Die angelandeten Truppen hätten ja nun auch versorgt werden müssen, deshalb glaube ich, das einige Tage Lufthoheit ausgereicht hätten.
Das hängt natürlich alles auch von Zeitpunkt und Umständen ab.
Hätte man eine Invasion noch im Herbst 1940 hinbekommen, bevor die Briten das ganze bei Dünkirchen verlorene schwere Gerät hätten ersetzen können*, wäre man wahrscheinlich auch mit wenig Nachschub und Munition relativ zügig vorran gekommen und von der Südwestküste bis London wären es keine 100 Km gewesen.
Zudem, wenn man auf den britischen Inseln erstmal Fuß gefass hätte, hätte man selbst in Südengland provisorische Flugfelder einrichten können.
Mit Flugfeldern direkt auf beiden Seiten des Kanals hätte sich das Reichweiten-Problem nicht in dieser Form ergeben, außerdem hätte es die Aufrechterhaltung der Luftüberlegenheit zumindest über den Kanal vereinfacht und damit das Heranbringen von Nachschub auf dem Seeweg und evt. auch kleinere Mengen aus der Luft, ermöglichen können.
Außerdem wären bei Landung an der Süwestküste und deutschem Vordringen am Boden wahrscheinlich relativ zügig, auch Teile der britischen Radarstationen mit überrannt worden, die sich dann ggf. von deutscher Seite gegen das Landesinnere hätten verwenden oder zumindest sprengen lassen.
Das hätte ganz empfindliche blinde Flecken in die britische Luftraumüberwachung und Aufklärung reißen können.
*hätte, perspektivisch wenn die britisch-französischen Truppen bei Dünkirchen weitgehend aufgerieben worden wären natürlich nochmal günstiger ausgesehen, was den potentiellen Widerstand angeht.
Das Thema ist nicht mein Wissengebiet, ich habe aber tatsächlich einmal vor sehr vielen Jahren von einem Freund die OKW-Berichte (das meint Shinigami denke ich mit KTB, oder?) geliehen und gelesen.
Ich meine tatsächlich das edierte "Kriegstagebuch Des Oberkommandos der Wehrmacht", 8-Bändig, von Percy Ernst Schramm [Hrsg.] im Auftrag des Arbeitskreises für Wehrforschung herausgegeben, München, 1982.
Es ist aber eben natürlich keine Spezialliteratur, zum Thema "Unternehmen Seelöwe", sondern es stehen an einzelnen Tagen während des Krieges kurze Zusammenfassungen der Statements von Marine- und Luftwaffenführung drinn, die Vorbereitungen und ein potentielles "Unternehmen Seelöwe" betreffen, und eben beim OKW zusammenliefen.
Einschätzungen aus dem OKH betreffend Seelöwe sind mit aus den 1940 und 1941 betreffenden Bänden nicht erinnerlich, aber beim Heer lagen ja auch nicht die potentiellen logistischen Probleme.
Ich weiß nicht, ob die Luftwaffenführung ein eigenes Kriegstagebuch geführt hat.
Die Seekriegsleitung (SKL) hat ein separates Kriegstagebuch geführt, dass in Sachen Vorberitungen wahrscheinlich, zumindest, was die Transportkapazitäten und Schwierigkeiten angeht, im Bezug auf "Seelöwe" deutlich interessanter sein dürfte, aber die einschlägigen Bände habe ich damals leider nicht in die Finger bekommen, war in der lokalen Unibibliothek nicht vorhanden, und im Gegensatz zum "Kriegstagebuch" des OKW, dass ich mal relativ günstig bei einem Online-Großhändler abgreifen konnte, für ein studentisches Budget zu teuer.
Zumindest das von mir angesprochene "Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht" enthält dementsprechend auch, so weit mir erinnerlich keine brauchbaren Festellungen, was die Motive Hitlers betrifft.
Es ist halt im Wesentlichen eine Sammlung der beim OKW zusammenlaufenden militärischen Tagesberichte der unterschiedlichen Frontlagen und im Ereignissfall der Teilstreitkräfte, teilweise gibt es Auskunft über die Teilstreitkräfte übergreifende Besprechungen.
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Was mir im Besonderen im Hinblick auf die maritimen Problematiken erinnerlich ist, ist die veranschlagte Zeit für den Transport von mehreren Wochen, für einige Divisionen, und der Umstand, dass man in Ermangelung entsprechend designten Schiffsraums teilweise auf Prahme und Lastkähne hätte zurückgreifen müssen, die nicht unbedingt in erster Linie für das offene Meer gebaut waren, sondern von ihrer Konstruktion her eben richtung Binnen- und Küstenschiffahrt gingen.
Deswegen, oder wahrscheinlich deswegen, war auch verstärktes Augenmerk auf die Wetter- und Seegang-Problematik gelegt worden und es sollte wohl in jedem Fall vermieden werden, damit in die typischen Herbststürme (und den entsprechenden Seegang) zu geraten.
Wahrscheinlich aus Sorge um die Stabilität der Schiffe, bei solchen Bedingungen und erheblicher Zuladung.
Das dürfte erheblich (von der fehlenden Lufthoheit abgesehen) dazu beigetragen haben, dass man den Versuch in 1940 nicht mehr unternahm, weil die Gefahr in herbstliches Wetter hinein zu geraten (sicher auch für die Luftwaffe nicht ganz unproblematisch) einmal gegeben war, und im Winter hätte man dann natürlich noch das Problem mit den Wassertemperaturen gehabt.
Nutzt ja wenig, wenn die Invasionsarmee dann völlig unterkühlt am Brückenkopf auf der anderen Kanalseite herumliegt.
Im Frühjahr und Sommer 1941 wäre allerdings, selbst wenn nicht der Krieg gegen die Sowjetunion von Seiten Hitlers angestanden hätte und weitgehend schon dafür geplant und gerüstet wurde, natürlich der Vorteil vom Sommer/Herbst 1940 weg gewesen.
Die Briten hatten bis dahin natürlich Zeit die Küste zu befestigen und natürlich auch die aus Frankreich evakuierten Kader wieder in Form zu bringen und neu zu bewaffnen, so dass der Widerstand in 1941 natürlich erheblich härter gewesen wäre.
Ich denke auch, (aber das ist nur meine persönliche Laienmeinung), dass wenn "Seelöwe" überhaupt jemals Erfolgsaussichten gehabt hätte, dass im Herbst 1940 gewesen wäre, 1941 nicht mehr, weil man wahrscheinlich Luft- und Seeherrschaft nicht lange genug hätte aufrecht erhalten können, um einen Brückenkopf längere Zeit zu unterstützen, wenn wirklich entschiedener Widerstand mit schwerem Gerät vorhanden gewesen wäre.
Einen Erfolg von "Seelöwe" im herbst 1940 halte ich nicht für völlig undenkbar, aber das wäre ein Vabanque-Spiel gewesen. Bei schlechtem Wetter und unzureichender Luftdeckung, oder Seegang für den die Transportschiffe die man hatte nicht ausgelegt waren, wäre natürlich die Gefahr eines Totalverlustes, oder zumindes des Verlustes erheblicher Teile des Invasionsheeres ziemlich groß gewesen.