Reste des Heidentums in der Folklore

Von mir aus kannst du gerne an den heidnischen Ursprung glauben.

Ich lese hier in einem alten Werk zur Volkskunde:

"Besxonders kennzeichnend für unser Land sind zu Ostern die hell vor jedem Dorf lodernden Osterfeuer, die aus heidnischer Zeit überkommen sind und die Auferstehung der Natur, das Heranbrechen des Frühlings begrüßen. Sie verschmolzen mit dem christlichen Auferstehungsfest und wurden von der Kirche selbst übernommen als Symbol des neuen Lichts, welches sich über die Völker ergießt." (Richard Andree, Braunschweiger Volkskunde, Braunschweig 1901, S. 336)

Einen handfesten Nachweis gibt es weder für einen christlichen noch einen heidnischen Ursprung der Osterfeuer und der Johannisfeuer- und räder, die mit der Sommersonnenwende in Veerbinding stehen. Allerdings scheinen Kultfeuer eine lange Tradition zu haben, die weit in heidnische Zeiten zurückreicht.
 
Wofür genau soll der Name Ostern ein Indiz sein?

Naja, von den drei von dir zitierten Hypothesen stehen zwei in keinem christlichen Zusammenhang, und auch die, die das mit der Taufe in Verbindung bringt, hat nicht direkt etwas mit der Bedeutung zu tun, die das Osterfest im Christentum hat. ;)

Dass der Name sich nicht vom Pessach-Fest herleitet, oder von einer "Großen Nacht" bzw einem "Großen Tag", was als wichtigster Feiertag im christlichen Kalender auch Sinn ergibt, kann man mE durchaus als Indiz dafür sehen, dass hier auf ältere Vorstellungen bzw Namen zurückgegriffen wurde. Auch wenn Dieter natürlich recht hat, dass es sich nicht nachweisen lässt (daher Indiz), weder eine christliche Wortschöpfung noch eine vor-christliche.
 
Dass heidnische Vorstellungen und Traditionen vom Christentum adaptiert wurden, kann m.E. nicht abgestritten werden - schon alleine deshalb nicht, wenn man den Einfluss des Hellenismus auf das Frühchristentum berücksichtigt. Beispielsweise deutet vieles daraufhin hin, dass das Datum des Weihnachtsfestes resp. das Geburtsdatum von Jesus von der "Kirche" ganz bewusst auf den Dezember gelegt wurde, und zwar nicht wegen allfälligen keltischen und germanischen Sonnenwendefeiern, sondern aufgrund des Geburtagsfestes des römischen "Sol Invictus" im frühen 4. Jahrhundert. Voher galt der Mai als Geburtsmonat von Jesus, wobei zu bemerken ist, dass für die Frühchristen das Geburtsdatum Christus' offenbar sowieso unerheblich war. Von Wichtigkeit war ausschliesslich das Todesdatum (im orthodoxen Griechenland war die Bedeutung von Weihnacht im Vergleich zu Ostern bis in die Moderne höchst marginal).

Eine wesentliche Problematik bei der Suche nach Resten des Heidentums in der Folklore ist auch, dass sich meist nicht unterscheiden lässt, ob es sich bei einer in kirchlichem Sinn fragwürdigen Tradition tatsächlich um ein Relikt aus vorchristlicher Zeit oder um eine originäre Erfindung des Mittelalters handelt. Denn auch die christliche Volksfrömmigkeit des Mittelalters produzierte Traditionen, welche von heutigem Standpunkt aus als "heidnisch" interpretiert werden müssen. Das von der Kirche vehement kritisierte Narrenfest beispielweise war kurioserweise ursprünglich eine kirchliche Tradition.

Die Schwierigkeiten bei der Beurteilung von christlich/heindnischen Ursprüngen lassen sich gut am Beispiel des Themenkomplexes Fasnacht/Karneval demonstrieren. Mir fallen auf Anhieb fünf Thesen zum Ursprung (christlich, heidnisch, beides) ein, welche allesamt recht schlüssig und mit nachvollziehbaren Indizien belegt sind.
 
Naja, von den drei von dir zitierten Hypothesen
... gilt eine als überholt, die zwei anderen lassen sich sehr gut mit christlichen Vorstellungen verbinden (eine davon sogar ausschließlich mit christlichen Vorstellungen...)

Dass eine davon theologisch "nicht korrekt" ist, hat nichts zu bedeuten. Die Bezeichnung des Feiertags "Dreikönig" ist theologisch auch nicht korrekt und trotzdem kein Indiz für eine Übernahme vorchristlicher Vorstellungen.

auch die, die das mit der Taufe in Verbindung bringt, hat nicht direkt etwas mit der Bedeutung zu tun, die das Osterfest im Christentum hat.
Was heißt "nicht direkt?"
Die Osternacht ist seit alters her der Tauftermin schlechthin.


Dass der Name sich nicht vom Pessach-Fest herleitet, oder von einer "Großen Nacht" bzw einem "Großen Tag", was als wichtigster Feiertag im christlichen Kalender auch Sinn ergibt, kann man mE durchaus als Indiz dafür sehen, dass hier auf ältere Vorstellungen bzw Namen zurückgegriffen wurde.
Und was genau ist hier das Indiz?
Die Schweden (Påsk), Norweger (Påske), Niederländer (Pasen) haben die Bezeichnung vom jüdischen Pessach-Fest übernommen, die Deutschen und Engländer nicht - was soll uns das nun sagen?




 
Voher galt der Mai als Geburtsmonat von Jesus
Oder der April:
Einen Beweis dafür, dass die Vorstellung von Christi Geburt am 14. Nisan zeitweilig weit verbreitet war, liefert der Osterkanon des Hippolyt, die älteste Ostertabelle, die, da in Stein gehauen, unverfälscht bis in die Gegenwart überkommen ist. Diese Tabelle umfasst einen Zeitraum von 112 Jahren, beginnend mit dem Jahre 222 nach Christus. Beim Jahre 223 ist für den 14. Nisan, der Luna XIV paschalis der Christen, angegeben: Mittwoch, 2. April, mit dem Zusatz "genesis Christi". 30 Jahre später, beim Jahr 253 steht vermerkt: Freitag, 25. März, mit dem Zusatz "passio Christi". Dass mit "genesis Christi" eindeutig der Tag der Geburt und nicht der Tag der Empfängnis gemeint ist, ist inzwischen unbestritten.
Das Datum des Weihnachtsfestes

Bin aber für alles offen... :D

http://www.geschichtsforum.de/709216-post15.html



Beispielsweise deutet vieles daraufhin hin, dass das Datum des Weihnachtsfestes resp. das Geburtsdatum von Jesus von der "Kirche" ganz bewusst auf den Dezember gelegt wurde, und zwar nicht wegen allfälligen keltischen und germanischen Sonnenwendefeiern, sondern aufgrund des Geburtagsfestes des römischen "Sol Invictus" im frühen 4. Jahrhundert.

Das wäre eventuell auch zu hinterfragen.
http://www.geschichtsforum.de/709288-post56.html
Siehe insbesondere:
http://www.geschichtsforum.de/386140-post384.html
 
Allerdings scheinen Kultfeuer eine lange Tradition zu haben, die weit in heidnische Zeiten zurückreicht.
Dazu noch zwei Beispiele:

a) Im Wunder-Meyer wird unterm Stichwort »Osterfeuer« (Abt. 2, Bd. 1, S. 957) vermerkt: »Sie schreiben sich wahrscheinlich aus dem altdeutschen Kultus der Göttin Ostera her.« Die Bereitschaft, an die Existenz eines solchen Kults zu glauben, war durchaus vorhanden [2], aber ein Nachweis gelang bisher nicht.

b) Im Zedler steht beim Stichwort »Nedfyr, Nedfry, Nidfyr oder Niedfyr und Nodfyr« [3], in Sachsen wäre »in älteren Zeiten ... die beliebte Göttin Astarte oder Ostar verehret worden«, u.a. durch das Anzünden des Osterfeuers am Osterabend.

Möglicherweise stand die »Ceremonie« zunächst im Dienste der Schadenabwehr: Wenn »entweder viel Raupen, oder Geschmeiß, oder ein Viehsterben war«, machte man ein Feuer auf folgende Art: Sie »nahmen einen Zaun-Pfahl, schlugen Stricke um denselben und zogen sie so lange hin und her, bis er von der Hitze selbst zu brennen anfieng, wozu sie hernach ander Holtz, Stroh oder ander leichtlich Feuerfangende Materialien legten...«
Diese »heydnische Gewohnheit« wurde verboten »auf dem im Jahr 742 gehaltenen ersten Deutschen Concilio zu Regenspurg«, ist aber »an den mehresten Orten Deutschlandes in ständigem Gebrauche geblieben«, und zwar eben auch zu Ostern.

Die Kirche selbst, so steht im Meyer, sorgte später für eine »Illumination am Osterfeste«, so dass der Gedanke naheliegt, dass das Verbot der »heydnischen« Sitte auch oder zuvörderst auf die Beseitigung einer ›konkurrierenden Veranstaltung‹ abzielte.

[1] Das große Conversations-Lexicon für die gebildeten Stände..., Abt. 2, Bd. 1, S. 957
[2] Siehe auch Karl Barth: Die altteutsche Religion, Leipzig 1835, S. 116 ff., der eine Verbindung zur »Erdmutter« namens »Hertha« für plausibel hält.
[3] Großes vollständiges Universal-Lexicon..., Bd. 23, Sp. 1548 f. [S. 791]
 
... und zwar nicht wegen allfälligen keltischen und germanischen Sonnenwendefeiern, sondern aufgrund des Geburtagsfestes des römischen "Sol Invictus" im frühen 4. Jahrhundert.

Die Sonnenwendfeiern (Mitsommer, Johannisfeuer) reichen sicher weit in heidnische Zeiten zurück. Der Tag der Sommersonnenwende hatte einen festen Platz in der germanischen, keltischen und slawischen Religion, vermutlich noch bei vielen anderen Völkern und Kulturen.

In Stonehenge ist die hufeisenförmige Steinsetzung aus fünf Trilithen innerhalb des Steinkreises und die 500 m lange Prozessionstraße auf den nördlichsten Aufgangsort der Sonne am Tag der Sommersonnenwende ausgerichtet.
 
'Ostern' als Begriff ist angelsächsischen Ursprungs und taucht in Mitteleuropa im Umfeld des Bonifatius auf. Gegen den hiesigen Begriff Pasche oder Paschen setzte er sich erst im Lauf des Mittelalters durch. Damit ist aus dem Begriff Ostern nichts zur Herkunft Deutscher Osterbräuche abzuleiten.

Zuerst wird 'Eostra' bei Beda Venerabilis, De temporzm ratione 15 genannt. Er behauptet, dass das auf den Namen einer Göttin zurückgeht.

Die Diskussion dazu gehört zu den Tiefpunkten der Historischen Wissenschaften. Da wird gemeint, er habe die Göttin erfunden! Oder es habe die Göttin geben müssen, weil ein solcher Betrug nicht im Sinne Bedas wäre! Schön naiv das Ganze. Jedenfalls in der Reinform. Die Vorstellung, dass Beda einen Fehler macht, wird teils geradezu negiert. Die Nazis haben bekanntlich auch mitgemischt. Von wegen Germanischem Frühlingsfest.

Schauen wir uns Beda genauer an, weißt er auf den Monatsnamen 'Eosturmanoth' für den April hin. (Der Begriff Ostermond soll im Frankenreich durch Karl den Großen eingeführt sein, als heimisch gelten Laumond, Wandelmonat, Grasmond. Also wieder nichts mit einheimischem Heidentum für den Begriff 'Ostern')

Bei der ethnologischen Deutung müssen wir auch nicht rätseln: Morgenröte, Osten wie bei den Ostrogoten. Das ist doch nun wirklich nicht so unsicher, wie behauptet. (Die Bedeutung Feuer oder Licht von Osterbräuchen abzuleiten ist anachronistisch und führt zu einem Zirkelschluß.)

Der Name war damit schon mal passend für den Frühlingsmonat. Heidnisch mag er zur Tag- und Nacht gleiche begonnen haben. Aufgrund der Wortbedeutung ist eine evt. göttliche Personifikation der Naturerscheinungen sekundär. Und Beda wird auch einiges am Heidentum missverstanden haben.

Aber es zeigt auch, dass der Beginn des Frühlings bei den Angelsachsen auf das Osterfest verschoben wurde. Wie dieses selbst ja auch verschoben wurde. Da diese Terminierung aber eindeutig christlichen Hintergrund hat, wie auch das Fest selbst als höchstes christliches Fest sicher auf dem Boden des Christentums steht, ja gerade mit der Auferstehung den zentralen Inhalt feiert, ist mehr als die Übernahme des Namens unwahrscheinlich. Es mag damit in England auch dazu gedient haben, evt. Feiern zu Frühlingsbeginn zu verdrängen, da sie in die Fastenzeit fielen.

Eine Beobachtung, nun wieder zum Thema heidnischer Bräuche:

Schauen wir auf heimische Feuerbräuche fallen noch die Maifeuer in der Walpurgisnacht auf. Auch wenn der Tag nach einer christlichen Heiligen benannt ist, ist der nichtchristliche Ursprung kaum bestritten. Ob mittelalterlicher/frühneuzeitlicher Aberglaube oder Reste des Heidentums wage ich nicht zu entscheiden. Sollte es heidnisch sein, wären zwei Feuerfeste im Frühjahr auszuschließen. Die Osterfeuer hätten dann dem Heidentum unter christlichen Vorzeichen den Baum- und Strauchschnitt aus dem späten Winter und zeitigen Frühjahr abgegraben. Vorausgesetzt ein heidnischer Ursprung ist hier realistisch.

(Die Entwicklung von den Notfeuern/Nidfyr zum Johannisfeuer ist wohl historisch zu verfolgen, habe da jetzt aber nur bei Wikipedia gespickt.)
 
Bei der ethnologischen Deutung müssen wir auch nicht rätseln: Morgenröte, Osten wie bei den Ostrogoten. Das ist doch nun wirklich nicht so unsicher, wie behauptet.

Das sehen die Profi-Etymologen (Ich nehme an, Du meinst nicht "Ethnologen") allerdings nicht so.

Zur Annahme, die "Ostrogoten" seien ganz einfach "Ostgoten", und die "Wisigoten" seien ganz einfach "Westgoten", passt Dein Kommentar:
Schön naiv das Ganze.
Gleichermaßen ist es mit den "West-Goten", deren Völkername wie der der "Ost-Goten" ursprünglich einfach, aber unwissend auf die Himmelsrichtungen West und Ost zurückgeführt wurde. Schon relativ früh setzten Zweifel an dieser Deutung ein.
https://books.google.de/books?id=U4...ODGAQ6AEIJzAA#v=onepage&q=austrogoten&f=false


Die Deutung der Wisigoten als "echte Goten" und die Austrogoten als "Taufgoten" stammt ja nun nicht aus der Bastelecke der Hobby-Etymologen.
 
Da diese Terminierung aber eindeutig christlichen Hintergrund hat, wie auch das Fest selbst als höchstes christliches Fest sicher auf dem Boden des Christentums steht, ja gerade mit der Auferstehung den zentralen Inhalt feiert, ist mehr als die Übernahme des Namens unwahrscheinlich.

Um das klar zu stellen: Um viel mehr als den Namen ging es mir auch nie. Evtl noch die Frage, was für ein Name da übernommen wurde: Der eines (schon vorher bestehenden) Festes, hätte ich vermutet. Über i-welche Inhalte oder Bräuche hab ich nichts gesagt, das steht in den Sternen, aber vermutlich nicht in i-welchen glaubwürdigen Quellen, sonst gäb es die ganzen Spekulationen ja nicht.

Wobei die allgemeine inhaltliche Nähe zwischen "Frühling" und "Auferstehung" natürlich einen fruchtbaren Boden für Spekulationen aller Art bietet...
 

Es freut mich, dass deine diesbezügliche Flexibilität auch den Mai umfasst. Die Mai-Variante stammt aus dem Brief der spanischen oder südfranzösischen Pilgerin Aetheria aus dem 4. Jahrhundert, in welchem berichtet wird, dass das Geburtsfest von Jeusus in Betlehem im Mai abgehalten worden sei.


Ich habe die Links kurz durchgelesen und finde (obwohl meine Kenntnisse über Antike und Spätantike höchst beschränkt sind) nicht wirklich eine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass das Geburtsdatum von Jesu auf Sol Invictus gelegt wurde. Jedenfalls ist es verdächtigt, dass Jesus' Geburtsdatum, das vorher offenbar die Frühchristen nicht wirklich interessiert hat (März, April, Mai) ausgerechnet am Ende der Ära Konstantins, also zu einem Zeitpunkt, als das Christentum an "staatspolitischer" Bedeutung zulegte, auf den Dezember verlegt wurde - und ausgerechnet noch auf den Tag der Sonnenwende. Ein Religionsgründer, dessen Lehre im Begriff war, für das römische Imperium von machtpolitischer Bedeutung zu werden, konnte natürlich nicht irgendwann geboren worden sein, sondern musste an einem religiös-symbolisch aufgeladenen Termin wie die Sonnenwende das Licht der Welt erblickt haben. Das ganze liegt eigentlich auf der Hand und erscheint mir alles andere als abwegig. Auch dann nicht, wenn man berücksichtigt, dass Sol Invictus ein Abklatsch des Mithras-Kultes war und in Rom keine lange Tradition hatte. Zu Cäsars Zeiten hatte meines Wissens die Sonnenwende in Rom noch keine religiöse Bedeutung.

Die Verbindung zwischen dem Datum von Sol Invictus und der Festlegung von Christi Geburtsjahr ist m.E. derart offensichtlich, dass Erklärungen, welche dies zu widerlegen versuchen, für mich spitzfindigen Charakter haben.

Wikipedia zitiert einen "unkebannten" christl. Autor (Syrischer Scholiast des Dionysius = CIL 1, S. 338), welcher geschrieben haben soll:

Die Heiden pflegen nämlich am 25. Dezember das Fest des Geburtstages der Sonne zu feiern und zu ihren Ehren Lichter zu entzünden. Zu diesen Riten luden sie oft auch Christen ein. Da nun die Lehrer der Kirche sahen, dass sich viele Christen zur Teilnahme an diesen Festen verleiten ließen, beschlossen sie, fortan am selben Tag das Fest der wahren Geburt zu begehen.

Wie gesagt, meine Kenntnisse der Antike und Spätantike, insbesondere über Rom, sind völllig mangelhaft, weshalb ich diese Quelle nicht einordnen kann. Sollte man diese Ernst nehmen können, würde es jedenfalls die These einer Verbindung zwischen Weihnachtsfest und Sol Invictus erhärten. Und dies in einer völlig undramtischer Art und Weise - hervorgegangen aus rein praktischen Erwägungen.
 
Wikipedia zitiert einen "unkebannten" christl. Autor (Syrischer Scholiast des Dionysius = CIL 1, S. 338), welcher geschrieben haben soll:

Die Heiden pflegen nämlich am 25. Dezember das Fest des Geburtstages der Sonne zu feiern und zu ihren Ehren Lichter zu entzünden. Zu diesen Riten luden sie oft auch Christen ein. Da nun die Lehrer der Kirche sahen, dass sich viele Christen zur Teilnahme an diesen Festen verleiten ließen, beschlossen sie, fortan am selben Tag das Fest der wahren Geburt zu begehen.

Wie gesagt, meine Kenntnisse der Antike und Spätantike, insbesondere über Rom, sind völllig mangelhaft, weshalb ich diese Quelle nicht einordnen kann.

Hier ist die Quelle, auf die sich CIL 1, S. 338 bezieht:
339 [164] - Caput XXXII. Dionysius Jacobus Barsalibi, Episcopus Amidae - Seite - Home

Der gemeinte Dionysius bar Salibi schrieb im 12. Jahrhundert (der unbekannte Scholiast also noch später).
Das sind 800 Jahre nach dem von Förster zitierten Maximus von Turin.

Mit dem Scholiasten des Dionysius lässt sich eine Quelle des 4. Jahrhunderts wohl kaum widerlegen.


Auch dann nicht, wenn man berücksichtigt, dass Sol Invictus ein Abklatsch des Mithras-Kultes war und in Rom keine lange Tradition hatte.
Der Hinweis auf Mithras bringt in diesem Zusammenhang nichts, denn ein Mithras-Fest am 25. Dezember ist ebenfalls nicht belegt (auch wenn es immer wieder behauptet wurde):

Wallraff schrieb:
Zunächst wiederum ein Negativbefund: Es gibt keine Indizien für eine ältere Festtradition in den sogenannten Mysterienreligionen, insbesondere nicht - wie gelegentlich zu lesen - im Mithraskult.

http://www.geschichtsforum.de/386134-post383.html
 
Die Verbindung zwischen dem Datum von Sol Invictus und der Festlegung von Christi Geburtsjahr ist m.E. derart offensichtlich, dass Erklärungen, welche dies zu widerlegen versuchen, für mich spitzfindigen Charakter haben.

Um da ein Missverständnis zu vermeiden: Die Verbindung wird von niemand bestritten. Zu hinterfragen ist, wie diese Verbindung zustandekommt.

Die Annahme, es habe ein "altes" Sol-Invictus-Geburtstagsdatum gegeben, welches die Kirche "später" zum Weihnachtsfest umfunktioniert hätte, ist eben nicht zu belegen. Da hat Wallraff anscheinend mit einigen Mythen aufgeräumt:

Schließlich geht W. auf den Zusammenhang der Sonne mit dem Weihnachtsfest (7.) ein. Er zeigt die Beziehungen zwischen der römischen Tradition der paganen Feier der Geburt der Sonne am 25. Dezember und der Datierung des christlichen Festes der Geburt Christi auf. In diesem Fall weist er nach, daß es sich um Parallelentwicklungen handelt, nicht um direkte Beeinflussung der einen Seite durch die andere.
http://www.plekos.uni-muenchen.de/2003/rwallraff.pdf
 
Es geht mir doch nicht darum, ein viel älteres religiöses Fest für den 25. Dez. zu finden. Für die Argumentation einer Übernahme des Sol Invictus-Datums auf das Geburtsdatum von Jesus reicht es völlig aus, dass das Datum des Sol-Invictus-Festes (resp. dessen Geburtsdatum) zu Konstantins Zeiten feststand - dies lässt sich ja auch problemlos belegen. Ebenso lässt sich (bis jetzt jedenfalls) belegen, dass das Geburtsdatum von Jesus vor Konstantin unbekannt resp. nicht einheitlich und offensichtlich auch nicht von Bedeutung war. Wenn jetzt Jesus erst mit Konstantin oder kurz danach zu seinem Geburtsdatum kam und dieses mit dem Sonnenwendedatum von Sol Invictus identisch ist, so liegt es ja offensichtlich auf der Hand, das hier übernommen wurde. Das ganze richt damit sowieso mehr nach "römischer Staatsraison" als nach "Legitimierung des Christentums".
Dass die Übernahme gewissermassen zwangsläufig erfolgt sein muss, ist so offensichtlich, das es bereits auch dem Bar Salibi (der natürlich jetzt als Bestätigungsquelle ausfallen muss - Merci für die Recherche) resp. seinem unbekannt gebliebenen Scholiast aufgefallen zu sein scheint, der zudem daraufhin auch gleich eine passende Begründung gesucht hat.

Nachtrag:
Habe soeben das PDF gelesen. Da steht
Der Abschnitt über die Sonne und das christliche Staatsdenken (5.) hat seinen
Schwerpunkt in der konstantinischen Zeit. W. faßt hier im wesentlichen die
bisherige Forschung zusammen, zeigt u. a. auf, wie Konstantin auch nach 324,
als Sol invictus nicht mehr auf Müunzprägungen erscheint, in seiner Selbstdarstellung
noch immer solare Epitheta verwendet. Die ”solare Konzeption“ des
Kaisertums, die in der Repräasentation vielfältigen Ausdruck findet, ist auch
noch bei seinen Nachfolgern auszumachen, sogar bei den getauften. Selbst die
religiöse Verehrung der Sonne wird von den christlichen Kaisern nicht unterbunden.

Das weist m.E. wiederum auf eine staatspolitisch gewollte Übernahme hin.

Schließlich geht W. auf den Zusammenhang der Sonne mit dem Weihnachtsfest
(7.) ein. Er zeigt die Beziehungen zwischen der römischen Tradition der
paganen Feier der Geburt der Sonne am 25. Dezember und der Datierung des
christlichen Festes der Geburt Christi auf. In diesem Fall weist er nach, daß
es sich um Parallelentwicklung handelt, nicht um direkte Beeinflussung der einen Seite durch die andere.

Auf diesen Nachweis wäre ich gespannt. Zwei auch zeitlich parallele Entwicklungen die unabhängig, ohne gegenseitige Beeinflussung, bei demselben Ergebnis, dem 25. Dezember landen, ist mir ein bisschen zu viel Zufall. Geschichte ist vergangenes Leben und nicht Mathematik.
 
Zuletzt bearbeitet:
http://penelope.uchicago.edu/~grout/encyclopaedia_romana/calendar/invictus.html

Im 5. Jahrhundert ging die besondere religiöse Bedeutung der Sonne bei den Gläubigen immer noch Hand in Hand mit dem Christentum:

The winter solstice, which coincided with the Christian festival, still was recognized however. Leo I (AD 440-461) repeatedly was obliged to admonish the faithful not to honor the sun on the very doorsteps of the old basilica of St. Peter's in Rome, which was oriented so that the sun, rising from the east, would shine in through the doors and illuminate the apse at the west. (If the worshippers had their backs to the Sun, Leo himself still was obliged to face east.)

"From such a system of teaching proceeds also the ungodly practice of certain foolish folk who worship the sun as it rises at the beginning of daylight from elevated positions: even some Christians think it is so proper to do this that, before entering the blessed Apostle Peter’s basilica, which is dedicated to the One Living and true God, when they have mounted the steps which lead to the raised platform, they turn round and bow themselves towards the rising sun and with bent neck do homage to its brilliant orb. We are full of grief and vexation that this should happen, which is partly due to the fault of ignorance and partly to the spirit of heathenism: because although some of them do perhaps worship the Creator of that fair light rather than the Light itself, which is His creature, yet we must abstain even from the appearance of this observance: for if one who has abandoned the worship of gods, finds it in our own worship, will he not hark back again to this fragment of his old superstition, as if it were allowable, when he sees it to be common both to Christians and to infidels?“ Sermon XXVII: On the Feast of the Nativity, VII (Pt. IV)


Dagegen kämpften Papst und Bischof vergebens:

Three centuries later, the papacy still was confronted with the vestiges of pagan custom. In AD 742, Boniface, apostle and archbishop of Germany, reproached Zacharias, complaining that his attempt to convert the heathen there was being thwarted by the behavior of Christians in Rome.

"Because the sensual and ignorant Allemanians, Bavarians and Franks see that some of these abuses which we condemn are rife in Rome, they think that the priests there allow them, and on that account they reproach us and take bad example. They say that in Rome, near the church of St. Peter, they have seen throngs of people parading the streets at the beginning of January of each year, shouting and singing songs in pagan fashion, loading tables with food and drink from morning till night, and that during that time no man is willing to lend his neighbour fire or tools or anything useful from his own house. They recount also that they have seen women wearing pagan amulets and bracelets on their arms and legs and offering them for sale. All such abuses witnessed by sensual and ignorant people bring reproach upon us here and frustrate our work of preaching and teaching. Of such matters the Apostle says reprovingly: 'You have begun to observe special days and months, special seasons and years. I am anxious over you: has all the labour I have spent on you been useless?' [Galatians 4:10]" (Letter of Boniface to Pope Zacharias on His Accession to the Papacy).


Wichtiger als der Geburtstag waren diese Daten Jesu: die Ankündigung, die Empfängnis, die Kreuzigung zusammen mit dem Datum der Erschaffung der Welt:

Rabbinic scholars had understood the births and deaths of the Old Testament patriarchs to have occurred on the same day. Because Jesus was deemed to be perfect, his life was thought to be complete as well and to comprise a whole number of years. March 25 (the eighth Kalends of April) was believed to be the date of his conception (Annunciation) and, exactly nine months later, December 25 (the eighth Kalends of January) his Nativity. The date of Jesus' conception and crucifixion, therefore, were thought to have occurred on the same day of the year: March 25 (the eighth Kalends of April) (Tertullian, Adversus Judaeos, VIII.17; Hippolytus, Commentary on Daniel 4:23; Augustine, On the Trinity, IV.5; Dionysius Exiguus, Argumenta Paschalia, XV). Fittingly, this also was the day on which the world itself was believed to have been created.

Es gibt auch ganz prosaische Gründe dafür, daß die Geburt Jesu nicht am 25. Dezember stattgefunden haben kann:

24 populäre Irrtümer rund ums Weihnachtsfest - Asatru zum selber Denken - die Nornirs Ætt

Tatsächlich kann man, nimmt man das Lukas-Evangelium beim Wort, sowohl den 25. Dezember wie den 6. Januar ausschließen. Denn bei Lukas steht, dass zu der Zeit, da Jesus geboren wurde, die Hirten ihre Tiere nachts noch im Freien ließen. Dies wäre im Dezember ungewöhnlich gewesen, da die Nächte in der Gegend um Bethlehem recht kalt sein können. Ab Oktober wurden die Herden eigentlich nicht mehr im Freien gehütet. Auch scheint es eher unwahrscheinlich, dass die Römer eine Volkszählung, wie sie ja in der Bibel beschrieben ist, mitten im Winter durchgeführt hätten.
 
Die Mai-Variante stammt aus dem Brief der spanischen oder südfranzösischen Pilgerin Aetheria aus dem 4. Jahrhundert, in welchem berichtet wird, dass das Geburtsfest von Jeusus in Betlehem im Mai abgehalten worden sei.

Ich sehe nicht, wo das stehen soll.
Das Geburtsfest fand laut Aetheria an Epiphanias (6. Januar) statt, der Vorabend wurde in Betlehem gefeiert.

Viel zur Popularisierung einer Feier am 6. Januar im Westen könnten auch Pilgerberichte aus dem Heiligen Land beigetragen haben. Der Reisebericht der aus Aquitanien stammenden Nonne Egeria erfreute sich im Westen grosser Beliebtheit. Sie besuchte in den Jahren 381 bis 385 Jerusalem und die heiligen Stätten und berichtet ausführlich über die dortigen religiösen Gebräuche. Sie verbindet mit der Feier der Epiphanie nur das Geburtsfest.
Das Datum des Weihnachtsfestes

Von einer Mai-Variante finde ich nirgends etwas:
The Pilgrimage of Egeria
 
24 populäre Irrtümer rund ums Weihnachtsfest - Asatru zum selber Denken - die Nornirs Ætt

Tatsächlich kann man, nimmt man das Lukas-Evangelium beim Wort, sowohl den 25. Dezember wie den 6. Januar ausschließen. Denn bei Lukas steht, dass zu der Zeit, da Jesus geboren wurde, die Hirten ihre Tiere nachts noch im Freien ließen. Dies wäre im Dezember ungewöhnlich gewesen, da die Nächte in der Gegend um Bethlehem recht kalt sein können. Ab Oktober wurden die Herden eigentlich nicht mehr im Freien gehütet. Auch scheint es eher unwahrscheinlich, dass die Römer eine Volkszählung, wie sie ja in der Bibel beschrieben ist, mitten im Winter durchgeführt hätten.

Hier werden zwar ein paar populäre Irrtümer richtiggestellt, dafür werden andere populäre Irrtümer weiter propagiert.
Dass Schafe im Dezember in Bethlehem nicht im Freien gehalten wurden, ist ein besonders dümmlicher Irrtum.

Winterweidehaltung von Rindern und Schafen | Nds. Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
 
Um da ein Missverständnis zu vermeiden: Die Verbindung wird von niemand bestritten. Zu hinterfragen ist, wie diese Verbindung zustandekommt.

Die Annahme, es habe ein "altes" Sol-Invictus-Geburtstagsdatum gegeben, welches die Kirche "später" zum Weihnachtsfest umfunktioniert hätte, ist eben nicht zu belegen.

Die wohl plausibelste Theorie über das Zustandekommen der Verbindung ist folgende: Kaiser Aurelian legte 274 den Geburtstag des Sol Invictus am 25. Dezember als Staatsfeiertag fest, um die Einheit des römischen Reiches symbolisch zu stärken. In protestierender Opposition dazu beschlossen die Christen, den Geburtstag ihres Heros, den sie in Konkurrenz zum römischen Sonnengott zur "Sonne der Gerechtigkeit" gemäß Maleachi 3,20 erklärten ("Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln"), auf den gleichen Tag zu verlegen. Der 25. Dezember war schon vorher vom Christen Sextus Julius Africanus (um 200) als Geburtstag des Jesus vorgeschlagen worden. Diese zwei Faktoren (Aurelians Staatsfeiertag und Africanus ältere Idee) bildeten also gemeinsam den Auslöser für die christliche Festlegung auf den 25. Dezember.
 
Für die Argumentation einer Übernahme des Sol Invictus-Datums auf das Geburtsdatum von Jesus reicht es völlig aus, dass das Datum des Sol-Invictus-Festes (resp. dessen Geburtsdatum) zu Konstantins Zeiten feststand
Nein, das reicht nicht aus.
Es müsste belegt werden, dass dem Weihnachtsdatum 25. Dezember ein Sol-Invictus-Festdatum vorausging.

Ebenso lässt sich (bis jetzt jedenfalls) belegen, dass das Geburtsdatum von Jesus vor Konstantin unbekannt resp. nicht einheitlich und offensichtlich auch nicht von Bedeutung war.
Das Geburtsdatum ist auch heute noch unbekannt.
Und das Weihnachtsfest ist bis heute nicht in allen christlichen Kirchen einheitlich.
Was ist damit belegt?

Wenn jetzt Jesus erst mit Konstantin oder kurz danach zu seinem Geburtsdatum kam
Ja, wenn...
Wann genau das Geburtstagsdatum aufkam, ist ja nicht zu belegen.
Bei Sol Invictus dasselbe.
Der Bezug zwischen Christus und der Sonne ist bereits im 2. Jahrhundert nachzuweisen, auch in kalendarischer Hinsicht: Der Sonntag ist der Tag des Herrn.

Zwei auch zeitlich parallele Entwicklungen die unabhängig, ohne gegenseitige Beeinflussung, bei demselben Ergebnis, dem 25. Dezember landen, ist mir ein bisschen zu viel Zufall
Von reinem Zufall redet doch niemand. Es gibt strukturelle Gemeinsamkeiten und wechselseitige Einflüsse.


Die wohl plausibelste Theorie über das Zustandekommen der Verbindung ist folgende: Kaiser Aurelian legte 274 den Geburtstag des Sol Invictus am 25. Dezember als Staatsfeiertag fest

Dass Aurelian 274 den 25. Dezember als Staatsfeiertag festlegte, ist in keiner Quelle zu finden. Hier fangen die Spekulationen schon an.

Die Fakten sind dürftig, daraus lassen sich mehrere plausible Hypothesen basteln:

In der Forschung ist erwogen worden, ob es vielleicht Konstantin war, der beide Feste, das heidnische und das christliche, gleichzeitig einführte. Damit würde sich eine gewisse Parallele zur Einführung des Sonntags ergeben – beide Male hätte Konstantin Feste erfunden, deren exakte Bedeutung offen gehalten werden konnte, um inklusiv zu sein. Zuzutrauen wäre ein solches Kalkül dem hochintelligenten Kaiser, der eine religiös-politische Revolution ins Werk setzte, durchaus. Aber im Bezug auf das Weihnachtsfest ist eine solche Erwägung angesichts der Quellenlage bloße Spekulation.

http://www.uni-heidelberg.de/presse/unispiegel/us08-5/weihn.html
 
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