In diesem Sinne waren germanische Helden, Gut und Böse, Hinterlist, edle Gesinnung, Nilbelungen Treue oder Kampf bis in den Untergang die kulturelle Botschaft der Kunst eines Wagners.
insgesamt stimme ich dir zu, d.h. was den Tenor deines Beitrags betrifft :yes:
im Detail aber ergeben sich ein paar Fragen:
1. was ist an dramatischen Bühnenkonstellationen mit Helden, gerne auch germanischen Helden*, welche Gut und Böse**), edle Gesinnung (des Helden, wo sonst) und Hinterlist***) enthalten, verdächtig?
2. die als tragisch aufbereitete Situation des selbstgewählten bzw. bewußten heroischen Untergangs, kennt man die nicht schon aus der antiken Literatur?
3. wo findet sich speziell - du verwendest die Wortzusammenstellung - auf Wagners Opernbühne bzw. in seinen Operntextbüchern (Lbretti) die
Nibelungentreue?? Speziell hier wäre ich für einen Hinweis dankbar, denn mir ist die ominöse
Nibelungentreue samt ihrer späteren Konnotationen bislang nirgendwo in Wagners Musikdramen aufgefallen (auch nicht im Ring des Nibelungen)
Rezeptionshistorische Angelegenheiten wie "Beethoven, der einsam trutzige Titan" oder "Mozart, der Götterliebling" und gar "Chopin, der androgyne Klaviersylphe der Romantik" sind primär Phänomene der Wahrnehmung seitens der
Rezipienten - und die können, auch wo sie bewundern, gewaltig irren. Dennoch haben solche
Bilder von den verschiedenen Künstlern ihren Platz in der Rezeptionsgeschichte - freilich kritisch betrachtet kann man wissen, dass es einerseits faktisch immer den virtuosen akribischen Konstrukteur Chopin gab und gibt und parallel dazu in erstaunlicherweise populär gewordenen Bildern (welche bei weitem nicht von den damaligen Kennern wie Liszt oder Saint-Saens herrühren!) den melancholisch-sanften Klavierlyriker Chopin: letzterer ist eine rezeptionshistorische Projektion, ersterer ist faktisch. Ich führe das an, weil es nicht anders um die Musik von Wagner bestellt ist: auch da gibt es auf der einen Seite die musikhistorischen bzw. musikologischen Fakten, auf der anderen Seite diverse Bilder bzw. Projektionen. Zum Beispiel der von dir genannte Heroismus und Gigantismus: das ist typisches 19. Jh.!! Das ist nichts "wagnerspezifisches" oder "wagnertypisches". Das gewaltige Wagnerorchester ist eine Erfindung von Hector Berlioz (Sinfonie fantastique, Instrumentationslehre, Martyrium, Trojaner u.a. Werke) und Liszt (Les Preludes, Dantesinfonie, heilige Elisabeth) und sowohl
monumentale Klangorgien als auch patriotische Gefühlsaufwallung finden sich bei vielen Komponisten der zweiten Hälfte des 19. Jhs. (Brahms 1. Sinfonie beispielsweise, Verdi Aida u.a.) -- mag sein, dass Wagners Orchesterbehandlung bzgl. des großen spätromantischen Orchesterapparats besonders gelungen ist (wie bei Bruckner, Tschaikowski und Verdi ebenfalls!!!), aber das bietet keine Grundlage dafür, die inkrimierten Begriffe Gigantismus, Patriotismus und Monumentalismus allein Wagner anzulasten. Die spätromantische Musik ist nun mal, egal ob auf deutschen, russischen, italienischen oder französischen Opernbühnen voll von solcher Musik - mal gelungen, mal weniger gelungen. ==> die Konsequenz aus dieser Darstellung: wenn irgendwelche Nazis Wagner geschätzt haben und als emotionalen Ideenliferanten nannten, dann nicht, weil dergleichen genuin in Wagners Opern drin steckt (oder gar deren Mission ist), sondern weil sie Wagners Werk als Projektionfläche
missbrauchten (!) Man sieht das ja sehr schön an Verwendungen (Liszt statt Wagner in der Wochenschau) und Aufführungszahlen (im Dritten Reich wurde weitaus häufiger Johann Strauß als Wagner aufgeführt)... Die Stilisierung und Instrumentalisierung Wagners als quasi "Kulturstandarte" des Dritten Reichs ist eine Projektion von außen in das Werk Wagners!
Insofern ist rezeptionsgeschichtlich der wirre Unsinn, den Hitler zu Wagner mitteilte (horribile dictu: er mochte das schwache Frühwerk
Rienzi am meisten, mit Tristan oder Parsifal konnte er nicht so viel anfangen...), bestenfalls für eine Biografie Hitlers interessant, sagt aber absolut nichts sachlich sinnvolles zum Werk Wagners aus.
ok
ich bin mir recht sicher, dass wir da nicht weit auseinander liegen - mir war gerade danach, das noch ein wenig zu präzisieren.
______________
*) solche finden wir z.B. sehr pathetisch bei Hebbel und Kleist, zwei doch ansonsten "unverdächtigen" Literaten, des weiteren bei Fouque, Freytag u.a.
**) finden wir explizit in Goethes Faust
***) Schiller, Kabale und Liebe