenen hätte ich Elsaß-Lothringen zurückgegeben und mich mit Frankreich verbündet. ;)
Ich hätte Mischtkrätzerle und Edelzwicker NIE freiwillig rausgegeben! ;) Na schön, vielleicht für die Komoren. Komm jetzt nicht mit einer Karibikinsel, die hätten wir für Elsass-Lothringen NIE gekriegt!

Du musst doch die Politik von anno dazumal, nach der Intention von damals beurteilen und nicht nach heutigen Kriterien. Die wirtschaftliche Situation der Slawen zu verbessern war nun gewisslich nicht die Absicht der Reichsleitung. Man wollte die (minderwertige Rasse der) Slawen unterbuttern, nicht ihre wirtschaftliche Entwicklung voranbringen. Im Gegenteil, die sollten schön rückständig bleiben.
Wie rassistisch Deutschland damals war (oder die Welt überhaupt), würde ich gern anderweitig beurteilen. Das Gute am Feudalismus ist jedenfalls, und Monarchien hatten wir damals ja noch, dass es dem Fürsten weitgehend egal ist, was seine Untertanen für eine Sprache sprechen, Hauptsache, er hat genug davon. Unter diesen Prämissen, und unter der einer durch die fortschreitende Industrialisierung befeuerten Machtentwicklung, hätte ohne den Ersten Weltkrieg die geistig-wirtschaftliche Entwicklung Ost- und Südosteuropas jedenfalls ganz anders verlaufen können. Auch im Lichte der Balkankriege 1992-1995/1999 betrachtet, die wirtschaftliche Stagnation seit dem Ende der ideologischen Herrschaft des Kommunismus in diesem Gebiet mit eingerechnet, sollten sich die betroffenen Völker doch langsam mal fragen, ob ihr überkommener Nationalismus nicht ein Hauptgrund für ihre andauernde Misere ist.

Die Mutmaßung ist unzutreffend.

"The North Sea will be the decisive theatre of naval operations, and it is absolutely essential, that Great Britain should have complete freedom to concentrate such forces in that area as are necessary to defeat the enemy."
Halpern, Paul G.: The Mediterranean Naval Situation 1908-1914, Minute der Admirality: "Joint Action in the Mediterrenean", S. 107, 116.

Die Kräfteverhältnisse zur Hochseeflotte wurden monatlich geschätzt - 1911/13 war die für erforderlich gehaltene numerische Überlegenheit (die, siehe Jellicoe-Papers, auch auf die unterschiedlichen Kampf-Qualitäten der Schiffe gestützt wurde) kritisch und sank in einzelnen Monaten auf +15% statt der geforderten 50% (3:2) ab. Aus den Gründen wurde abgezogen bzw. auch der Verlegung für Herbstmanöver etc. widersprochen. Abzüge und kurzzeitige Zuteilungen für das Mittelmeer waren jeweils vom Kräftebild der deutschen Bedrohung geprägt.
Hihi. Ich behaupte mal, selbst eine angenommene Unterlegenheit von 50% der britischen gegenüber der deutschen Flotte hätte ausgreicht, um die deutsche Flotte davon abzuhalten, über die Nordsee zu dampfen und Truppen in Yorkshire oder wo zu landen, das Risiko wäre einfach zu groß gewesen. Aber darum geht es ja gerade nicht, sondern um "to defeat the enemy", also ein offensives Vorhaben. Im Klartext: Es geht bei diesen Überlegungen darum, der deutschen Flotte eine Niederlage beizubringen, nicht darum, britisches Staatsgebiet zu verteidigen.

Dies ist umso beachtlicher, als die Franzosen numerisch zunehmend in Schwierigkeiten gegen ÖU/Italien gerieten und stetig drängender wieder ein verstärktes britisches Engagement anforderten.
Was wieder meine Überlegungen stützt, dass man britischerseits die Konzentration von Kräften in der Nordsee vornehmen konnte - oder eben auch nicht, je nachdem, wie sich die Situation im Mittelmeer gestaltete oder welches Gewicht man auf die Nordsee legen wollte. Die Flottenrüstung im Mittelmeer wäre dabei eine eigene Überlegung wert, ebenso wie der sich schon länger abzeichnende Abfall Italiens vom Dreibund.

Silesia, ich hatte Dir PMs geschickt. Hast Du die gelesen?


Grüße, Holger
 
"Schlechtes Verhältnis" einerseits, Flottengespräche andererseits sind ein Widerspruch, der eigentlich sogar Dir auffallen müsste.
Das ist kein Widerspruch, sondern für die gleichzeitig auftretenden Perioden Haushaltszwang in Großbritannien bzw. fehlende Lust an der Ausgaben-Rüstungs-Schraube.

...zwei historische Werke nebeneinander, die ein und denselben Sachverhalt völlig unterschiedlich beurteilen. Der Nutzen für die Diskussion ist: jeder kann, und soll, sich sein eigenes Bild machen.
Bislang hast Du keine Widersprüche aufzeigen können; das einzige, was ich bislang bemerkt habe, sind Gegenüberstellungen lückenhafter Darstellungen mit Ergebnissen von Detailforschungen (die du allerdings nach mehrmaligem Bekunden nicht magst; ich vermute mal, wegen störender Ergebnisse)

Nein, aber s.o. zu Informationen, wenn Neitzel nicht recht hätte, und aufgrund von mehr Detailkenntnis es Dir möglich wäre, ihn zumindest punktweise zu widerlegen, dann kannst Du das ja gerne machen.
Stell mal Kernthesen von Neitzel aus dem Kurzabriß zusammen, die Dir wichtig sind. Alles Übrige ergibt sich dann.

Grey war kein nationalistischer Hetzer, sondern britischer Außenminister. Seine Aufgabe war es, die britische Außenpolitik gemäß den Interessen des Empire mal in diese, mal in jene Richtung zu lenken. Die grobe Richtung seiner Politik wird nun mal von Autoren anders beurteilt, als Du das hier tust.
Niemand bestreitet, dass Grey
a) britische Interessen sorgfältig vertreten hat
b) vom deutschem Militarismus und von aggressiver Expansionslust aufgrund Jahre zurückliegender Anschauung überzeugt war.

Als ausgesprochen antideutsch eingestellt werden beispielsweise die Unterstaatssekretäre Crowe, Nicolson und Hardinge beurteilt.
Die germanophobe Fraktion speziell im britischen AA ist bekannt. Ebenso germanophile Vertreter in der Regierung, hochrangige in Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Man machte übrigens sehr gute Geschäfte mit dem DR, Branchen lebten teilweise davon. Aber das sind Detailanalysen, die Dich aussagegemäß nicht interessieren; folglich erspare ich mir, auch Interventionen und Einflußnahmen aus der Richtung aufzuzählen.

Man kann seine Worte aber auch ganz anders auffassen. Nämlich, dass GB jetzt erst recht in der Lage ist (Frühjahr 1914), sein Gewicht in die Waagschale zu werfen, zu der es gerade lustig zugeneigt ist.
Das ist unhaltbar. 1914 war bis zur Julikrise die relevante strategische Furcht vor der absehbaren Rüstung Rußlands und dem Clash im Mittleren und Fernen Osten. Auf die erschöpfenden Monographien zu dieser Lage hatte ich schon mehrfach verwiesen.

Warum macht Silesia dann diesen Thread auf? Wo ist das Problem? Es sieht doch so aus, dass das Reich vom R-J-Krieg profitieren wollte und sich dabei (und anderweitig) ordentlich ins Knie geschossen hat.
Die Zielsetzung ist treffend wiederholt, soweit sich hierzu der Reichskanzler geäußert hat.

Denk doch mal japanisch. Was hätte Deutschland Japan bieten können, was ihm die Seemächte nicht geboten haben?
Dafür gibt es ein Thema: bitte dort anhängen.
http://www.geschichtsforum.de/f58/japan-und-das-deutsche-reich-23259/

Der Witz dabei ist aber der Wechsel der russischen Politik.
Nochmals: es gibt keinen Wechsel, sondern temporäre Schwerpunkte nach Gelegenheiten. 1914 war der Mittlere und Ferne Osten wieder auf dem Tablett und gleichgewichtig.

Das Gute am Feudalismus ist jedenfalls, und Monarchien hatten wir damals ja noch, dass es dem Fürsten weitgehend egal ist, was seine Untertanen für eine Sprache sprechen, Hauptsache, er hat genug davon.
Die Kaiserliche Armee in ihrem Charakter als potentielle Bürgerkriegsarmee steht dem entgegen, ebenso wie die Kriegskoppelung Frankreich mit Rußland (wegen der SPD), Außenpolitik und Wahlen, Heeresvermehrungsprobleme usw. usw. Als interessantes Detail ist hier auch innenpolitische und Sozialgeschichte zu empfehlen.

Hihi. Ich behaupte mal, selbst eine angenommene Unterlegenheit von 50% der britischen gegenüber der deutschen Flotte hätte ausgreicht, um die deutsche Flotte davon abzuhalten, über die Nordsee zu dampfen und Truppen in Yorkshire oder wo zu landen, das Risiko wäre einfach zu groß gewesen. Aber darum geht es ja gerade nicht, sondern um "to defeat the enemy", also ein offensives Vorhaben. Im Klartext: Es geht bei diesen Überlegungen darum, der deutschen Flotte eine Niederlage beizubringen, nicht darum, britisches Staatsgebiet zu verteidigen.
Die Auslassung zur Quote zeigt, dass Du Dich mit Konzeption und Planungen der Royal Navy nicht näher beschäftigt hast. :winke:

Deswegen lag oben die Betonung auf numerisch. Dass die konstruktiven Kampfwerte der deutschen battlewagons höher waren als die der direkten britischen Konkurrenten, ist an anderer Stelle diskutiert worden:
http://www.geschichtsforum.de/f62/v...agerrak-1916-a-31014/?highlight=hochseeflotte
http://www.geschichtsforum.de/f62/technische-berlegenheit-der-hochseeflotte-25918/

Was wieder meine Überlegungen stützt, dass man britischerseits die Konzentration von Kräften in der Nordsee vornehmen konnte - oder eben auch nicht, je nachdem, wie sich die Situation im Mittelmeer gestaltete oder welches Gewicht man auf die Nordsee legen wollte.
Ich kann gern bei der Übersetzung behilflich sein - die Prioritäten lagen genau anders herum. Was in der Nordsee britischerseits gebunden wurde, richtete sich nach deutschen Neubauten, Werftaufenthalten und Auslandsreisen.

Die Flottenrüstung im Mittelmeer wäre dabei eine eigene Überlegung wert, ebenso wie der sich schon länger abzeichnende Abfall Italiens vom Dreibund.
Das ist zu oberflächlich.
Zur Genese der Entwicklung von Neutralität zur Kriegserklärung Monticone, Alberto: Deutschland und die Neutralität Italiens 1914-1915, ansonsten Halpern zur ersten Frage. Welche Überlegung möchtest Du prüfen?



Silesia, ich hatte Dir PMs geschickt. Hast Du die gelesen?
Habe ich durch den Urlaub verkramt, schaue ich mir an.:winke:
 
Richtig, und seit der Intensivierung der Armeegespräche 1912 wurde darauf britischerseits in klaren Noten darauf hingewiesen, dass es keinen Automatismus gäbe; ausdrücklich müsse das Parlament den Kriegsfall sehen.
Aber dass Grey keine verbindliche Zusage geben konnte, weil er über das Parlament keine Kontrolle hatte, heißt doch nicht, dass er das nicht gewollt hätte. Was heißt denn das aber konkret "nicht als antideutsche Spitze sehen wollte" wenn man von unverbindlichen schönen Reden einmal absieht.
Hat Grey jemals irgendwelche Einschränkungen gemacht gegenüber Frankreich/Russland, dass die britische Unterstützung bei einer zu "antideutschen" Politik nicht erfolgen würde?

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Liegt an meiner Literaturgläubigkeit. Wir können gern, soweit wir die Zeit aufwenden wollen, zum Erbsenzählen übergehen. Ich kann mir nur vorstellen, dass wir bei der Beurteilung des Kampfwertes bestimmter Einheiten bald wieder zu unterschiedlichen Ergebnissen und somit zu keiner Einigung kommen.
Das ist aber keine Antwort. Welcher Historiker hat in welchem Buch mit welcher Begründung ein solches Gleichgewicht postuliert?
Ich gehe bei der Einschätzung einfach von den konkreten Gegebenheiten im 1. WK aus, die eben gezeigt haben, dass der Zweiverband gegen den Zweibund ohne GB keinerlei Chance gehabt hätte. Ergo kein Gleichgewicht.

Denk doch mal japanisch. Was hätte Deutschland Japan bieten können, was ihm die Seemächte nicht geboten haben?
Die Garantie der koreanischen Grenze gegen Russland. 100 kampfstarke Divisonen auf japanischer Seite im Falle eines japanisch-russischen Krieges.

Das Gute am Feudalismus ist jedenfalls, und Monarchien hatten wir damals ja noch, dass es dem Fürsten weitgehend egal ist, was seine Untertanen für eine Sprache sprechen, Hauptsache, er hat genug davon.
Im Mittelalter vielleicht, aber doch nicht mehr nach 1900. Wilhelm hat germanisiert und Nikolaus hat russifiziert, gerade der Zar hat die Unterdrückungsmaßnahmen gegen Nichtrussen nochmal deutlich verschärft. Die eroberten slawischen Gebiete sollten im 1. WK nicht ins Reich eingemeindet werden, sondern Kolonien oder Vasallenstaaten werden, als Untertanen waren die nicht vorgesehen. Osteuropa sollte nicht entwickelt, "genutzt" werden. Wilhelm der Zweite war kein Entwicklungshelfer sondern ein Imperialist.
Ich will nicht bestreiten, dass genannte Entwicklung aus unserer Sicht wünschenswert gewesen wäre, aber aus Sicht der damaligen Herrschaftseliten sicherlich nicht.

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denn außer dir konnte ich nicht registrieren, das es nennenswerte Differenzen zwischen den Urteilen, Deutungen, Interpretationen, Einschätzungen von @silesia, @El Mercenario und meiner Wenigkeit gab und gibt:
Doch die gibt es. Ich sehe z.B. durchaus eine Einkreisung des DR, ähnlich wie Holgerxxx und Grey auch nicht als prodeutsch. Vielleicht wäre es lohnend einen eigenen Thread um Auskreisung, Einkreisung und Eindämmung zu machen.
 
HolgerXX schrieb:
Das ist wieder das übliche Abgekanzel. Mehr Informationen bedeuten nicht immer größere Sicherheit in den Schlussfolgerungen. "Schlechtes Verhältnis" einerseits, Flottengespräche andererseits sind ein Widerspruch, der eigentlich sogar Dir auffallen müsste

Ich denke, du bringst da etwas durcheinander. Die Flottengespräche, sprich die Haldane Mission, fanden u.a. auf Druck des Unterhauses und auch der britischen Öffentlichkeit statt. Des Weiteren sollten sie die Möglichkeit ausloten, ob es möglich ist, zu einer Vereinbarung hinsichtlich des Flottenrüsten zu gelangen. Wenn dies möglich sein sollte, würde einer Verbessrung der Beziehungen zum Deutschen Reich nichts im Wege stehen. Diplomatische Beziehungen kann man nur verbessern, wenn man miteinander spricht.
Zum Thema Informationen. Es geht hier um Wissen, welches auf Quellen gründet und je größer dies nun einmal ist, desto sicherer ist das Fundament, auf welches geurteilt, interpretiert und gedeutet wird.


HolgerXX schrieb:
Was dann passiert ist: zwei historische Werke nebeneinander, die ein und denselben Sachverhalt völlig unterschiedlich beurteilen. Der Nutzen für die Diskussion ist: jeder kann, und soll, sich sein eigenes Bild machen.

Ich zitiere hier einmal @silesia, da ich es nicht treffender formulieren könnte:

silesia schrieb:
Bislang hast Du keine Widersprüche aufzeigen können; das einzige, was ich bislang bemerkt habe, sind Gegenüberstellungen lückenhafter Darstellungen mit Ergebnissen von Detailforschungen (die du allerdings nach mehrmaligem Bekunden nicht magst; ich vermute mal, wegen störender Ergebnisse)

HolgerXX schrieb:
Nein, aber s.o. zu Informationen, wenn Neitzel nicht recht hätte, und aufgrund von mehr Detailkenntnis es Dir möglich wäre, ihn zumindest punktweise zu widerlegen,......

Es geht gar nicht so sehr um das Widerlegen, sondern um das Ergänzen und dann besser einordnen und möglicherweise auch relativieren zu können. Gründe sind dir dafür schon genannt worden. Aber kurz noch einmal. Das Werk von Neitzel verfügt über lediglich 234 Seiten, keinen wissenschaftlichen Anmerkungsapparat, und kann somit wohl eben nicht erschöpfend Auskunft zu der damaligen außenpolitischen Großwetterlage geben. Ich denke, das Bändchen versteht sich auch als grobe Einführung in die Thematik. Wenn du also tiefer in die Materie eindringen möchtest, musst du schon auf andere, am besten gleich mehrere, Werke zum Thema zurückgreifen. Da führt kein Weg dran vorbei.


HolgerXX schrieb:
Grey war kein nationalistischer Hetzer, sondern britischer Außenminister. Seine Aufgabe war es, die britische Außenpolitik gemäß den Interessen des Empire mal in diese, mal in jene Richtung zu lenken.

Auch mir ist bekannt, das Grey britischer Außenminister war. Die Bewegründe Großbritanniens für die Gesprächsaufnahme mit dem Deutschen Reich habe ich in den vorherigen Beiträgen schon häufiger genannt und deshalb ist eine Wiederholung unnötig.


HolgerXX schrieb:
Die grobe Richtung seiner Politik wird nun mal von Autoren anders beurteilt, als Du das hier tust.Als ausgesprochen antideutsch eingestellt werden beispielsweise die Unterstaatssekretäre Crowe, Nicolson und Hardinge beurteilt.

Welche Autoren denn bitte? Und über welchem exakten Zeitpunkt sprechen wir hier? Das Grey seine Außenpolitik der Wandlung unterlag, der Interessenalge des Landes angepasst, wurde schon erwähnt, genauso auch die Gründe herfür .Das die von dir genannten Herren gegenüber dem Deutschen Reich nicht gerade positiv eingestellt waren, ist keine Neuigkeit. Aber sie bestimmten eben nicht die Außenpolitik Großbritanniens. Wir drehen uns hier im Kreise.
 
Zuletzt bearbeitet:
El Mercenario schrieb:
Aber dass Grey keine verbindliche Zusage geben konnte, weil er über das Parlament keine Kontrolle hatte, heißt doch nicht, dass er das nicht gewollt hätte. Was heißt denn das aber konkret "nicht als antideutsche Spitze sehen wollte" wenn man von unverbindlichen schönen Reden einmal absieht.
Hat Grey jemals irgendwelche Einschränkungen gemacht gegenüber Frankreich/Russland, dass die britische Unterstützung bei einer zu "antideutschen" Politik nicht erfolgen würde

Es geht doch nicht so sehr darum, was Grey wollte, sondern was er zu tun hatte. Es ist nicht zu bestreiten, das es durch die Zusammenarbeit während des 1.Balkankrieges zu einer Klimaverbesserung zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich gekommen ist. So hat Grey beispielsweise dem Zarenreich in der strittigen Frage eine Hafens an der Adria für Serbien die Unterstützung verweigert. Großbritannien agierte defensiv und im Gegenzug wirkte Deutschland mäßigend auf Österreich-Ungarn ein. Die Russen waren sicher nicht begeistert. Interessant ist auch der Befund, das man britischerseits in letzten beiden Jahren vor dem Weltkrieg die Flottenproblematik nicht mehr so sehr in dem Vordergrund rückte. Das wird schon aus der Begründung des wahrlich nicht geringen britischen Budgets für die Navy deutlich. Dort heisst es denn unter anderem, das gestiegene Löhne, höhere Materialkosten, neue Technologien und das Flottenbaufieber, welches die ganze Welt ergriffen habe, für die enorme Höhe des Budgets verantwortlich zeichnen. (1) Die unmittelbare Flottenrivalität mit dem Reich wurde also gar nicht mehr groß betont.
Goschen schrieb über die Überlegungen Greys:" That he (Bethmann) earnstly desires good relations with England is certain. and I have every hope that he is beginning to share the opinion of the grwoing number of his countymen woho realize that the two countries can be on perfectly good terms with each other and help oter in moments of international difficulty without any political or naval formula. (2)

Für das Deutsche Reich wäre schon viel gewonnen gewesen, wenn es künftig zu Großbritannien ein Beziehungen ohne Spannungen unterhalten hätte.


(1) Wormer, Großbritannien

(2) Public Record Office 800/365 Goschen an Nicholson v. 18.04.13
 
Das ist kein Widerspruch, sondern für die gleichzeitig auftretenden Perioden Haushaltszwang in Großbritannien bzw. fehlende Lust an der Ausgaben-Rüstungs-Schraube.
Ich denke, du bringst da etwas durcheinander. Die Flottengespräche, sprich die Haldane Mission, fanden u.a. auf Druck des Unterhauses und auch der britischen Öffentlichkeit statt. Des Weiteren sollten sie die Möglichkeit ausloten, ob es möglich ist, zu einer Vereinbarung hinsichtlich des Flottenrüsten zu gelangen. Wenn dies möglich sein sollte, würde einer Verbessrung der Beziehungen zum Deutschen Reich nichts im Wege stehen. Diplomatische Beziehungen kann man nur verbessern, wenn man miteinander spricht.
Zum Thema Informationen. Es geht hier um Wissen, welches auf Quellen gründet und je größer dies nun einmal ist, desto sicherer ist das Fundament, auf welches geurteilt, interpretiert und gedeutet wird.
Mal abgesehen davon, wer hier jetzt zuerst was durcheinander gebracht hat (einen eigenen Fehler kann ich nicht ausschließen): Es geht um den Widerspruch zwischen
a) dem angeblich schlechte britisch-russischen Verhältnis im Nachgang der Liman-Krise im Spätwinter 1914
b) den britisch-russischen Flottengesprächen zum Abschluss einer Marinekonvention im Frühjahr 1914
was mich zu der Schlussfolgerung veranlasst, sooo schlecht kann das Verhältnis ja nicht gewesen sein.
DEN Widerspruch müsstet Ihr
a) anhand Eurer logischen Fähigkeiten als solchen erkennen können und
b) ihn anhand Eurer detaillierten Literaturkenntnis aufklären können. Bisher bin ich mit Euren Aussagen nicht zufrieden.

Bislang hast Du keine Widersprüche aufzeigen können; das einzige, was ich bislang bemerkt habe, sind Gegenüberstellungen lückenhafter Darstellungen mit Ergebnissen von Detailforschungen (die du allerdings nach mehrmaligem Bekunden nicht magst; ich vermute mal, wegen störender Ergebnisse)
Es geht gar nicht so sehr um das Widerlegen, sondern um das Ergänzen und dann besser einordnen und möglicherweise auch relativieren zu können. Gründe sind dir dafür schon genannt worden. Aber kurz noch einmal. Das Werk von Neitzel verfügt über lediglich 234 Seiten, keinen wissenschaftlichen Anmerkungsapparat, und kann somit wohl eben nicht erschöpfend Auskunft zu der damaligen außenpolitischen Großwetterlage geben. Ich denke, das Bändchen versteht sich auch als grobe Einführung in die Thematik. Wenn du also tiefer in die Materie eindringen möchtest, musst du schon auf andere, am besten gleich mehrere, Werke zum Thema zurückgreifen. Da führt kein Weg dran vorbei.
Ich habe nicht die Zeit, ständig jede Menge neue Bücher zu lesen. Mich stören auch nicht irgendwelche störenden Ergebnisse. Ich kann meine Meinung durchaus ändern, wenn es soweit ist. Ich kann meine Meinung aber nicht ständig ändern, nur weil jemand anderer Meinung ist als ich. Ihr seid diejenigen, die meinen Aussagen widersprechen, ohne dass Ihr sie entscheidend widerlegt. Ihr habt doch die Detailkenntnis, warum gelingt es Euch nicht, mich zu überzeugen?

Stell mal Kernthesen von Neitzel aus dem Kurzabriß zusammen, die Dir wichtig sind. Alles Übrige ergibt sich dann.
Ah ja.

Niemand bestreitet, dass Grey
a) britische Interessen sorgfältig vertreten hat
b) vom deutschem Militarismus und von aggressiver Expansionslust aufgrund Jahre zurückliegender Anschauung überzeugt war.
Zumindest bestreitet Turgot, dass Grey in entscheidender Funktion seine Überzeugungen in Elemente einer Einkreisungspolitik gegen Deutschland gegossen hat.

Die germanophobe Fraktion speziell im britischen AA ist bekannt. Ebenso germanophile Vertreter in der Regierung, hochrangige in Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Man machte übrigens sehr gute Geschäfte mit dem DR, Branchen lebten teilweise davon. Aber das sind Detailanalysen, die Dich aussagegemäß nicht interessieren; folglich erspare ich mir, auch Interventionen und Einflußnahmen aus der Richtung aufzuzählen.
Die germanophobe Fraktion obsiegte, die germanophile unterlag, und daraus darf man Schlussfolgerungen auf die Haltung Großbritanniens insgesamt ziehen (auch wenn es Diskussionsteilnehmer gibt, die die Existenz eines "GB sui generis" bestreiten...;-))

Das ist unhaltbar. 1914 war bis zur Julikrise die relevante strategische Furcht vor der absehbaren Rüstung Rußlands und dem Clash im Mittleren und Fernen Osten. Auf die erschöpfenden Monographien zu dieser Lage hatte ich schon mehrfach verwiesen.
Unhaltbar oder nicht, es ist ein zeitgenössisches Zitat. Vielleicht ist es an der Zeit, hierzu einen eigenen Thread zu eröffnen.

...Japan hatte bereits 1902 eine Allianz mit Großbritannien gezeichnet, die Lage war zementiert.
Jede deutsche strategische Allianz mit Japan war deshalb nach den Ereignissen 1894-96 illusionär....
Den Standpunkt habe ich mit ähnlichen Worten gegenüber El Mercenario vertreten.

Ich kann gern bei der Übersetzung behilflich sein - die Prioritäten lagen genau anders herum. Was in der Nordsee britischerseits gebunden wurde, richtete sich nach deutschen Neubauten, Werftaufenthalten und Auslandsreisen.
Das reicht aber nicht, um objektiv eine Bedrohung zu konstruieren. Wie ich schon sagte, hätten dazu aggressive deutsche Pläne und Handlungen kommen müssen. So ist die "Bedrohungslage" eine politische Konstruktion der britischen Admiralität. Die deutsche Flotte war zum größeren Teil ein Repräsentationsinstrument, und das wussten die Briten.

Das ist zu oberflächlich.
Zur Genese der Entwicklung von Neutralität zur Kriegserklärung Monticone, Alberto: Deutschland und die Neutralität Italiens 1914-1915, ansonsten Halpern zur ersten Frage. Welche Überlegung möchtest Du prüfen?
Manchmal bin ich bewusst oberflächlich. Wir können nicht immer noch mehr Baustellen aufmachen, zumindest jetzt nicht. Ich habe noch nicht mal den "Seelöwe"-Thread richtig ausgewertet.

Das ist aber keine Antwort. Welcher Historiker hat in welchem Buch mit welcher Begründung ein solches Gleichgewicht postuliert?
Welche Autoren denn bitte? Und über welchem exakten Zeitpunkt sprechen wir hier?
Wenn der Silesia nicht bald mal meine PMs beantwortet, decke ich den Guten halt auf, auch wenn Ihr mich dann steinigt.

Ich gehe bei der Einschätzung einfach von den konkreten Gegebenheiten im 1. WK aus, die eben gezeigt haben, dass der Zweiverband gegen den Zweibund ohne GB keinerlei Chance gehabt hätte. Ergo kein Gleichgewicht.
Die Sichtweise ist nur für Nachgeborene nachvollziehbar. Für die Zeitgenossen herrschte ein Gleichgewicht der "2er", zumindest auf dem Papier (Silesia und Turgot könnten hier vielleicht widersprechen). Das selbiges geduldig ist, weiß ich auch.

Die Garantie der koreanischen Grenze gegen Russland. 100 kampfstarke Divisonen auf japanischer Seite im Falle eines japanisch-russischen Krieges.
Eine gewisse Sicherheit hatte Japan bereits durch GB und USA. Ein neuer russisch-japanischer Krieg war nach dem Frieden von 1905 und dem Ausgleich von 1907 in weiter Ferne. Dass Japan auf Deutschland nicht zählen konnte, (und das für Deutschland (mal wieder) dummerweise) geht aus dem von Silesia oben verlinkten Thread deutlich hervor.

Im Mittelalter vielleicht, aber doch nicht mehr nach 1900. Wilhelm hat germanisiert und Nikolaus hat russifiziert, gerade der Zar hat die Unterdrückungsmaßnahmen gegen Nichtrussen nochmal deutlich verschärft. Die eroberten slawischen Gebiete sollten im 1. WK nicht ins Reich eingemeindet werden, sondern Kolonien oder Vasallenstaaten werden, als Untertanen waren die nicht vorgesehen. Osteuropa sollte nicht entwickelt, "genutzt" werden. Wilhelm der Zweite war kein Entwicklungshelfer sondern ein Imperialist.
Ich will nicht bestreiten, dass genannte Entwicklung aus unserer Sicht wünschenswert gewesen wäre, aber aus Sicht der damaligen Herrschaftseliten sicherlich nicht.
Beide Herrscher hat diese Politik den Thron gekostet, den einen zusätzlich die Heimat, den anderen das Leben. Kontrafaktische Geschichtsschreibung muss immer irgendwo von der Realität abstrahieren. Ein Machtblock, in dem Russen, Deutsche, Polen, Ungarn, Tschechen, Finnen, um nur mal die prominentesten Nationen zu nennen, gemeinsam vertreten sind, muss nun mal grundsätzlich antinational ausgerichtet sein, auch wenn das die Phantasie der damaligen Herrschaftseliten überfordert hat.

Das Grey seine Außenpolitik der Wandlung unterlag, der Interessenalge des Landes angepasst, wurde schon erwähnt, genauso auch die Gründe herfür .Das die von dir genannten Herren gegenüber dem Deutschen Reich nicht gerade positiv eingestellt waren, ist keine Neuigkeit. Aber sie bestimmten eben nicht die Außenpolitik Großbritanniens. Wir drehen uns hier im Kreise.
Das Rotieren könnte ein Ende finden, wenn Du anerkennen würdest, dass u.a. die "genannten Herren" die britische Außenpolitik maßgeblich mitbestimmten, und zwar in eine Richtung, die wir ihnen beide zuschreiben.

Interessant ist auch der Befund, das man britischerseits in letzten beiden Jahren vor dem Weltkrieg die Flottenproblematik nicht mehr so sehr in dem Vordergrund rückte. Das wird schon aus der Begründung des wahrlich nicht geringen britischen Budgets für die Navy deutlich. Dort heisst es denn unter anderem, das gestiegene Löhne, höhere Materialkosten, neue Technologien und das Flottenbaufieber, welches die ganze Welt ergriffen habe, für die enorme Höhe des Budgets verantwortlich zeichnen. (1) Die unmittelbare Flottenrivalität mit dem Reich wurde also gar nicht mehr groß betont.
Goschen schrieb über die Überlegungen Greys:" That he (Bethmann) earnstly desires good relations with England is certain. and I have every hope that he is beginning to share the opinion of the grwoing number of his countymen woho realize that the two countries can be on perfectly good terms with each other and help oter in moments of international difficulty without any political or naval formula. (2)

Für das Deutsche Reich wäre schon viel gewonnen gewesen, wenn es künftig zu Großbritannien ein Beziehungen ohne Spannungen unterhalten hätte.
Und das sehe ich jetzt genau so. Dann kamen aber die Ereignisse des zweiten Vierteljahres 1914.

Grüße, Holger
 
HolgerXX schrieb:
Ich habe nicht die Zeit, ständig jede Menge neue Bücher zu lesen. Mich stören auch nicht irgendwelche störenden Ergebnisse. Ich kann meine Meinung durchaus ändern, wenn es soweit ist. Ich kann meine Meinung aber nicht ständig ändern, nur weil jemand anderer Meinung ist als ich. Ihr seid diejenigen, die meinen Aussagen widersprechen, ohne dass Ihr sie entscheidend widerlegt. Ihr habt doch die Detailkenntnis, warum gelingt es Euch nicht, mich zu überzeugen?

Mir ist sehr schleierhaft, wie du dann dir das Wissen aneignen möchtest, um in einer Diskussion wie dieser, die schon die Tiefen und Verästlungen der diplomatischen Geschichte von 1890-1914 eintaucht, entsprechend fundiert, also auf einer entsprechend abgesicherten Unterlage, mitdiskutieren willst. :confused:

So viel vorweg, bevor ich mich weiter äußere.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe nicht die Zeit, ständig jede Menge neue Bücher zu lesen. Mich stören auch nicht irgendwelche störenden Ergebnisse. Ich kann meine Meinung durchaus ändern, wenn es soweit ist. Ich kann meine Meinung aber nicht ständig ändern, nur weil jemand anderer Meinung ist als ich. Ihr seid diejenigen, die meinen Aussagen widersprechen, ohne dass Ihr sie entscheidend widerlegt.

Das ist ja eine interessante Aussage. Du bist nicht bereit jede Menge neuer Bücher zu lesen. Ist natürlich auch kein muss. Aber, die historische Forschung ist lebendig, es gibt immer wieder neue Erkenntnisse - daraus entstehen neue Bücher. Wenn man sich für ein Thema interessiert dann sollte man schon die neuste Forschungen lesen und kennen.

Ihr habt doch die Detailkenntnis, warum gelingt es Euch nicht, mich zu überzeugen?

Weil du dich wohl nicht überzeugen lassen willst.
 
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