Partisanenkrieg im Ersten Weltkrieg?

Diese Liste ließ sich beliebig fortsetzen; aber es waren beide Seiten, die sich Gräueltaten leisteten.
Gibt es eine Untersuchung oder fundierte Abschätzung wie das Zahlen-Verhältnis dieser war?
Denn Gräueltaten selbst häufen sich ja im Rahmen kriegerischer Auseinandersetzungen.
Gab es möglicherweise Gründe für das Abbrennen belgischer Ortschaften durch deutsche Truppenteile oder wurde das aus reinem Sadismus getan?
Selbst wenn es Gründe gab waren es doch Gräueltaten, die ja nicht eines "Sadismus" bedürfen um solche zu sein (?).

Also, ich versteh nur Bahnhof.
Ich meine der wichtigste Akteur des Grauens ist doch der, welcher eine Situation erzwingt die mit Sicherheit zu Gräueltaten aller Art führt.
(Und auch einem Soldaten in den Bauch zu schießen, woraufhin dieser jämmerlich verreckt, ist eine Gräueltat und gewiss keine Heldentat.)
 
Die deutschen Truppen hatten teilweise ganz erheblich Versorgungsengpässe, was nicht zuletzt daran gelegen hatte, das die Belgier beispielsweise Eisenbahnlinien, Tunnels, Brücken etc. sehr gründlich zerstört hatten und der Nachschub der Truppen hinterherhinkte.

Das musst du mir nicht erklären.
Schon bei völlig intakter Infrastruktur, wäre es bei den Implikationen des Schlieffenplans und den veranschlagten Marschleistungen extrem schwierig gewesen, die Versorgungslage bei allen Truppenteilen im zufriedenstellenden Bereich zu halten, zumal wenn man bedenkt, dass mehr oder weniger der gesamte Nachschub für Belgien und Nordfrankreich durch das Nadelöhr Lüttich und/oder über Luxemburg musste, wobei aus technischen Gründen Munition Vorfahrt haben musste.
In Teilen des Geländes, etwa im Ardennen-Abschnitt war ja auch das Bahnetz nicht besonders dicht ausgebaut, so dass mit Problemen zu rechnen war.

An einigen Verkehrsknotenpunkten wie Lüttich oder Namur waren schwere Gefechte zu erwarten, die in jedem Fall zur Sperrung und Beschädigung der Bahnen führen konnten.

Da war nicht zu erwarten, dass Versorgung immer funktionierte.

Nur wie gesagt, ohne Plünderungen als Verstoß gegen internationale Abkommen entschuldigen oder schönreden zu wollen, dass hat es immer gegeben.
Das "aus dem Land leben" war ja in der europäischen Militärkultur offiziell seit dem Frieden von Münster und Osnabrück 1648, spätestens seit dem Ausgang des 17. jahrhunderts und dem Übergang von regulären stehenden Heeren verpöhnt, ist ja nicht so, dass das vor der Haager Landkriegsordnung als legitim gegolten hätte.

Schaut man sich im Besonderen die Revolutions- und die Napoléonischen Kriege an, da wird geplündert was das Zeug hält.
Da hatte die Bevölkerung des Rheinlands, Süddeutschlands und Norditaliens so einiges zu erdulden, weil sich andauernd irgendwelche durchziehenden französischen oder österreichischen Truppen dort bedienten, die der Meinung waren da Krieg spielen zu müssen.
Ähnliches Teile Spaniens und Portugals, weil die Franzosen und Briten der Meinung waren dort Krieg abhalten zu müssen. etc.

Sicherlich sehr bedauerlich, dass das so vorgekommen ist, aber man muss nicht so tun, als wäre das spezifisch bei den Deutschen vorgekommen, oder als wären Beutegier oder purer Sadismus hier die Triebfedern gewesen.

Wenn es um das Erbeuten von Vorräten an Grundnahrungsmitteln wie Mehl geht, wie Dion bei Rupprecht v. Bayern zitiert, geht es offensichtlich darum Versorgungsprobleme zu beheben, nicht um Bereicherung oder pure Mord- und Zerstörugslust.
 
Das Ganze lässt sich erklären, aber nicht entschuldigen. Dass sich die angegriffenen Belgier wehrten, war ihr gutes Recht. Aber das hat die deutsche Führung so nicht erwartet. Sie erwarteten in Lüttich max. 9000 Mann (6000 Mann Feldtruppen und 3000 Mann Garde civique). Doch – Zitat:

Tatsächlich aber betrug die Zahl der Truppen, über die der vom belgischen König am 4. August 1914 mit der Verteidigung der Festung beauftragte General Gérard Leman nach dem schnellen Abschluss der Mobilmachung am 5. August gebot, fast 40.000 Mann.[16] Die seit dem Morgen des 4. August aus Bereitstellungsräumen bei Aachen, Eupen und Malmedy vorgehende deutsche Angriffsgruppe (11., 14., 27., 34., 38. und 43. Infanterie-Brigade (IB) sowie die 2., 4. und 9. Kavallerie-Division (KD)) war damit quantitativ zunächst deutlich unterlegen.[17]

Das verzögerte enorm den Zeitplan, und dass Lüttich trotzdem genommen werden konnte, verdankt man dem belgischen Befehlshaber, der die Stadt ohne Not vorzeitig räumte. Aber diese Verzögerung und den Blutzoll, der die Deutschen dabei zahlen müssten, schwächte den anschließenden Angriff auf Frankreich so, dass die Offensive an der Marne von den Franzosen abgewehrt werden konnte. Damit war Schlieffen-Plan erledigt und der Stellungskrieg begann, den man eigentlich vermeiden wollte. Im Grunde war schon zu diesem Zeitpunkt der Krieg verloren.
 
Das Ganze lässt sich erklären, aber nicht entschuldigen. Dass sich die angegriffenen Belgier wehrten, war ihr gutes Recht.

Und wer hat jemals wo irgendwas anderes behauptet?

Natürlich hatten die Belgier als angegriffene Partei grundsätzlich das Recht sich zu wehren, allerdings ausschließlich im Rahmen der durch internationale Vereinbarungen festgelegten legitimen Mittel der Kriegsführung und da gehört ein von nicht als Kombattanten zu erkennenden Partisanengruppen betriebener Guerilliakrieg einmal nicht dazu.

Nur weil sich Deutschland in Sachen ius ad bellum (Rechtfertigung den Krieg zu führen an sich) fragwürdig verhielt, hebt das nicht automatisch das ius in bello (Spielregeln innerhalb des Krieges) auf.


Das verzögerte enorm den Zeitplan, und dass Lüttich trotzdem genommen werden konnte, verdankt man dem belgischen Befehlshaber, der die Stadt ohne Not vorzeitig räumte.

Das Lüttich genommen werden konnte, stand zu keiner Zeitin Frage, weil die Befestigungen um Lüttich der schweren Belagerungsartillie nicht gewachsen waren.
Vielleicht wäre die Stadt etwas länger zu halten gewesen, allerdings hätte späteres Abziehen der Belgier den sicheren Rückzug eines Großteils der Truppen gefährdet und angesichts des Umstands, dass Belgien nur über eine kleine vernünftig ausgerüstete reguläre Armee verfügte, hätte der bei längerem Aushalten immer wahrscheinlichere Totalverlust entsprechende Risiken für Belgiens Fähigkeit überhaupt Krieg zu führen mit sich gebracht.

Vielleicht hätte Lüttich sich ein paar Tage länder halten können, was den deutschen Zeitplan gefährdet hätte, aber am Gesamtergebnis hätte das nichts geändert.

Aber diese Verzögerung und den Blutzoll, der die Deutschen dabei zahlen müssten, schwächte den anschließenden Angriff auf Frankreich so, dass die Offensive an der Marne von den Franzosen abgewehrt werden konnte.

Ne, das ist inhaltlich kompletter Unsinn.

Die deutschen Verluste bei der Belagerung von Lüttich betrugen etwas mehr als 5.000 Mann, die Belgischen an die 20.000.
Der Verlust von etwas mehr als 5.000 Mann, war für das Millionenheer dass das über Belgien nach Nordfrankreich vorstieß, kräftemäßig kaum spürbar und die Gründe für das militärische Scheiter an der Marne liegen ganz wo anders, angefangen dabei, dass von Anfang an, überhaupt nicht die Anzahl an Truppen vorhanden war, mit der Moltke geplat hat, über Verschiebungen vom Rechten auf den linken Flügel der Westfront bei den Planungen Moltkes, über das Abziehen der zwei Armeekorps zur Stabilisierung der Lage im Osten im Vorfeld der Marne-Schlacht, bis hin zu schlechter Koordination der vorstoßenden Armeen und individueller Fehler ihrer Kommandierenden kann man sicherlich einiges an potentiellen Gründen für dieses Ergebnis diskutieren, aber übermäßig große Verluste der deutschen Seite bei der Belagerung von Lüttich gehören mit Sicherheit nicht dazu.

Eroberung von Lüttich (1914) – Wikipedia

Damit war Schlieffen-Plan erledigt und der Stellungskrieg begann, den man eigentlich vermeiden wollte. Im Grunde war schon zu diesem Zeitpunkt der Krieg verloren.

Der Krieg war wahrscheinlich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu gewinnen.
Verloren war er frühestens mit dem Kriegseintritt der Amerikaner ohne dem, wäre es wahrscheilich auf ein blutiges Patt hinausgelaufen.
 
Selbst wenn es Gründe gab waren es doch Gräueltaten, die ja nicht eines "Sadismus" bedürfen um solche zu sein (?).

Selbstverständlich ist das Niederbrennen eines Dorfes eine Greueltat. Die Gründe hierfür waren überwiegend, das aus den Häusern der betreffenden Dörfer von Zivilisten auf deutsche Soldaten geschossen worden war.

Also, ich versteh nur Bahnhof.
Ich meine der wichtigste Akteur des Grauens ist doch der, welcher eine Situation erzwingt die mit Sicherheit zu Gräueltaten aller Art führt.

Du meinst im vorliegender Fall den Angreifer der völkerrechtwidrig die belgische Neutralität verletzt hatte. Ist das jetzt so zu interpretieren, da Deutschland rechtwidrig Belgien angegriffen hatte, das die Belgier deshalb von jeder Regel entbunden waren und absolut frei waren in der Wahl der Mittel der Kriegführung; also auch des Untergrundkrieges?

Dann wäre die Haager Landkriegsordnung so ziemlich sinnlos.

Es gab und gibt immer noch gewisse "Spielregeln" für einen "zivilisierten" Krieg und der Franktireurkrieg ist eine Verletzung der Spielregeln und ist darüber hinaus auch ziemlich hinterhältig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das musst du mir nicht erklären.
Schon bei völlig intakter Infrastruktur, wäre es bei den Implikationen des Schlieffenplans und den veranschlagten Marschleistungen extrem schwierig gewesen, die Versorgungslage bei allen Truppenteilen im zufriedenstellenden Bereich zu halten, zumal wenn man bedenkt, dass mehr oder weniger der gesamte Nachschub für Belgien und Nordfrankreich durch das Nadelöhr Lüttich und/oder über Luxemburg musste, wobei aus technischen Gründen Munition Vorfahrt haben musste.
In Teilen des Geländes, etwa im Ardennen-Abschnitt war ja auch das Bahnetz nicht besonders dicht ausgebaut, so dass mit Problemen zu rechnen war.

An einigen Verkehrsknotenpunkten wie Lüttich oder Namur waren schwere Gefechte zu erwarten, die in jedem Fall zur Sperrung und Beschädigung der Bahnen führen konnten.

Da war nicht zu erwarten, dass Versorgung immer funktionierte.

Nur wie gesagt, ohne Plünderungen als Verstoß gegen internationale Abkommen entschuldigen oder schönreden zu wollen, dass hat es immer gegeben.
Das "aus dem Land leben" war ja in der europäischen Militärkultur offiziell seit dem Frieden von Münster und Osnabrück 1648, spätestens seit dem Ausgang des 17. jahrhunderts und dem Übergang von regulären stehenden Heeren verpöhnt, ist ja nicht so, dass das vor der Haager Landkriegsordnung als legitim gegolten hätte.

Schaut man sich im Besonderen die Revolutions- und die Napoléonischen Kriege an, da wird geplündert was das Zeug hält.
Da hatte die Bevölkerung des Rheinlands, Süddeutschlands und Norditaliens so einiges zu erdulden, weil sich andauernd irgendwelche durchziehenden französischen oder österreichischen Truppen dort bedienten, die der Meinung waren da Krieg spielen zu müssen.
Ähnliches Teile Spaniens und Portugals, weil die Franzosen und Briten der Meinung waren dort Krieg abhalten zu müssen. etc.

Sicherlich sehr bedauerlich, dass das so vorgekommen ist, aber man muss nicht so tun, als wäre das spezifisch bei den Deutschen vorgekommen, oder als wären Beutegier oder purer Sadismus hier die Triebfedern gewesen.

Wenn es um das Erbeuten von Vorräten an Grundnahrungsmitteln wie Mehl geht, wie Dion bei Rupprecht v. Bayern zitiert, geht es offensichtlich darum Versorgungsprobleme zu beheben, nicht um Bereicherung oder pure Mord- und Zerstörugslust.

Das musst du mir ebenfalls nicht weiter erläutern.:)
 
Dass sich die angegriffenen Belgier wehrten, war ihr gutes Recht. Aber das hat die deutsche Führung so nicht erwartet. Sie erwarteten in Lüttich max. 9000 Mann (6000 Mann Feldtruppen und 3000 Mann Garde civique). Doch – Zitat:

Wenn du dir den aktuellsten Stärkenachweis des Generalstabes angesehen hättest ging man von folgenden Zahlen aus:
19.000 "Kriegsbesatzung", die ja ausschlaggebend war und die "Friedensbesatzung" von 6.000 Soldaten. (Nachzulesen im Handstreich gegen Lüttich, herausgegeben vom Generalstab und dort der Kriegswissenschaftlichen Abteilung). Dazu kommen noch weitere 3000 der nur zu Hilfsdiensten hinter der Front verwendbaren Garde civique.
 
Aber diese Verzögerung und den Blutzoll, der die Deutschen dabei zahlen müssten, schwächte den anschließenden Angriff auf Frankreich so, dass die Offensive an der Marne von den Franzosen abgewehrt werden konnte. Damit war Schlieffen-Plan erledigt und der Stellungskrieg begann, den man eigentlich vermeiden wollte. Im Grunde war schon zu diesem Zeitpunkt der Krieg verloren.

Das ist Quatsch. Die Niederlage an der Marne, wenn man das so definieren möchte, hatte ihren Ursprung nun sicherlich nicht in Lüttich.
 
Wenn es um das Erbeuten von Vorräten an Grundnahrungsmitteln wie Mehl geht, wie Dion bei Rupprecht v. Bayern zitiert, geht es offensichtlich darum Versorgungsprobleme zu beheben, nicht um Bereicherung oder pure Mord- und Zerstörugslust.

Es ist ja nicht nur das. Aus meinen Beiträgen sollte deutlich geworden sein, das die alliierten Propaganda u.a. auf angebliche und erfundene deutsche Greueltaten abstellte. Es gibt Historiker, die diese Propaganda noch heute verbreiten und dafür gefeiert werden.
 
Es ist ja nicht nur das. Aus meinen Beiträgen sollte deutlich geworden sein, das die alliierten Propaganda u.a. auf angebliche und erfundene deutsche Greueltaten abstellte. Es gibt Historiker, die diese Propaganda noch heute verbreiten und dafür gefeiert werden.

Wie gesagt, ich bin da nicht allzu tief im Thma drinn, so dass es mir schwerfällt einzuordnen, was nun im Einzelnen authentisch ist und was nicht, dass ist auch gar nicht mein Anspruch.

Das es entsprechende Greueltaten grundsätzlich gegeben hat, ist ja nicht abzustreiten, die Zerstörung von Leuven oder das Massaker von Dinant sind ja nicht weg zu diskutieren.

Mich interssiert einfach in welchem Ausmaß Partisanenaktivitäten tatsächlich stattgefunden haben und in welchem Ausmaß entsprechende Greuel damit im Zusammenhang stehen und in welchem Ausmaß das auch vorkam, ohne dass entsprechende Partisanenaktivität dem vorausgegangen ist.
Weniger aus interessen an irgendwelchen Schuldzumessungen, als weil mich tatsächlich die psychologischen Bleastungen der Truppen und die potentiellen Auswirkungen von Gerüchten ober Befürchtungen auf Grund von historischen Episoden (1870/1871) interessieren.

Ich hatte letztens Bremms Buch über den Krieg von 1870/1871 in der Hand (das wird dir ja bekannt sein), und war tatsächlich über seine Darstellung des "Volkskriges" in Frannkreich und über die relativ geringen Opferzahlen gestolpert, die wohl im Krieg von 1870/1871 tatsächlich auf das Konto französischer Partisanenaktivität gingen.

Das hat mich insofern nachdenklich gemacht, als dass mir die Verbreitung des Franctireur-Mythos und seine potentiellen Auswirkungen in keinem Verhältnis zu dem zu stehen scheinen, was 1870/1871 tatsächlich vorgekommen ist.

Zu dem Intersse mag auch beigetragen haben, dass ich vor Jahren Mark Jones' "Am Anfang war Gewalt" zu den Auseinandersetzungen am Beginn der Weimarer Republik gelesen habe und Jones Teile der wahrscheinlich unnötigen Gewaltanwendung vor allem mit "Autosuggestion" und Angst vor "russischen Verhältnissen" erklärt.


Um wieder den Bogen zu 1914 zurück zu schlagen interessiert mich auch, inwiefern Greueltaten, die keine Reaktion auf reale Partisanenaktivitäten darstellen, sondern vor allem auf Befürchtungen und Gerüchte zurückzuführen sind, möglicherweise auch in direktem Zusammenhang mit dem Umstand einer Wehrpflichtarmee und der Unerfahrennheit der Truppen stehen oder ob es auch Beispiele dafür gibt, dass das auch bei Berufsheeren vorgekommen ist.

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Problematisch finde ich dabei das Ganze einfach unter "Kriegsverbrechen" zu subsummieren und mit Dingen in einen Topf zu werfen, die mit diesem Komplex relativ wenig zu tun haben.

Die meisten Berichte über Plünderungen, ich denke, da sind wir uns einig, dürften durchaus authentisch sein und ich würde auch dazu tendieren als solche überlieferte Greueltaten, die mit Plünderungen im Zusammenhang stehengrundsätzlich für authentisch zu halten.
Wir wissen, dass der Krieg kurz nach der Ernte-Saison losging (Ernteurlaub bei den K.u.K-Kadern im Juli) und manch ein Bauer in Belgien wird sicherlich rot gesehen haben, wenn sich einfallende Soldaten zu großzügig an der Ernte oder am Saatgetreide oder am Nutzvieh bediehnt haben.
Sehr gut denkbar dass da der eine oder andere Bauer auch schon einmal unbesonnen zur Jagdwaffe gegriffen hat oder dass sich Soldaten, die in einem Dorf "requirierten" auf einmal in deutlicher Unterzahl der versammelten zornigen Einwohnerschaft gegenüber sahen und die Nerven verloren. Sowas wird sicherlich vorgekommen sein und gab es auch umgekehrt.

Als 1923 die Franzosen und Belgier des Ruhrgebiet besetzten, kam es zu blutigen Auseinandersetzungen auf dem Firmengelände von Krupp.
Was war passiert? Die französischen Soldaten waren mit einer erheblich größeren, möglicherweise gewaltbereiten Gruppen von Arbeitern konfrontiert, die ihren Unmut über die Besatzung zum Ausdruck brachten, irgendwer hat die Nerven verloren und etwas in dieser Situation dummes getan und schon war die Eskalation passiert.

Aber bei solchen und vergleichbaren Vorfällen war eine Situation gegeben, in der die betreffeden Soldaten einer realen Gefahr, in Form einer aufgebrachten Menge gegenüberstanden.

Interessanter finde ich die Fälle, bei denen das nicht der Fall war und es trotzdem zu Greulen gekommen ist oder wo die entsprechenden Taten ein Ausmaß angenommen haben, dass in keinem Verhältnis mehr zu der vermuteeten Bedrohung steht, so wie das in Leuven und Dinant der Fall war.
 
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So weit mir bekannt, sind in der Forschung immer "nur" die Zahlen der belgischen Opfer, die Rede ist von ca.5.000 bis 6.000 Opfer, darunter auch Frauen und Kinder, genannt worden. Es ist vollkommen unstrittig das es Greueltaten, auf beiden Seiten, gegeben hat. Es ist nur die Schwarz-Weiß Betrachtungsweise zu beklagen. Belgische Opfer, deutsche Verbrecher und da kommt dann die Frage der Schuld ins Spiel.
Gerade nach dem Ersten Weltkrieg spielte Belgien bei der Abrechnung mit Deutschland eine nicht gerade unerhebliche Rolle und wie allgemein bekannt, Deutsche wurden weder gehört noh konnten sie sich äußern. Französische und vor allem belgische Historiker halten an den althergebrachten Positionen fest; bis heute.
Selbst ein Gert Krumreich, ist ja schließlich nicht irgendjemand, räumt mittlerweile seine Position bezüglich des stattgefundenen Franktireurkrieges.
Seit über 60 Jahren wird behauptet, inklusive und wenig überraschend deutsche Historiker, wie deutsche Soldaten angeblich grundlos und unprovoziert in Belgien wüteten. Zig Tausende von Zeugenaussagen blieben einfach unbeachtet, obwohl diese die Alleinschuldthese widerlegen.

Ein paar Wort zu den von dir genannten Löwen. Als der Gefreite Willi Huth vom IR162 am Abend des 25.August 1914 durch die Innenstadt Löwens marschierte, brach plötzlich ein heftiger Feuerüberfall aus den privaten Wohnungen der städtischen Bevölkerung los. "Es wurde aus Fenstern, Etagen, Bodenluken und Kellerfenstern geschossen [...] . Zu der Zeit befanden sich keine regulären belgischen Truppen in der Stadt.

Partisanentätigkeiten gab es beispielsweise in Andenne, Lüttich, Löwen aber auch Dinant. Es gibt aber zahlreiche weitere Beispiele.

Es ist unstrittig das es Greueltaten deutscher Soldaten gegeben hat; aber die gab es auch von den irregulären belgischen Untergrundtruppen und das wird vehement bestritten; beispielsweise eben von Horne und Kramer.
 
Ebenso so wenig wie den belgischen Genozid an der Bevölkerung des Kongo, der 1914 noch nicht wirklich lange her war. Ich erwähne das, da häufig von poor little Belgium gesprochen wird.
Schon wieder ein Versuch der Relativierung, so nach dem Motto, diese Belgier haben vorher in Afrika auch gemordet – was beschweren sie sich!

Partisanentätigkeiten gab es beispielsweise in Andenne, Lüttich, Löwen aber auch Dinant. Es gibt aber zahlreiche weitere Beispiele.
Ja, Partisanentätigkeiten hat es gegeben. Was blieb einem unterlegenen Land auch übrig, wenn es ohne Kriegserklärung von einem Millionenheer überfallen wird? Sollte man zulassen, dass dieser unbeschwert durch das Land spaziert, als wäre es sein eigener?

Im Schlieffen-Plan war vorgesehen – und 1914 auch in die Tat umgesetzt – die Neutralität Belgiens zu missachten. Belgien hat das nicht akzeptiert und auch nicht kapituliert, sondern kämpfte weiter mit Mitteln, die es hatte. Im Gegensatz zum Einmarsch der deutschen Truppen und der Besetzung Belgiens war das legitim.

Man muss schon unterscheiden zwischen dem Aggressor und dem Verteidiger.
 
Bleib doch ruhig und sachlich. Ich kann ja schon den Schaum vor deinem Mund sehen. Zur Information: Wir schreiben zwischenzeitlich das Jahr 2023. 1914 ist schon ein paar Tage zurück.

Schon wieder ein Versuch der Relativierung, so nach dem Motto, diese Belgier haben vorher in Afrika auch gemordet – was beschweren sie sich!

Völkermord als Relativierung abzuqualifizieren; auch nicht schlecht. Ändert nichts an dem gegeben Fakten und das Messen mit zweierlei Maß deinerseits.

Belgien hat das nicht akzeptiert und auch nicht kapituliert, sondern kämpfte weiter mit Mitteln, die es hatte. Im Gegensatz zum Einmarsch der deutschen Truppen und der Besetzung Belgiens war das legitim.

Na, da ist ja schon wieder, das sorgfältig kultivierte "Poor Little Belgium", gleich neben der noblen Vertragstreue Englands gegenüber Belgien. Und wie du Millionen von Toten einfach wegwischt, das hat schon Geschmäckle.

Der Untergrundkrieg war eben nicht legitim. Gemäß Artikel 2 der Haager Landkriegsordnung war ziviler Widerstand in Gebieten, die in Feindeshand waren, untersagt.
Eine Grundregel der Haager Landkriegsordnung für jeden bewaffneten Widerstand war u.a. das offene Trage von Waffen. Das bedeutet, das Waffen so getragen werden müssen, das plötzlich, heimtückische Überfälle unmöglich wurden. Des Weiteren mussten Freund und Feind klar erkennbar sein; entweder entsprechende Uniformen oder nicht zu übersehende Abzeichen. Dagegen verstieß praktisch der gesamte belgische Partisanenkrieg und verletzte damit auch das Völkerrecht, in dem man eben von den Waffen hinterhältigen Gebrauch machte, was doch häufig der Fall war.
 
Man muss schon unterscheiden zwischen dem Aggressor und dem Verteidiger.

Das möchte ich dich bitten doch etwas näher auszuführen.

Bit du allen Ernstes der Meinung, das in den zahllosen Kriegen das internationale kodifizierte Recht lediglich für die Angreifer Gültigkeit besitzt und die Verteidiger können vollkommen wahllos ohne jegliche Beachtung irgendwelcher Regeln zur Tat schreiten?
 
m Schlieffen-Plan war vorgesehen – und 1914 auch in die Tat umgesetzt – die Neutralität Belgiens zu missachten. Belgien hat das nicht akzeptiert und auch nicht kapituliert, sondern kämpfte weiter mit Mitteln, die es hatte.

Die Deutschen wollten nicht per se Belgien angreifen; Brüssel wurde angeboten, das man die deutschen Armeen das Land durchqueren läßt und das Berlin selbstverständlich für alle entstandenen Schäden aufkommen würde. Das sollte der Vollständigkeit halber auch erwähnt werden.
 
Ich finde, man muss bei kriegerischen Auseinandersetzungen unterscheiden zwischen dem Aggressor und dem Verteidiger, der das eigene Land verteidigt und dem dieser Kampf aufgezwungen wurde. Wenn du diesen Unterschied bei Deutschland/Belgien im Jahr 1914-1918 nicht siehst, dann darfst du ihn auch nicht beim aktuellen Krieg Russland/Ukraine sehen.
 
Das heißt also frei übersetzt: Du bist für eine Entrechtung des Krieges. Kriege haben immer einen Angreifer und einen Verteidiger. Anders kann es leider gar nicht sein. Wenn Kriege entrechtet werden, dann möchte ich nicht wissen und erleben, was das für den Alltag des Krieges bedeutet.
Was meinst du weshalb sich die Nationen soviel Mühe gegeben haben, ein Regelwerk für eine "zivilisierte" Kriegsführung zu erschaffen?
 
Das heißt mit anderen Worten: Wenn ihr Hunger habt, geht in die (belgische) Häuser und nehmt euch, was ihr braucht. Das nennt man dann nicht Diebstahl, sondern organisieren, klar.

Gemäß Artikel 52 der Haager Landkriegsordnung dürfen Requisitionen, die ausschließlich den Bedürfnissen des Besatzungsheeres dienen, Nahrungsmittel gehören wohl ganz sicher dazu, und die zuständige Intendantur nicht in der Lage ist das Nötige im Umfang und rechtzeitig zu beschaffen, durchgeführt werden.

Das ist etwas, was Horne und Kramer "vergessen" haben in Ihrem Buch zu erwähnen.

Plünderungen sind Bestandteil des deutschen Militärstrafgesetzbuch, des Kriegsgesetzbuches und den entsprechenden Kriegsartikeln geregelt und grundsätzlich unter Strafe gestellt.
 
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