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Vor diesem Hintergrund trägt Russland im Rahmen seiner Rolle als Großmacht und als Teilnehmer an einem europäischen Wettrüsten seinen Anteil an den langfristigen Ursachen für den WW1. Hinsichtlich der kurzfristigen Faktoren für den Juli 1914 liegt der Anteil seiner Verantwortung eher unter dem anderer Mächte.
Ich denke es ist erwähnenswert, dass der von Dir erwähnte Trachtenberg in diesem Punkt die genaue Gegenposition vertritt.
Das ist so sicherlich nicht korrekt. Er schreibt: "Their strategy was not preemtive but reactive: for political resaons, they were conceding the first move to their adversaries." (Trachtenberg: The coming of the firste world war. in : ders: History & Strategy,S. 95)
Das bezieht sich im wesentlichen auf die enge zeitliche Abfolge der Mobilisierungen, aber nicht auf die strategische Entscheidung von Moltke, der russischen finalen Rüstung des Jahres 1916 zu "prävenieren".
(PDF-Seite 30 oben - Übersetzung durch mich)Auf der anderen Seite drängten die russischen Generäle auf eine frühe Mobiliserung. Doch dies geschah nur weil sie aus politischen Gründen den Krieg für unausweichlich hielten, eine Sicht die auch von der zivilen Regierung geteilt wurde. Eine Entscheidung für die Generalmobilmachung war ganz bewußt auch eine Entscheidung für den Krieg: Es war nicht der Fall, dass Sazanov, und die politische Führung als solche, während sie verzweifelt versucht hätten den Frieden zu wahren, durch den „Sog der militärischen Zielvorgaben“ in den Abgrund gezogen wurden.
(PDF-Seite 29 - Übersetzung durch mich)Sazonov ging weder in die Falle seiner eigenen Ignoranz, noch wurde er durch den Druck der Generäle überwältigt. Er hatte seine Entscheidungen sehenden Auges gefällt; er wurde nicht in eine Panikreaktion gedrängt.
Um es also zusammenzufassen: obwohl Präemption [die Absicht Anderen durch den ersten Schritt zuvorzukommen] offenkundig 1914 einen Einfluss hatte, so wird diese in einem großen Teil der Literatur stark übertrieben. Sie [die Präemption] spielte in den letzten Stunden der Krise auf russischer Seite eine Rolle, und selbst hier nur deshalb weil es der politischen Einschätzung entsprach, dass der Krieg unausweichlich sei. Beim Entstehen dieses Urteil, spielte sie [die Präemption] eine sehr geringe Rolle im Vergleich zu all den anderen Faktoren die an erster Stelle standen. Auf Seiten der Deutschen war sie minimal. Die Deutschen wollten, dass die Russen als die Ersten eine Mobilmachung anordneten, und wären hocherfreut gewesen, wenn nach dieser die Franzosen als erste angegriffen hätten. 94) Ihre Strategie war nicht präemptiv sondern reaktiv: aus politischen Gründen überließen sie den ersten Schitt ihren Widersachern. In gegewärtiger Terminologie war dies eher eine „Zweitschlag-“ als eine „Erstschlagstrategie“ und kann in diesem Sinn kaum als „destabilisierend“ betrachtet werden.
Gerade gefunden:
Im Zuge Lemberg-Offensive nahmen k.u.k. Truppen Einheiten aus Sibirien und dem Kauskasus gefangen. Aufgrund der enormen Tiefe des russischen Raumes gelangt Manfried Rauchensteiner zu dem Schluß, das Russland bereits viel früher als bisher bekann, nämlich im letzten Drittel des Juli 14, begonnen haben muss zu mobilisieren und sich systematisch auf dem Krieg vorzubereiten.
Manfried Rauchensteiner, Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburger-Monarchie, S.248
silesia schrieb:"Nun ist die immer wiederkehrende Behauptung, Rußland habe schon kürzere oder längere Zeit vor dem 30. Juli 1914 eine Reihe von Armeekörpern, zumal die sibirischen, auf Kriegsfuß gesetzt, wohl nicht aufrecht zu erhalten
thanepower schrieb:1. In vorangegangenen Krisen zwischen 1905 und 1913 hat Russalnd als Großmacht dem DR bei politischen Konflikten nachgegeben wie 1908 besonders deutlich.
Ich denke es ist erwähnenswert, dass der von Dir erwähnte Trachtenberg in diesem Punkt die genaue Gegenposition vertritt.
Folgt man seiner Darstellung war die Haltung des DR "reaktiv" und nicht aktiv, und könne dergestalt kaum als "destabilisierend" betrachtet werden. Nach Trachtenberg sind sowohl die Mobilisierung Russlands, als auch die vorangegangenen Vorbereitungen dazu, nicht etwa als Kriegsvermeidungsstrategien zu sehen, sondern als Handlungen, die sich aus der Einschätzung ergaben, dass der große europäische Krieg unvermeidlich sei, und es deshalb ein Gebot der Stunde sei, sich diesem, im vollen Bewußtsein der unvermeidbaren gesamteuropäischen Ausweitung, zu stellen.
Wie kommt Rauchensteiner denn bloß dazu, so eine These aufzustellen?
Wobei es ja die Frage ist, welche These Rauchensteiner hier (Der Erste Weltkrieg - Und das Ende Der Habsburger Monarchie - Seite 248) aufstellt.
Denn wie Silesia korrekt zitiert schreibt er "Die Reservedivisionen waren schon Ende August mobilisiert gewesen, was darauf schließen ließ, dass die Russen ihre Mobilmachung schon früher eingeleitet und sich systematisch auf den Krieg vorbereitet hatten." (Hervorhebung durch mich)
Er bezieht sich möglicherweise (oder naheliegend) eher auf die Wahrnehmung der k.u.k-Seite zur fraglichen Zeit. Denn er schreibt ja nicht 'was darauf schließen lässt'.
Wollte man hier eine These Rauchensteiners sehen, so ginge diese nicht notwendigerweise aus der Betrachtung auf Seite 248 hervor, sondern es bräuchte eine weitere Begründung.
Ich schätze Rauchensteiner (auch seine Darstellungen zum Kriegsende 1945) im Übrigen sehr, aber - um das mal auf den Punkt zu bringen - hier schwafelt er herum. Die MOB-Phase der russischen Seite ist reichlich geklärt, man kann die Divisionen mit Zeit und Ort des Auftretens durchdeklinieren. Daran ist nichts Mysteriöses, was der bekannten Dramaturgie der letzten Juli-Dekade widersprechen würde.
Bemerkenswert ist höchstens das organisatorische Desaster der österreichischen Mobilisierung, nachdem man diesen Krieg und diese Front seit dem 7.7.1914 vorsätzlich auf dem Schirm hatte, und hineinstolperte, als wäre man kalt erwischt worden.
http://www.geschichtsforum.de/736862-post17.htmlDer Erste Weltkrieg wird von den verschiedenen "beteiligten"/engagierten wissenschaftlichen Disziplinen als eines, oder sogar als das komplexeste Ereignis der Weltgeschichte angesehen.
Ich kann jetzt nicht erkennen inwiefern Rauchensteiner hier 'herum schwafelt' und nicht etwa, so wie ich es vermute und zu verstehen meine, eine zeitgenössische Sicht der k.u.k.-Seite wiedergibt.
Das ist relativ einfach:
Rauchensteiner gibt hier nicht nur zeitgenössische Sicht dar, sondern er stützt sich quellenseitig ohne Prüfung auf ÖUlK Band I und transportiert die dortige Spekulation. Damit kommt er bei seinem Standpunkt an, dass ÖU hier einer längerfristig geplanten russischen Inszenierung erlegen sei, und das Rußland angeblich früher als bekannt mobil gemacht habe.
Was ich in dem gegebenen Kontext für nicht ganz unwichtig halte, ist der französische Präsident Poincare. Er wandelte das Bündnis mit Russland in ein offensives um. So versicherte Poincare im März des Jahres 1912 des russischen Botschafter Iswolsky, der das umgehend seinen Außenminister Sasonow mitteilte, das Frankreich zwischen einen lokalen Konflikt auf dem Balkan und seinen übergeordneten strategischen Interessen keinen prinzipiellen Unterschied mehr mache.
Nachzulesen bei Clark und Leonhard.
Poincare erteilte damit den Russen schon mehr oder weniger einen Blankoscheck und er verrengte vollkommen unnötig die französischen Handlungsoptionen um im Falles eines Falles mäßigend auf Petersburg einwirken zu können
http://www.geschichtsforum.de/f62/r...voraussetzung-und-der-eintritt-den-ww1-48326/
Die Interpretation der vertraglichen Bindungen des Zweiverbandes ist in der Forschung höchst umstritten. Derzeitige Basis und sozusagen Ausgangspunkt des Streits ist die Analyse von George Kennan (siehe auch Schmidt, Julikrise und Keiger, France and the origins..., etc.).
Kennan hat herausgearbeitet, dass der Vertrag im Wortlaut der Artikel 1 und 2 widersprüchlich ist (ironisch mit "gegenseitiger Lüge" bezeichnet), außerdem und unbedingt (Artikel 2) gegenseitigen Beistand für den europäischen Krieg mit den Mittelmächten unabhängig von "Agression" oder Verursachung ansieht.
Anders als die Bedeutung des Vertrages für Russland ist der Vertragswert für Frankreich in einer existentiellen Lebensversicherung gegen den Konflikt mit dem Deutschen Reich einzuschätzen. Die 1912 (und 1909) bereits formulierte politische Linie der französischen Außenpolitik hatte die prinzipielle Vorstellung, dass eine Konfrontation von ÖU und RUS in jedem Fall die deutsche Mobilmachung auslösen würde.
Das ist wiederum der Bündnisfall gemäß Artikel 2.
Wie bereits zwischen FRA und RUS Mittel Juli 1914 formuliert, ging man (zutreffend!) davon aus, dass das Deutsche Reich hinter einem österreichischen Angriff auf Serbien stehen würde, für den Russland (das eigentliche Ziel von Bethmanns Risikopolitik und von Deutschlands Blankoscheck, der eine antirussische Zielrichtung hatte) beistandspflichtig wird.
Ein Teil der Literatur, der im Juli 1914 nun eine Erweiterung der Bündnispflichten FRAs gegenüber Russland sieht, bis hin zu einem französischen Blankoscheck, interpretiert diese Verträge ausschließlich politisch-formal, und übersieht außerdem die geänderten politisch-militärischen Rahmenbedingungen gegenüber 1894. Die Vertragsrealitäten und der materielle Gehalt des Vertrages werden vielmehr - üblich in der juristisch-vertraglichen Auslegung der Verpflichtungen - teleologisch ermittelt: Den europäischen Großmächten war 1914 völlig klar, dass eine Generalmobilmachung die äußerste diplomatische Krise, kurz vor einem möglichen Krieg, bedeutet. Dafür bestand die Beistandsverpflichtung nach Artikel 2 unabhängig vom Anlass.
Die teleologische Auslegung des Vertrages wird aus dem Schriftwechsel 1909 deutlich:
a) Erhaltung des Friedens und des militärischen Gleichgewichts in Europa (durch Abschreckung, eine vergleichbare Grundkonstellation wie die Bündnissysteme im Kalten Krieg)
b) Sicherung der gemeinsamen und dauerenden Interessen der beiden Länder (zu einzelnen Krisenfall definieren!).
Der materielle Gehalt des Vertrages bestand damit seit 1894 in einer Abwägung.
FRA hat zuvor in mehreren Krisen in genau dieser Abwägung signalisiert, es sehe den Bündnisfall nicht als gegeben an. Diese Abwägung musste im Juli 1914 anders ausfallen, in dem prognostizierten worst case: Krieg ÖU/RUS und sofortige Beteiligung des DR gegen RUS.
1914 war man sich klar, dass
a) das DR hinter der kriegskalkulierenden Haltung von ÖU "steckt"
b) dass wie 1911 (diplomatische "Blaupause" für die abschreckend-feste Haltung gegen das DR in Form der Mansion-House-Rede), somit ein Signal der Festigkeit gegenüber DR/ÖU den Krieg vermeiden würde
c) die Mittelmächte eine Interessenzone über Südosteuropa bis zu den Meerengen ausdehnen wollten (siehe Rose) und damit das europäische Gleichgewicht verschieben wollen.
In genau dieser Abwägung ist keine Ausdehnung/Erweiterung des Bündnisfalles des Zweiverbandes FRA/RUS gegeben, sondern die Anwendung seines Grundtatbestandes. Wie gesagt, diese Interpretation ist in der Literatur umstritten, ebenso wie die konträre Auffassung, nach dem Wortlaut des Vertrages sei eine Erweiterung des Bündnisregelungen vorgenommen worden.
Es ist daher sicher nichts dagegen einzuwenden, die Position der "Erweiterung der frz. Bündnispflichten" mit Verweis auf einige Autoren zu vertreten (die Position "französischer Blankoscheck" ist mE völlig überzogen, weil hier allein der Vorbehalt einstand, dass GB ebenfalls eine harte Haltung und ggf. Beistand garantieren würde).
Der Position sollte man allerdings der Klarheit halber anfügen, dass sie in den Detailforschungen zu dieser Frage keine herrschende Auffassung darstellt.
Warum bitteschön soll er denn nicht genannt werden? Es ist ein neues, von der Kritik sehr positiv aufgenommenes, umfassendes Werk zum Ersten Weltkrieg.silesia schrieb:Warum Leonhard hier aufgezählt wird, obwohl er Wertungen nur von Clark abschreibt und keinen eigenen Beitrag zur Klärung bringt, verstehe ich nicht. Es ist bemerkenswert: das Standardwerk zu Frankreich (Keiger, France and the Origins) wird von Leonhard überhaupt nicht verwertet, nicht mal im Literaturverzeichnis aufgezählt (Keiger taucht einmal mit der Poincare-Biografie auf, in der Forschung dürfte man so ein Einzelzitat wohl als Feigenblatt sehen)
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