Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Die größte Frage:
Wieso haben die römischen Vorhuten den Wall nicht entdeckt und die Truppe gewarnt; selbst wenn Varus so militärisch unerfahren gewesen wäre wie ihn manche Autoren hinstellen - römische Truppen wären nie ohne marschiert.

1. Wieso soll ein Heer mit drei Legionen ohne Vorhut marschieren?

ein mögliches Szenario wäre folgendes:

die Vorhut könnte aus germanischen Hilfstruppen bestanden haben, die aber in Wirklichkeit mit zu den Aufständischen zählten.

Dieses Szenario ist durchaus durch eine Quelle gedeckt: Leider handelt es sich dabei um Cassius Dio, unsere zwar ausführlichste Quelle zur Schlacht, aber eben auch unsere späteste.
Sei es, dass die germanischen Hilfstruppen eben jene Vorhut bildeten, oder nicht: Es ist völlig unerheblich, ob der Wall erkannt wurde, oder ober ausreichend getarnt war: Die römischen Truppen mussten daran vorbei.

Falls es so gewesen wäre, hätten diese dann "freie Bahn" gemeldet, und die Legionen wären in die Falle marschiert. Das würde allerdings dafür sprechen, daß Kalkriese der Anfangspunkt einer Schlacht gewesen ist. Folgt man den Berichten einer mehrtägigen Schlacht an verschiedenen Orten, so müßte es noch im Umfeld von Kalkriese weitere Schlachtorte geben.

Falls die Vorhut bei Kalkriese überhaupt noch bei den Römern gewesen ist. Ich persönlich halte Kalkriese eher für einen recht späten Zeitpunkt der Schlacht. Westlich von Kalkriese fächern sich die Funde auf.

2. Das der Kalkrieser Wall provisorischer Art war ist ja unbestritten...aber wer sagt denn dass der Angrivarier Wall tatsächlich eine Grenzbefestigung sein muss? Die müsste dann ja über mehrere Dutzende Kilometer lang gewesen sein...und massiv....und dann keine Überreste wie vom Limes oder Hadrianswall? und es wäre die einzige Grenzbefestigung zwischen zwei germanischen Stämmen oder kennt jemand aus irgendeiner Quelle noch eine zweite feste baulich Grenze in irgendeiner Form zwischen zwei germanischen Stämmen des 1. Jhr. n.Chr.?

Die Kollegen, insbesondere Maelonn und Carolus, haben schon eine ganze Menge zum Angrivarierwall, seiner möglichen Lokalisierung und zu seiner Topographie im Vgl. auch zum Kalkrieser Wall gesagt; auch, dass die Spuren der Artillerie schlicht fehlen. Die Stelle bei Tacitus über den Angrivarierwall ist wirklich etwas rätselhaft. Letztlich bleibt aber - zumindest nach der taciteischen Überlieferung, und das ist nun mal bzgl. des Angrivarierwall die einzige, die wir haben - nur die Interpretation als Grenzwall:
silvas quoque profunda palus ambibat nisi quod latus unum Angrivarii lato aggere extulerant quo a Cheruscis dirimerentur.
Wälder und darum herum ging auch tiefer Sumpf, außer an einer Seite, an dem die Angrivarier einen breiten Wall/Damm aufgeworfen hatten, damit sie von den Cheruskern getrennt würden.

Wozu aber, muss nun die Frage lauten, wenn man annimmt, dass der Angrivarierwall kein schon länger existentes Grenzbauwerk, sondern ein ad hoc errichtetes Bauwerk gewesen ist, sollte der Wall die gemeinsam kämpfenden Cherusker und Angrivarier trennen? Welche taktische Funktion sollte das haben? Solange dafür keine befriedigende Antwort gefunden ist, ist die Interpretation als Grenzwall, wenn auch aufgrund Tacitus' Wortwahl auf dünnem Eis stehen, die einzige, die überhaupt einen Sinn ergibt.

Aus anderen Zeiten kennt man das aber auch immer wieder dass die Avantgarde zerschlagen wurde und das Gros, das dahinter marschierte, davon nichts mitbekam, außer dass man keinen Kontakt zur Vorhut aufbauen konnte.
Wenn man sich über den evtl. Verlust der Vorhut im Klaren war, hieß das aber auch nicht, dass man deswegen von dem Marschweg abweichen konnte.

Oder die Nachhut, so etwa bei Roncesvalles 778.

Und das wussten auch die römischen Offiziere und werden an jeder Engstelle mit einem Hinterhalt gerechnet haben (--> Schlacht am Harzhorn).

Dass sollen sie ja nach Aussage der Quellen gerade nicht getan haben, wird Varus vorgeworfen. Warum hätten sie auch einen Hinterhalt erwarten sollen. Speziell auf Kalkriese bezogen allerdings muss man damit rechnen, dass die römischen Truppen, als sie dort ankamen, längst Getriebene waren und kaum noch eine Chance hatten, etwa umzudrehen oder einen anderen Weg zu wählen, oder ihr Heil in der Erstürmung des Walles zu suchen. Das macht auch die Genialität dieser Anlage aus, die den Weg nicht versperrt, sondern parallel begleitet: Sie suggeriert die Chance, durchkommen zu können und das Heil in der Flucht zu suchen, statt den Sturm zu wagen.

Und wenn die Geschichte mit der in Kalkriese gefundenen Inschrift LPA in der Schwertscheide mit Übersetzung der Legio Prima Augusta stimmt, spricht doch eigentlich deutlich mehr für eine Gleichstellung der Schlacht in Kalkriese mit der Schlacht am Angrivarierwall als mit der Varusschlacht oder?
Ein <P> in einem <LPA> ist kein ausreichender positiver Beweis für die Anwesenheit einer Legio Prima Augusta. Nicht einmal die Lesung <LPA> ist sicher, noch weniger die Interpretation. Es handelt sich um eine Hypothese. Die durchaus legitim ist. Angenommen, das LPA wäre richtig gelesen und es handelte sich tatsächlich um eine Abkürzung für die Erste Augusteische Legion, wäre dies allerdings noch immer kein Beweis gegen die Varusschlachthypothese, da erstens Soldaten der ersten Legion bei der Bestattung der Varuslegionen anwesend waren, zweitens bei der Varusschlacht unbekannte Vexillationen anderer Legionen dabei waren und es drittens passierte, dass Ausrüstungsgegenstände ihren Besitzer wechselten (was punz- und ritzinschriftlich belegt ist).
 
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Und wenn die Geschichte mit der in Kalkriese gefundenen Inschrift LPA in der Schwertscheide mit Übersetzung der Legio Prima Augusta stimmt, spricht doch eigentlich deutlich mehr für eine Gleichstellung der Schlacht in Kalkriese mit der Schlacht am Angrivarierwall als mit der Varusschlacht oder?
Erstens: Gibt es denn überhaupt gesicherte inschriftliche Belege für so eine Abkürzungsvariante? Normalerweise wurden Legionen in Inschriften doch mit L plus Zahl abgekürzt.
Zweitens: Es ist fraglich, ob die Legio I im fraglichen Zeitraum überhaupt noch den Beinamen "Augusta" führte. Aus einer Stelle bei Cassius Dio wird abgeleitet, dass ihr dieser Beinamen schon davor entzogen wurde.
 
Erstens: Gibt es denn überhaupt gesicherte inschriftliche Belege für so eine Abkürzungsvariante? Normalerweise wurden Legionen in Inschriften doch mit L plus Zahl abgekürzt.

Die Diskussion hatten wir schon. Tela? Sheik? Secundus? Tejason? Tib. Gabinius? hatte da einen schönes Beispiel dafür gefunden, dass diese Lesung nicht völlig auszuschließen ist. Woraus nun aber auch kein Umkehrschluss gezogen werden sollte, der trägt nämlich nicht.


Zweitens: Es ist fraglich, ob die Legio I im fraglichen Zeitraum überhaupt noch den Beinamen "Augusta" führte. Aus einer Stelle bei Cassius Dio wird abgeleitet, dass ihr dieser Beinamen schon davor entzogen wurde.

Ob sie den Beinamen noch führte oder nicht: Wenn die Inschrift denn so zu lesen wäre, wie das Verfechter der Hypothese "Kalkriese = pontes longi" gerne hätten, nämlich als Legio Prima Augusta, wäre die Aberkennung des Titels Augusta kein Indiz für eine frühere Datierung bzw. für eine Fehllesung: Man hätte die Ritzung nach der Aberkennung allenfalls unlesbar machen können, doch wozu?
An der Entziehung des Titels Augusta lässt sich die Zuordnung des Schwertscheidenmundbleches bzw. die Lesung des LPA jedenfalls weder festmachen noch negieren. Der Zeitpunkt der Ritzung wäre lediglich ein terminus ante quem.
 
Dass sollen sie ja nach Aussage der Quellen gerade nicht getan haben, wird Varus vorgeworfen.

Wenn es denn Varus war. Die "Bekannten Wege" die Caecina nehmen sollte könnten auch auf die bereits erkannte Gefahrenstelle deuten.
Die Kritik gilt auch nicht dem Nichterkennen der Gefahr, die ja möglicherweise unausweichlich war, sondern wie man auf sie reagiert hat.

Seit Caesar hatten die Römer es mit den zurückweichenden Germanen zu tun, die sich nur selten zur klassischen Schlacht stellten, sich lieber der List bedienten und aus dem Verborgenen kämpften.
Als Reaktion darauf wurde eine Strategie gross angelegter Zangenangriffe entwickelt. Als Beispiele wären zu nennen der Alpenfeldzug, der Feldzug gegen Marbod oder schliesslich der mit zwei Vierlegionenheeren operierende Germanicus. Nach Möglichkeit bildete auch die Flotte einen Teil der Zange, wie beim Zug des Tiberius zur Elbe, oder möglicherweise auch Germanicus im Jahre 15 der mit der Flotte auf der Ems nur das Entkommen der Brukterer verhindern brauchte und die Verwüstungen des Lippe-Ems-Gebietes Caecina und den leichten Truppen überlassen konnte.
Da Germanicus den Spuren seines Vaters folgte, könnte man sich so auch erklären wie es zum bei Strabo erwähnten Schiffskampf des Drusus mit den Brukterern gekommen sein könnte. Der Sohn könnte den Vater nur kopiert haben.
Die Vorstellung diese römische Armee wäre im Gänsemarsch und in Ohrfeigenreichweite am Waldrand entlang blind in eine offensichtliche Falle marschiert ist für mich einfach unglaubwürdig.
Diesen strategisch brillianten Feldzügen muß auch auf taktischer Ebene ein Equivalent vorgelegen haben. Und das hat es auch, wie man in den Schilderungen zur Caecina-Schlacht entnehmen kann. Um den Tross in der Engstelle zu schützen verteilte Caecina die Legionen längs der Marschroute am Waldrand um die Germanen dort zu hinhaltend zu binden während versucht wurde das Gross hinüberzuschaffen. Das der Tross letztendlich verloren ging war zwar schmerzlich, wichtig war aber, daß die Legionen erhalten geblieben waren. Und ich meine daß die Funde in Kalkriese genau ein solches Szenario abbilden könnten.

Gruss
jchatt
 
Wenn es denn Varus war. Die "Bekannten Wege" die Caecina nehmen sollte könnten auch auf die bereits erkannte Gefahrenstelle deuten.
Die Kritik gilt auch nicht dem Nichterkennen der Gefahr, die ja möglicherweise unausweichlich war, sondern wie man auf sie reagiert hat.

Es ist allerdings anzunehmen, dass die notis itineribus südlich oder westlich der Ems lagen. Aber es ist schon klar: Die pontes longi-Episode hat Tacitus parallel zur Varusschlacht komponiert, was durch die topographischen Beschreibungen, aber auch durch die vielen Bezüge (Rede des Arminius, Traum des Caecina) überdeutlich wird.


Diesen strategisch brillianten Feldzügen muß auch auf taktischer Ebene ein Equivalent vorgelegen haben. Und das hat es auch, wie man in den Schilderungen zur Caecina-Schlacht entnehmen kann. Um den Tross in der Engstelle zu schützen verteilte Caecina die Legionen längs der Marschroute am Waldrand um die Germanen dort zu hinhaltend zu binden während versucht wurde das Gross hinüberzuschaffen. Das der Tross letztendlich verloren ging war zwar schmerzlich, wichtig war aber, daß die Legionen erhalten geblieben waren. Und ich meine daß die Funde in Kalkriese genau ein solches Szenario abbilden könnten.

Möglich. Da ergeben sich allerdings zwei gravierende Probleme:
1) Der Wall von Kalkriese ist dem archäologischen Befund nach gegen die Römer gerichtet, der Wall der Caecina-Schlacht wurde aber der literarischen Überlieferung nach von den Römern errichtet.
2) Die Caecina-Schlacht müsste, wenn man Tacitus Angaben folgt, auf der rheinwärtigen Seite der Ems stattgefunden haben (Tac. ann. I, 63, 3). Kalkriese befindet sich aber auf der Ost- bzw. Nordseite der Ems.
 
Möglich. Da ergeben sich allerdings zwei gravierende Probleme:
1) Der Wall von Kalkriese ist dem archäologischen Befund nach gegen die Römer gerichtet, der Wall der Caecina-Schlacht wurde aber der literarischen Überlieferung nach von den Römern errichtet.

Ich sehe auch Kalkriese als Ort der Varusschlacht. Aber mit der Funktion des Walls habe ich so meine Probleme:

1. von Germanen erbaut

Warum war die Stellung in der östlichen Flanke, also in der Anmarschrichtung der Römer, nicht ebenfalls durch einen Wall gedeckt ?

Warum verlief der Wall nicht quer zur Marschrichtung, wenn er schon so unüberwindlich war ?

2. von Römern erbaut ("ein halbverfallenner Wall und ein flacher Graben..." Tacitus)

Warum wurde das Lager nicht auf dem freieren Feld vor der Engstelle errichtet ?

Warum ist nur eine Seite von einem Wall begrenzt ?

3. Angrivarierwall

Das Gebiet südlich gehörte doch wohl eher den Brukerern, wenn es denn überhaupt ein Grenzwall war.


4. Lange Brücken

siehe El Quijote - Das "westlich der Ems Argument"


Für mich ist da nichts wirklich schlüssig. Eine alternative Erklärung habe ich allerdings auch nicht.

Grüße,
 
mit der Funktion des Walls habe ich so meine Probleme:

1. von Germanen erbaut

Warum war die Stellung in der östlichen Flanke, also in der Anmarschrichtung der Römer, nicht ebenfalls durch einen Wall gedeckt?

Offensichtlich, weil diese Flanke eh nicht so einfach zugänglich war. (Tief in den Berg eingeschnittene Bachbetten).

Warum verlief der Wall nicht quer zur Marschrichtung, wenn er schon so unüberwindlich war?

Wer spricht davon, dass er unüberwindlich war?
Warum er nicht quer zur Marschrichtung lag, habe ich im vorhergehenden Beitrag versucht zu erklären: Einen Wall, der die Straße versperrte, hätten die Römer angreifen müssen und mit allen noch verfügbaren Kräften angegriffen. Die Genialität der Anlage lag aber darin, dass den Römern die Chance vorgegaukelt wurde, unter Verlusten zu entkommen. Sprich: die Germanen minimierten das Risiko eines römischen Angriffs auf ihre Stellung bzw. sorgten so dafür, dass von den noch verfügbaren Kräften wohl nur eine Teilmenge angreifen würde, während der Rest versuchen würde, den noch vorhandenen Tross zu schützen (ein Teil davon war ja schon zurückgelassen worden) bzw. das Heil in der Flucht zu suchen.

2. von Römern erbaut ("ein halbverfallenner Wall und ein flacher Graben..." Tacitus)

Warum wurde das Lager nicht auf dem freieren Feld vor der Engstelle errichtet ?

Der Wall von Kalkriese ist keinesfalls der Lagerwall (oder einer der Lagerwälle) von dem Tacitus berichtet. Abgesehen davon, dass er eine Schlangenlinie bildet, dass er gegen den vorbeiziehenden Weg gerichtet ist (die Grasnarbe wurde abgetragen und somit dem Weg seine Festigkeit genommen, er wurde rutschiger) und natürlich, dass der Wall nicht als Lager geeignet ist, da er kein Gelände umschließt, befinden sich die römischen Funde alle auf der falschen Wallseite. Zudem hätte Germanicus wohl einen Lagerwall von dem Kalkrieser Wall unterscheiden können.
Unsere Problematik ist ja nun auch die, dass wir bei Tacitus nur einen sehr gerafften Bericht über die Begehung des Schlachtfeldes und nicht die Schlacht selbst haben.

Die Marschlager der Varuskatastrophe sind einfach noch nicht gefunden, wenn sie denn jemals gefunden werden. Bei Barkinghausen, was manchmal als Kandidat eines Varuslagers gehandelt, deutet zumindest noch nichts konkret auf Varus, eher, darauf, dass es ein mehrfach benutztes Lager war.

Warum ist nur eine Seite von einem Wall begrenzt?
Weil auf der anderen Seite der Sumpf lag.

3. Angrivarierwall

Das Gebiet südlich gehörte doch wohl eher den Brukerern, wenn es denn überhaupt ein Grenzwall war.
Der Angrivarierwall muss in unmittelbarer Näher zur Weser gelegen haben (bei der Schlacht von Idistaviso überqueren die Römer die Weser, bei der Schlacht am Angrivarierwall, die unmittelbar darauf folgt, ist mehrfach von flumen die Rede, ohne weitere Spezifikation, da aber die Weser in der Region der einzige Fluss ist, der der Bezeichnung als flumen gerecht wird, ist das Schlachtfeld an der Weser zu suchen. Ob östlich oder westlich der Weser, darüber lässt sich anhand des taciteischen Textes keine Auskunft geben, da Tacitus weder vorher noch nachher von der zweiten Überquerung der Weser berichtet, die aber stattgefunden haben muss, da Germanicus seine Truppen, wie im Jahr zuvor, zurück an die Ems führt. Insofern: Was sollen die zwischen Ems und Lippe siedelnden Brukterer am Angrivarierwall?
 
Mir fällt es inzwischen etwas schwer zu folgen, obwohl ich hier gern mitlese :winke:

Gibt es eine Lagekarte, in der die wesentlichen Punkte und vermuteten Verläufe ersichtlich sind?


Eine Meinung noch zu den sehr engagiert vorgetragenen Thesen von Aufklärung, Vorhut, Marsch und Flanke, usw.: für jede Dummheit oder Nachlässigkeit solcher Verläufe lassen sich militärhistorisch in denJahrhunderten Analogien finden. Mit Plausibilitäten kommt man da aufgrund der Schriftlage nicht sehr weit. Ein "kann nicht sein" gibt es da mE nicht.
 
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Möglich. Da ergeben sich allerdings zwei gravierende Probleme:
1) Der Wall von Kalkriese ist dem archäologischen Befund nach gegen die Römer gerichtet, der Wall der Caecina-Schlacht wurde aber der literarischen Überlieferung nach von den Römern errichtet.
2) Die Caecina-Schlacht müsste, wenn man Tacitus Angaben folgt, auf der rheinwärtigen Seite der Ems stattgefunden haben (Tac. ann. I, 63, 3). Kalkriese befindet sich aber auf der Ost- bzw. Nordseite der Ems.

Zu 1:
Wieso muß man für die Pontes-Longi-Theorie den Kalkriese Wall mit einen der Wälle/Dämme der Caecina-Schlacht gleichsetzen ?
Die Reparatur des Dammes(wo auch immer der war) , der Kampf um den Tross (sehe ich bei Kalkriese) und das Finale um das römische Notlager (vielleicht nordwestlich von Kalkriese) werden jeweils mehrere Kilometer auseinander gelegen haben.
Der Kalkriesewall war mit Sicherheit germanisch und er war keine geniale unüberwindliche Konstruktion. Der Wall war nicht geschlossen, damit leicht zu umgehen und hatte Durchgänge. Er unterstützte an der engsten Stelle nur die ohnehin günstige Position, da hier die stärksten Angriffe zu erwarten waren.

Zu 2:
bei Tac. ann. I, 63, 3 steht, daß Germanicus "seine Legionen" zuerst an die Amisia zurückführte und sie dann zurückbrachte "wie er sie hergeholt hatte". Jedenfalls in meiner deutschen Übersetzung ( Bitte wie üblich korrigieren, wenn die Stelle das nicht hergibt ;-)
Diese Geschehnisse können sich meiner Meinung nach nur auf die vier Germanicus Legionen beziehen, denn
1. kann Germanicus nicht alle acht Legionen zurückführen "wie er sie hergeholt hatte" denn die waren getrennt an der Amisia erschienen.
2. hebt Tacitus unmittelbar danach hervor, daß Caecina eine eigenen Heeresgruppe führte, also waren das die "Legionen des Caecina".

Und die können sich durchaus noch an der Stelle befunden haben, an der Germanicus den Feldzug abgebrochen hatte. Meiner Meinung nach evtl. schon in Wesernähe weil
1. die Chauken als Bundesgenossen erwähnt werden. Damit wäre nach der an der Amisia geschlossenen ersten Zange, eine Neue entstanden, die das Gebiet zwischen Ems und Weser bedrohte
2. der Feldzug im nächsten Jahr dort wieder aufgenommen/fortgeführt wurde.

Gruss
jchatt
 
Gibt es eine Lagekarte, in der die wesentlichen Punkte und vermuteten Verläufe ersichtlich sind?

Kalkriese.jpg
Eine Ansicht der Fundstelle von Osten in Richtung Westen.

germanicus_15_1.jpg
Ein möglicher Verlauf des Germanicus Aufmarsches im Jahr 15 n.Chr.

germanicus_15_2.jpg
Mein favorisierter Rückmarsch des Germanicusheeres über Kalkriese wie im vorherigen Beitrag beschrieben.

Eine Meinung noch zu den sehr engagiert vorgetragenen Thesen von Aufklärung, Vorhut, Marsch und Flanke, usw.: für jede Dummheit oder Nachlässigkeit solcher Verläufe lassen sich militärhistorisch in denJahrhunderten Analogien finden. Mit Plausibilitäten kommt man da aufgrund der Schriftlage nicht sehr weit. Ein "kann nicht sein" gibt es da mE nicht.

Das dem Varus etwas Dummes passiert ist, da sind wir uns, glaube ich überwiegend einig. Die Frage ist aber: "Sprechen die Funde für diese Dummheit, oder vielmehr für eine routinemässige taktische Formation um durch diese Engstelle zu kommen?"

Gruss
jchatt
 
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Besten Dank dafür!

Gibt es vielleicht auch eine Karte, in der dieser Wall, Wege etc. eingezeichnet sind, mit vermuteten Marschrichtungen der Römer?


EDIT
noch eine Nachfrage: aus welchen Gründen könnte Varus die nördliche Umgehung des Kalkrieser Berges vorgenommen haben, um sich über die Ems zu retten? Auch südlich ist ein Durchbruch, war der möglicherweise versperrt oder Gegenstand eines vorherigen Gefechtes?
http://de.wikipedia.org/w/index.php...ll_Kalkriese.jpg&filetimestamp=20110130124712
 
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Besten Dank dafür!

Gibt es vielleicht auch eine Karte, in der dieser Wall, Wege etc. eingezeichnet sind, mit vermuteten Marschrichtungen der Römer?


EDIT
noch eine Nachfrage: aus welchen Gründen könnte Varus die nördliche Umgehung des Kalkrieser Berges vorgenommen haben, um sich über die Ems zu retten? Auch südlich ist ein Durchbruch, war der möglicherweise versperrt oder Gegenstand eines vorherigen Gefechtes?
Datei:Geländemodell Kalkriese.jpg ? Wikipedia

Hier ist eine Karte verlinkt (hoffe, der Link funktioniert noch):
Nachtrag: funktioniert noch


Passen könnte es, aber das würde für die Varusschlacht genau so gelten. Nach dem Engpaß hätten die (Varus-)Römer die Möglichkeit bei der Flucht sich in verschiedene Richtungen zu bewegen. Hier ist übrigens eine gute Übersicht über das Terrain.

P. S.: hier der Link zu dem Artikel, aus dem die Karte stammt: http://www.archaeologie-online.de/magazin/thema/varusschlacht/schlachtfelder-archaeologie/seite-1/
 
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Auch dafür ein Dankeschön!


Wenn man sich das Relief anschaut, wird eine "Kreiselschlacht" um den Kalkrieser Berg dargestellt. Dafür müssten die südlichen/südöstlichen Alternativen versperrt gewesen sein, die ggf. auch "ausprobiert" wurden (tagelange Schlacht?)

Die Wallanlage mit dem Rücken zum Berg ist dann geschickt und vorausschauend "für das Finale" angelegt worden. Das dürfte einige Zeit (den Sommer über?) gedauert haben. Außerdem hätte man die Alternativen, zB den südlichen Rückmarsch Richtung Osnabrück entlang Hase und Else, mglw. sogar weiter südöstlich die beiden Teuto-Pässe wirksam verschließen müssen. Das war geländebedingt vermutlich eine lösbare Aufgabe.

Kalkriese wäre dann Endpunkt einer groß angelegten strategischen Falle, mit monatelanger Vorbereitung?
 
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Wenn man sich das Relief anschaut, wird eine "Kreiselschlacht" um den Kalkrieser Berg dargestellt. Dafür müssten die südlichen/südöstlichen Alternativen versperrt gewesen sein, die ggf. auch "ausprobiert" wurden (tagelange Schlacht?)

Die südlichen Pässe sind letztendlich auch nur Engstellen, die sogar von beiden Seiten mit Verteidigungswällen versehen werden konnten, und sie führen alle in ,für die Römer noch unbequemeres Gelände (Wälder, Berge).
Jede dieser Alternativen führte durch minimal zwei Engstellen. Zuerst über das Wiehengebirge und dann anschliessend noch über den Osning.
Also einer Absperrung der Pässe hat es wahrscheinlich nicht mal bedurft.
Passende Funde an diesen Stellen sind mir auch nicht bekannt.

Die Wallanlage mit dem Rücken zum Berg ist dann geschickt und vorausschauend "für das Finale" angelegt worden. Das dürfte einige Zeit (den Sommer über?) gedauert haben.

Halte ich für übertrieben. Soetwas haben die Römer notfalls jeden Tag zwischen Mittag und Abendbrot gebaut. Und wesentlich langsamer werden die Germanen nicht gewesen sein. Vielleicht ein paar Tage?

Kalkriese wäre dann Endpunkt einer groß angelegten strategischen Falle

Das sehe ich auch so.

Was sagst Du zu der Fundspur direkt am Fuss des Kalkrieser Berges.
Hälst Du es für plausibel, daß hier eine Römische Armee auf immerhin 7-10 km Länge vor der von ihr eingeschlossenen germanischen Defensivstellung kollabiert ist ?
In der Regel wird doch eher die Moral des Eingeschlossenen zusammenbrechen als umgekehrt, oder ?

Gruss
jchatt
 
Wenn ich - von dem gedachten Rückweg von der Weser aus gesehen - zB den Bielefelder Pass nehme, wird man dort wegen den großflächigen Überbauungen kaum noch etwas finden.

Der Wall muss aufgeschüttet werden, der Drainagegraben ausgehoben werden. Welche Kubaturen weist das auf, wenn man von 500 Meter Länge, mehrere Meter Breite und Höhe x ausgeht. Das sind doch ganz schöne Massen, die mit Hacke und Schäufelchen bewegt werden müssen.

Über das Kollabieren müsste man eine Hypothese aufstellen. "Gleichzeitig" über diese Länge kann ich mir das nicht vorstellen, eher über ein Auflaufen, Zusammenstauchen der Kolonnen, ein "Verbluten" entlang des Walles in Ost-West-Richtung. Teile müssten wie bei den Trasi. Seen in Richtung Sumpf ausgewichen sein. Wenig westlich hinter dem Engpass ist die günstigste Stelle, an der vermutlich doch von Beginn an oder entlang des Walls quer geblockt wurde, um die Kolonne auflaufen zu lassen.

Auch die Verlegung der germanischen Kräfte über die Kuppe wäre recht einfach gewesen, wenn es erst auch einen gescheiterten Versuch südlich des Kalkrieser Berges gegeben hätte, oder zumindest einen Test bzw. tastendes Vorgehen der Vorhut.


Wobei ich den Hinweis auf die von den Römern eingeschlossene germanische Defensivstellung nicht verstanden habe. Kannst Du dazu noch einen Hinweis geben?
 
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Wobei ich den Hinweis auf die von den Römern eingeschlossene germanische Defensivstellung nicht verstanden habe. Kannst Du dazu noch einen Hinweis geben?

Die angreifenden Germanen befanden sich wohl auf dem Kalkrieser Berg.
Anhand der römischen Funde am Fuss des Berges der sogenannten "Hauptkampflinie" kann man sehen, das diese den Berg ca 180° umschliesst.
Defensiv weil die Germanen sich hinter einem Wall verschanzten.
 
Zu 1:
Wieso muß man für die Pontes-Longi-Theorie den Kalkriese Wall mit einen der Wälle/Dämme der Caecina-Schlacht gleichsetzen?

Die pontes longi-Hypothese basiert auf dem archäologischen Fund des Walls, der weitgehend passenden Topographie (aber die Topographie ist eben an vielen Orten weitgehend passend) und Tac. ann. I, 63 bzw. 64. Hier wird davon berichtet, dass Caecina seine Truppen aufteilte, in einen kämpfenden Teil und eine anderen, der ein Lager errichten sollte. Ohne die Annahme, dass der Kalkrieser Wall ein Befestigungswerk der Römer gegen die angreifenden Germanen war, fällt die pontes-longi-Hpyothese völlig in sich zusammen. Wie gesagt: Der Wall von Kalkriese ist nicht römischer Art und vor allem liegt er östlich/nördlich der Ems, wohingegen die Schlacht an den pontes longi eher südlich oder westlich der Ems stattgefunden haben muss, wenn man Tacitus folgt.

Die Reparatur des Dammes (wo auch immer der war), der Kampf um den Tross (sehe ich bei Kalkriese) und das Finale um das römische Notlager (vielleicht nordwestlich von Kalkriese) werden jeweils mehrere Kilometer auseinander gelegen haben.

Die Kämpfe und die Bauarbeiten scheinen ineinander vermischt gewesen zu sein, jedenfalls berichtet Tacitus, dass sich die Rufe der Arbeitenden und Kriegführenden mischten: "miscetur operantium bellantiumque clamor". Außerdem sollen die Germanen versucht haben, auf die Bauarbeiter einzudringen: "Barbari perfringere stationes seque inferre munitoribus nisi".
Das römische Notlager dürfte wirklich in einiger Entfernung gelegen haben. Auch das ergibt sich aus dem taciteischen Text.


Der Kalkriesewall war mit Sicherheit germanisch und er war keine geniale unüberwindliche Konstruktion. Der Wall war nicht geschlossen, damit leicht zu umgehen und hatte Durchgänge. Er unterstützte an der engsten Stelle nur die ohnehin günstige Position, da hier die stärksten Angriffe zu erwarten waren.

Da hast du mich missverstanden: Dass der Wall unüberwindlich war, habe ich nie behauptet, sogar die Behauptung entsprechend korrigiert. Die Genialität des Wall lag darin, dass er so angelegt war, einer schon geschwächte Truppe, die in die Enge gedrängt war, zu suggerieren, dass es einen Fluchtweg, eine Chance gäbe. Somit würden anstatt der gesamten verbliebenen Militärmacht nur ein Teil derselben kämpfen. Nach Tagen der Kämpfe dürfte es mit der Disziplin auch nicht zum Besten gestanden haben (siehe Numonius Vala). Die scheinbare Chance auf Flucht dürfte die Disziplinlosigkeit noch verstärkt haben.

Zu 2:
bei Tac. ann. I, 63, 3 steht, daß Germanicus "seine Legionen" zuerst an die Amisia zurückführte und sie dann zurückbrachte "wie er sie hergeholt hatte". Jedenfalls in meiner deutschen Übersetzung ( Bitte wie üblich korrigieren, wenn die Stelle das nicht hergibt ;-)
Diese Geschehnisse können sich meiner Meinung nach nur auf die vier Germanicus Legionen beziehen, denn
1. kann Germanicus nicht alle acht Legionen zurückführen "wie er sie hergeholt hatte" denn die waren getrennt an der Amisia erschienen.
2. hebt Tacitus unmittelbar danach hervor, daß Caecina eine eigenen Heeresgruppe führte, also waren das die "Legionen des Caecina".

Germanicus führte das Heer an die Ems zurück. Dort wurde es geteilt: Ein Teil fuhr mit dem Schiff, die Reiterei dürfte bis zur Küste Flankenschutz gegeben haben und dann an der Küste (durch das Gebiet der befreundetene Friesen) entlang zurück ins Reichsgebiet. Der letzte Teil, unter dem Befehl des Caecina, sollte die langen Brücken hinter sich bringen. Die Annahme, man habe sich schon geteilt, bevor man die Ems erreichte, ist zwar vom Text her nicht völlig unmöglich (weil der Text das nicht explizit negiert bzw. explizit das Verb teilen verwendet) aber unwahrscheinlich, wenn man a) die Reihenfolge berücksichtigt in der Tacitus berichtet und sich b) fragt, warum sich die Truppen zuerst an der Ems treffen sollen, um gemeinsam zu marschieren und dann auf dem Rückweg nicht zunächst gemeinsam zum Treffpunkt zurückmarschieren. Wenn Germanicus sich nur mit acht Legionen in das Gebiet jenseits der Ems traute, warum sollte er das Risiko eingehen, mit nur drei Legionen zurückzumarschieren, während Caecina mit fünf Legionen eine andere Route wählte?
Zudem verwendet Tacitus zwei Begriffe: Exercitus und legiones.
Germanicus führt das Exeritus, also das Heer, zurück zur Ems, er verschifft aber nur einzelne Legionen. Auch diese Formulierung spricht also für eine Trennung erst an der Ems.
Auch anderen Stellen ist für Tacitus das Exercitus die Gesamtmannschaft:
(noster exercitus sic incessit: auxiliares Galli Germanique in fronte, post quos pedites sagittatii; dein quattuor legiones et cum duabus praetoriis cohortibus ac delecto equite Caesar;...
Oder bei der Rebellion der Rheintruppen, dort wird unterschieden in ein inferioris exercitus und ein superioris exercitus, entsprechend der Provinzen Germania Inferior und Germania Superior, teilweise werden die zugehörigen Legionen einzeln genannt.)
Und die können sich durchaus noch an der Stelle befunden haben, an der Germanicus den Feldzug abgebrochen hatte. Meiner Meinung nach evtl. schon in Wesernähe weil
1. die Chauken als Bundesgenossen erwähnt werden. Damit wäre nach der an der Amisia geschlossenen ersten Zange, eine Neue entstanden, die das Gebiet zwischen Ems und Weser bedrohte

Die Chauken waren Wackelkandidaten. Sie hatten an der Varusschlacht teilgenommen, der Adler, der sich bei ihnen befand, konnte erst 41 zurückgewonnen werden. In der Schlacht von Idistaviso sollen sie Arminius sogar haben entkommen lassen.

2. der Feldzug im nächsten Jahr dort wieder aufgenommen/fortgeführt wurde.
Das ist so nicht richtig. Zunächst musste Aliso an der Lippe entsetzt werden und Silius ging erneut gegen die Chatten vor. Dann erst geht es per Flotte an die Ems - offenbar ohne erneut das Risiko einzugehen einen Teil der Armee durch das Emsland oder Westfalen zu schicken - um von dort aus zur Weser zu marschieren. Diese Änderung des Aufmarschplanes trotz der schlechten Erfahrungen mit der See, immerhin hatte man im Jahr 16 mit einer starken Sturmflut zur Tagundnachtgleiche zu kämpfen gehabt, die zwar keine überlieferten Schiffsverluste brachte, die aber die römische Flotte offenbar an die Weser (das Visurgin ist offenbar erschlossen, es wird nach Leidener Klammersystem in [eckigen Klammern] wiedergegeben) getrieben hatte. Rätselhaft ist das Verb contendere in diesem Zusammenhang: "amnem [Visurgin], quo Caesar classe contenderat." Contendere bedeutet 'vergleichen, eilen, sich anstrengen, behaupten, stürmen, verlangen'. Hat Germanicus an der Weser seine Flotte wieder unter Kontrolle bekommen (behauptet), nachdem der Sturm sie ihm entrissen hat? Oder ist er dorthin geeilt?
Jedenfalls wurde 16 nichts gewonnen, der Hauptfeldzug begann 17, wie 16, wieder an der Ems, nur dass man diesmal offenbar eine nördlichere Marschroute wählte, was zu dem Tidenunglück bei der Überquerung der Ems führt.
 
Das hatte ich schon verstanden, es ging mehr um das "eingeschlossen".

Die Funde rings um den Kalkrieser Berg (von S-O nach N-W) könnten sich durch diese "Kreiselbewegung" erklären, wenn zunächst nur mit der Spitze der kilometerlangen Kolonne die südliche Umgehung des Kalkrieser Erges versucht worden wäre. Bei dem ganzen Ablauf stelle ich mir die Germanen immer in der überhöhten Position - mit Beherrschung der Bergkuppe - vor, wobei zunächst die südliche Umgehung geblockt wurde.

Der lange Zug des Varus, bzw. die Hauptkolonne, versuchte dann die nördliche Umgehung zwischen Kalkrieser Berg und Sumpf. Damit bewegt sie sich entlang des Walls, wobei quer dazu auch - zur Verlangsamung hinhaltend und nach Westen rückziehend durch den Engpass - geblockt worden sein könnte. Das Ganze kollabiert dann entlang/parallel des Walles, eine letzte Zusammenballung würde am westlichen Teil erfolgt sein. Der Wall hätte außerdem die Verteilung Verteidiger/Angreifer zu Ungunsten letzterer verschoben, weswegen in der finalen Phase eine Umschließung der Römer durch den Wall, und quer zum westlichen und östlichen Ende plausibel wäre.
 
2. Das der Kalkrieser Wall provisorischer Art war ist ja unbestritten...aber wer sagt denn dass der Angrivarier Wall tatsächlich eine Grenzbefestigung sein muss? Die müsste dann ja über mehrere Dutzende Kilometer lang gewesen sein...und massiv....und dann keine Überreste wie vom Limes oder Hadrianswall? und es wäre die einzige Grenzbefestigung zwischen zwei germanischen Stämmen oder kennt jemand aus irgendeiner Quelle noch eine zweite feste baulich Grenze in irgendeiner Form zwischen zwei germanischen Stämmen des 1. Jhr. n.Chr.?
Die Kollegen, insbesondere Maelonn und Carolus, haben schon eine ganze Menge zum Angrivarierwall, seiner möglichen Lokalisierung und zu seiner Topographie im Vgl. auch zum Kalkrieser Wall gesagt; auch, dass die Spuren der Artillerie schlicht fehlen. Die Stelle bei Tacitus über den Angrivarierwall ist wirklich etwas rätselhaft. Letztlich bleibt aber - zumindest nach der taciteischen Überlieferung, und das ist nun mal bzgl. des Angrivarierwall die einzige, die wir haben - nur die Interpretation als Grenzwall:
silvas quoque profunda palus ambibat nisi quod latus unum Angrivarii lato aggere extulerant quo a Cheruscis dirimerentur.
Wälder und darum herum ging auch tiefer Sumpf, außer an einer Seite, an dem die Angrivarier einen breiten Wall/Damm aufgeworfen hatten, damit sie von den Cheruskern getrennt würden.

Wozu aber, muss nun die Frage lauten, wenn man annimmt, dass der Angrivarierwall kein schon länger existentes Grenzbauwerk, sondern ein ad hoc errichtetes Bauwerk gewesen ist, sollte der Wall die gemeinsam kämpfenden Cherusker und Angrivarier trennen? Welche taktische Funktion sollte das haben? Solange dafür keine befriedigende Antwort gefunden ist, ist die Interpretation als Grenzwall, wenn auch aufgrund Tacitus' Wortwahl auf dünnem Eis stehen, die einzige, die überhaupt einen Sinn ergibt.

Ein weiterer Beleg gegen den Angrivarierwall liegt im Wörtchen extulerant. Es handelt sich dabei um ein Wörtchen im Plusquamperfekt, also der Vorvergangenheit.
Wenn also Germanicus Arminius in der Schlacht von Idistaviso besiegt hat und die Römer deswegen ein Denkmal errichteten, woraufhin die Germanen, die eigentlich schon ihre Heimstätten verlassen wollten, um jenseits der Elbe zu siedeln (eine Behauptung, die man wohl nicht ganz ernst nehmen muss), wieder umkehrten, um die Römer im Marsch anzugreifen, dann ist es eher unwahrscheinlich, dass sie Gelegenheit hatten, vorher noch einen Wall zu errichten, an dem sich nun die Schlacht abspielen sollte. Der Wall muss also auch daher als älteres Bauwerk angesehen werden.
 
Das hatte ich schon verstanden, es ging mehr um das "eingeschlossen".

Die Funde rings um den Kalkrieser Berg (von S-O nach N-W) könnten sich durch diese "Kreiselbewegung" erklären, wenn zunächst nur mit der Spitze der kilometerlangen Kolonne die südliche Umgehung des Kalkrieser Erges versucht worden wäre. Bei dem ganzen Ablauf stelle ich mir die Germanen immer in der überhöhten Position - mit Beherrschung der Bergkuppe - vor, wobei zunächst die südliche Umgehung geblockt wurde.

Der lange Zug des Varus, bzw. die Hauptkolonne, versuchte dann die nördliche Umgehung zwischen Kalkrieser Berg und Sumpf. Damit bewegt sie sich entlang des Walls, wobei quer dazu auch - zur Verlangsamung hinhaltend und nach Westen rückziehend durch den Engpass - geblockt worden sein könnte. Das Ganze kollabiert dann entlang/parallel des Walles, eine letzte Zusammenballung würde am westlichen Teil erfolgt sein. Der Wall hätte außerdem die Verteilung Verteidiger/Angreifer zu Ungunsten letzterer verschoben, weswegen in der finalen Phase eine Umschließung der Römer durch den Wall, und quer zum westlichen und östlichen Ende plausibel wäre.

Es ist zumindest anzunehmen, dass es genauso gewesen sein könnte. Natürlich werden die Germanen die Römer schon vor der eigentlichen Engstelle aus Waldkanten und Verhauen aus angegriffen haben. A. Rost geht davon aus, dass die römische Ordnung aber dort noch einigermaßen vorhanden war. Wahrscheinlich haben die Römer auch noch Tote und Verletzte und auch deren Ausrüstung mitnehmen können. Das würde zumindest die relative Fundarmut vor dem Engpass erklären. Die eigentliche Katastrophe hat dann im Engpass stattgefunden. Daher auch die vergleichsweise große Anzahl an Fundstücken am Oberesch.

Wie ich bereits an anderer Stelle (in diesem gewaltigen Thread) erwähnt habe, wird die nächste Grabungskampagne nicht mehr im Engpass, sondern eher in der Umgebung stattfinden, u.a. spielt der Kalkrieser Berg dabei auch eine wichtige Rolle. Die Frage ist dabei auch, welche Infrastruktur den Germanen zur Verfügung stand. Auf die Ergebnisse dieser Grabungen kann man gespannt sein. Vieleicht kommt ja mehr Licht ins Dunkle...:fs:
 
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