...und Varus wird immer weiter geschlachtet

Biturigos, da bin ich erstaunt und freue mich.Es sieht so aus, als wären meine Herleitungen zum Wald nicht vergebens(s.Polybios)
Fama erat, die Römer hatten ein Waldproblem in Verbindung mit Hinterhalten.

Allerdings wohl nicht nur Römer. Aber da es Invasoren waren, hat man wohl einen Augenmerk auf deren Fehler gehabt.
Auch Römer konnten sich in einen Hinterhalt legen, ein Beispiel habe ich vor Augen, müsste es jedoch in den Quellen suchen: ein arglos mit Beute beladener Zug Keltiberer wird von im Hinterhalt liegenden römischen Kohorten überfallen. Ob in einem Wald, weiß ich nicht mehr. Mag sein, dass es ähnliche Hinterhalte z.B. gegen zurückziehende Gegner (Alemannen) von römischen Legionen gegeben hat.

Ein Hinterhalt funktioniert dann, wenn die Aktive Konfliktpartei weiß, wohin der Gegner ziehen wird (Alemannen zurück zum Rhein, Keltiberer zurück in die Berge), und die passive Partei arglos ist, d.h. nicht über den Standort und die Bewegungen der Gegner informiert ist. Und er funktioniert, wenn die aktive Partei ausgezeichnete Ortskenntnis hat - tendenziell auf eigenem Terrain besser - bei Hannibal sieht man, dass eine gute Aufklärung, für die Hannibal gelobt wird, ausreicht - und seine taktischen Vorteile zu nutzen weiß.

Bei der Schlacht an den langen Brücken ist mir aufgefallen (falls Tacitus das Varusereignis neu inszeniert, wäre das Vorgehen Arminius bei beiden Kämpfen vergleichbar), dass die Reiter gleich mit Wurfspeeren angegriffen werden (2.Tag), auch Caecinas Pferd stürzt zu Beginn blutüberströmt zu Boden, und Caecina wurde fast umringt. Die Reiter werden am 3.Tag der Schlacht nicht mehr erwähnt. Es wirkt, als wären die Alen ausgeschaltet worden.Nach dem Feldzug des Germanicus bieten Italien, Gallien und Hispanien um die Verluste zu ersetzen Waffen, Pferde und Gold an, Germanicus lobt diesen Einsatz, und nimmt Pferde und Waffen an (Tac. Ann. I, 71).

Beim Hinterhalt, den V.Paterculus während des Pannonischen Aufstands beschreibt, sind die Verluste beim Führungspersonal relativ früh erheblich:"die Lage war zwar schon kritisch, einige Militärtribunen waren bereits vom Feind getötet, ebenso der Lagerkommandant und mehrere Führer der Kohorten. Auch die Centurionen waren nicht ohne Blessuren geblieben, und sogar Hauptleute aus dem ersten Glied waren gefallen." (Pat. II, 112, (6) In dieser Schlacht wurde die komplette Reiterei gleich zu Beginn der Umzingelung geschlagen und flüchtete, die Reiterei des thrakischen Königs und die Schwadronen der Bundesgenossen. A. Caecina Severus (ja, der Aulus Caecina Severus von den pontes longi) und Plautius Silvanus waren die Oberkommandierenden, ihr Heer wurde bei den Volcaeischen Sümpfen angegriffen, entscheidend war wie in der Schlacht an den Langen Brücken die Verteidigung des Lagers (Cass. Dio 55,32,3), und der Mut der Legionen, die eigenständig den Feind angriffen (V.Paterculus II,112,6).

Die beiden Schlachtbeschreibungen (Cassius Dios und Velleius Paterculus) widersprechen sich: während Paterculus Version wie ein Überfall beim Marsch klingt, ist es bei Cassius Dio der überraschende Angriff auf ein Lager und die davor sich aufhaltenden Soldaten. Mir erscheint V.Paterculus Version realistischer, ein von fünf Legionen verteidigtes reguläres Lager anzugreifen ist wenig aussichtsreich für Angreifer.

Beim Varusereignis wurden drei Alen besiegt, nach meiner Erinnerung wurden die Reiter gleich in die Flucht geschlagen, oder täusche ich mich da? Möglicherweise war der Angriff auf die Reiterei als beweglichstes Truppenteil, auch für die Aufklärung von gegnerischen Bewegungen und Stellungen geeignet, ein Element des Angriffs, auch ein schneller Angriff auf das Führungspersonal könnte dazu gehört haben. Die Schlacht bei den Volcaeischen Sümpfen (7.n.Chr.) klingt wie eine Blaupause für einen (fast) erfolgreichen Hinterhalt, der die Schwächen des römischen Militärs ausnutzt.

Auch beim pannonischen Aufstand war der Kern des aufständischen Militärs Auxiliartruppen unter militärisch erfahrenen und tüchtigen Anführern, Paterculus spricht davon, dass in ganz Panonnien römische Kriegsdisziplin herrsche, die römische Sprache und der Gebrauch der Schrift wäre weit verbreitet (II, 110,3-4). Arminius konnte seine Mitverschwörer am plastischen Beispiel der Hinterhalte und Überraschungsangriffe im Pannonnischen Krieg erklären und überzeugen, wie die Römer besiegbar sind.
 
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Biturgios,
Deinen Beitrag kann ich nachvollziehen,
die anfängliche Niederlage der 3 Alen habe ich nicht gelesen oder -mein Fehler-überlesen.Da der Schlachtverlauf nur von Dio einigermaßen wiedergegeben wird, fehlen mir wohl ein paar Seiten,oder:ich weiß es nicht. Diese Kurzfassungen habe ich aus "Varus,Varus", mein Tacitus taugt da nichts, er beginnt später.
Die von Dir zitierte Lekture "Paterculus etc. würde mich interessieren. Gibt es auch ein Buch mit den von Dir zitierten Textstellen?
Eine gewisse Duplizität der Ereignisse vermute ich auch. Aber es kann auch die schriftstellerische Übernahme eines Ereignisses in ein anderes Geschehen sein(siehe caecina im Traum....Varus erscheint).
Und es sind die Einwände von sepiola und ElQuijote zu bedenken, die die dramatischen Zuspitzungen ablehnen(bei Tacitus). Paterculus ist mir nur bekannt als Verehrer von Tiberius; das schließt wahrheitliche darstellung nicht aus. Aber dafür muß ich mir ein Bild von den Paterculusschilderungen machen können.
Noch eines kleines Wort zu meinemTacitusbuch(Deutsch).Liest sich wie ein Krimi, total spannend.
 
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe hat eine sehr schöne und übersichtlich gestaltete Auflistung und Gegenüberstellung der diesbezüglichen Texte, mit Übersetzung, von Velleius Paterculus, Florus, Tacitus und Cassius Dio:


Die Flucht der Reiterverbände, und letztlich ihr Untergang, wird bei Velleius Paterculus in [42v] mit der Schilderung des Verhaltens des Legaten Vala Numonius beschrieben.

Aber, was hätten die Reiter schon in diesem Gelände bewirken können? Da waren sie genau so nützlich wie ein Panzer im Baggersee.

Auch im Gelände knapp südöstlich oder südlich des Kalkrieser Berges sind langgestreckte Bergrücken, die eine Flucht, geschweige denn eine Entfaltung der Reiterverbände von vornherein vereitelten. Und wären sie vorher schon abgeteilt worden, zur seitlichen Sicherung, hätten sie Varus in diesem Gelände auch nicht mehr zur Hilfe kommen können.
 
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Beim Varusereignis wurden drei Alen besiegt, nach meiner Erinnerung wurden die Reiter gleich in die Flucht geschlagen, oder täusche ich mich da?
die anfängliche Niederlage der 3 Alen habe ich nicht gelesen oder -mein Fehler-überlesen.
Die steht auch so nirgends drin.

Velleius schreibt, dass ein Bericht Rom erreichte, wonach drei Legionen, drei Alen und sechs Kohorten untergegangen seien.

Auf das Schlachtgeschehen kommt er erst später zu sprechen. Da schreibt er dann, der Legat Vala Numonius habe die Fußsoldaten im Stich gelassen und sei mit den Reitern abgehauen. Als Legat kommandierte Vala eine Legion; man könnte die Stelle auch so lesen, dass er lediglich mit der Legionsreiterei desertierte. Zu welchem Zeitpunkt sich Vala abgesetzt hat, ob gleich zu Beginn oder erst als die Niederlage unabwendbar war, verrät Velleius nicht explizit, mir scheint zweiteres jedoch nicht unplausibel.
 
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Ich habe etwas übersehen. Tacitus schreibt in Ann.I, 67 zum 3.Tag der Schlacht an den langen Brücken, dass Caecina die Pferde seiner Legaten und Tribunen ohne Rücksicht auf die tapfersten Legionäre verteilte. Das sieht zwar jetzt auch nicht nach einem massiven Kavallerieensatz aus, mehr wie eine vorbildliche Maßname des klugen Caecina um seine Offziere am Fliehen zu hindern, im Kontrast zum mit der Reiterei desertierten Legaten von Varus, dem Vala Numonius. Aber immerhin, es gab am 3.Tag doch noch Pferde!
Die Flucht der Reiterverbände, und letztlich ihr Untergang, wird bei Velleius Paterculus in [42v] mit der Schilderung des Verhaltens des Legaten Vala Numonius beschrieben.

Aber, was hätten die Reiter schon in diesem Gelände bewirken können? Da waren sie genau so nützlich wie ein Panzer im Baggersee.

Auch im Gelände knapp südöstlich oder südlich des Kalkrieser Berges sind langgestreckte Bergrücken, die eine Flucht, geschweige denn eine Entfaltung der Reiterverbände von vornherein vereitelten. Und wären sie vorher schon abgeteilt worden, zur seitlichen Sicherung, hätten sie Varus in diesem Gelände auch nicht mehr zur Hilfe kommen können.
Ich war, zu meiner Schande, noch nie in Kalkriese! o_O

Mir ist bewusst, dass sich viele hier sich viel intensiver mit dem Varusereignis, und das viele Jahre, auseinandergesetzt haben. Wahrscheinlich sind meine Gedanken oftmals die Wiederholung der Wiederholung der Wiederholung, und für einige nur ein "Und täglich grüßt das Murmeltier".:(
 
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@Biturgios,
zu Kalkriese muß auch niemand hin, es sei denn, wegen der Fundstücke.Interessanter wäre der Blick über eine Drohne.
Aber wie dem auch sei, Du klagst über Wiederholungen, dann geht es Dir wie dem Moderator, und schon länger hier befindliche Teilnehmer.
Und ich kann das nachvollziehen. Deshalb lese und lese ich die Threads über die Römer und zusätzlich meine Literatur, und der Tacitus ist so eng am Originaltext geschrieben und hat soviele Einzelheiten zu bieten.....Ich klage nicht, habe aber Verständnis.
Andererseits versuche ich aus den Quellen Ungereimtheiten oder Dramen herauszulesen und präsentiere die hier wie ein Westfale an den pontes longi(Pardela:
Du meinst wie Deine Vorfahren es quellenunterlegt an den Pontes longi taten, mit westfälischen Schlachtgesängen und Bäche umleitend?
Ich kann nicht singen
 
Ich meinte nicht in erster Linie die Flucht, sondern den möglichen taktischen Einsatz der Kavallerie. @El Quijote und andere haben z.B. immer wieder auf den (fraglich erfolgreichen?) Einsatz der Kavallerie des Germanicus 16 n. Chr. bei den Gefechten am Angrivarierwall oder bei der Schlacht im Ungewissen 15 n. Chr. hingewiesen.

Eine Aufteilung des Heereszuges vor Kalkriese, in Kavallerie / Infanterie + Tross, hätte vielleicht ein Überleben der Kavallerie und weniger Chaos am Engpass zwischen Berg und Sumpf bedeutet, an der Niederlage aber nichts geändert.

Pardela:
"Du meinst wie Deine Vorfahren es quellenunterlegt an den Pontes longi taten, mit westfälischen Schlachtgesängen und Bäche umleitend?" - Ich kann nicht singen
Die Germanen konnten es auch nicht. Was die Sache für Caecina noch schlimmer machte.

PS: Man verzeihe meinen Spott über die Ostwestfalen und die Südostniedersachsen, und möge meine Empathie für die Römer dem herbstlich-nassen Wetter anlasten.
 
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ergo bibamus.....Pardela
Velleius 119.2 ."....ja einige wurden sogar empfindlich bestraft, weil sie römische Bewaffnung und römische Gesinnung anwendeten."...
in diesem Kontext ist fraglich, ob diese Opposition schon im Lager oder später auf dem Marsch bestand.

Ich finde das bemerkenswert.Es kann aber auch sein, daß Velleius dies berichtet hat, um Mut und Wehrhaftigkeit auch gegenüber dem Varus zu dokumentieren
 
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Es hätte selbst bei harmlos erscheinendem Weg (und Kalkriese sieht ja beängstigend nur durch die Langeweile der sanften Landschaft aus) zu einer Falle werden können, da der Gegner parallel zur Kolonne des Varus von Süden und Westen seine Truppen unerkannt heranbringen konnte.

Die Flucht der Reiterverbände, und letztlich ihr Untergang, wird bei Velleius Paterculus in [42v] mit der Schilderung des Verhaltens des Legaten Vala Numonius beschrieben.

Aber, was hätten die Reiter schon in diesem Gelände bewirken können? Da waren sie genau so nützlich wie ein Panzer im Baggersee.

Auch im Gelände knapp südöstlich oder südlich des Kalkrieser Berges sind langgestreckte Bergrücken, die eine Flucht, geschweige denn eine Entfaltung der Reiterverbände von vornherein vereitelten. Und wären sie vorher schon abgeteilt worden, zur seitlichen Sicherung, hätten sie Varus in diesem Gelände auch nicht mehr zur Hilfe kommen können.

Bei Deinen Beiträgen habe ich oft den Eindruck, als ob Du die Schlacht in einem einheitlichen Gelände oder gar ausschließlich am Kalkrieser Berg verorten würdest. Nach Dios Beschreibung zog sich die Schlacht über vier Tage hin, während derer sich das römische Heer auf dem Marsch befand und mal in bewaldetem Gebiet, mal in freiem Gelände unterwegs war.
 
Da hast Du vollkommen recht. Ich betrachte den topographischen Flaschenhals Kalkriese, oder die westlich davon sich anschließenden Freiflächen, als den vermutlichen Endpunkt der Schlacht.

Aber ich glaube nicht, dass die Lager weit auseinander lagen (Gruß an @Divico): Durch den Angriff an diesem Nadelöhr war kein Durchkommen, konnte keine Strecke mehr zurückgelegt werden. Der Heerzug wird sich hier verdichtet und gestaucht haben, und aufgrund der räumlichen Beengtheit dies mit fehlender oder ungünstiger Aufstellungsmöglichkeit für die Angegriffenen.

Zugleich werden die Angriffe auf die Flanken und auf den nachfolgenden Teil des Heerzugs immer stärker geworden sein: Jeder feindliche Speer trifft, die Verluste nehmen zu, kein Vorwärtskommen, zugleich strömen beutegierige und siegestrunkene Angreifer aus dem Umland nach.

Mit dem ersten Angriff auf die Spitze des Heerzugs stellt sich für uns die Frage: Wer baute jetzt die Marschlager? Die zum Stillstand gekommene Spitze des Zuges, der Tross, die nächst folgende geschlossene Legion? Welchen Überlegungen folgte jetzt der Bau der Lager?

Ich glaube, oder halte für möglich, dass der nachfolgende Teil des Zuges einen Ausbruch nach Süden oder Südwesten versucht hat, aber nicht zur gewohnten Kampfaufstellung kam, sich in Einzelkämpfen in hoher Unterzahl und damit in hohen Verlusten verlor.

Und natürlich glaube ich nicht, dass der Heerzug im dichterisch dichten Wald erfolgte. Eher im lichten.
 
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Die Angreifer waren punktuell überlegen, einfach weil ein seitliches Ausweichen und eine breitere Aufstellung für die Angegriffenen nicht möglich war.

Ich habe das schon einmal geschildert: Unweit meines Heimatortes gibt es ein Naturschutzgebiet, das seit dem 2. Weltkrieg NSG ist, von 1,5 km Länge und 250 m Breite, auf einer Hochebene in ca. 430 m Höhe. Der Forstweg ist breit, aber das Waldgebiet ist sehr licht, feucht mit Staunässe, nass mit tiefen Baumtrichtern, abgestorbenen Bäumen. In diesem Gelände bist Du schon durch den Boden, die Wasserlöcher, die erforderliche Vorsicht und durch den Zickzacklauf zwischen den Bäumen nach wenigen Metern erschöpft. Da kommt kein Fuhrwerk durch, kein Pferd. Stelle Dir hier einen römischen Trupp vor: Er ist verloren. Und das vielleicht nur weil der zunächst gangbar erscheinende Weg versperrt ist.
 
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Mit dem ersten Angriff auf die Spitze des Heerzugs stellt sich für uns die Frage: Wer baute jetzt die Marschlager? Die zum Stillstand gekommene Spitze des Zuges, der Tross, die nächst folgende geschlossene Legion?

Am Endpunkt der Schlacht stellt sich die Frage nicht mehr.

Und zu Beginn werden sich die Angriffe vor allem auf die Nachhut konzentriert haben. (Während die Spitze automatisch Verstärkung erhält, ist das bei der Nachhut nicht der Fall.) So beschreibt es Tacitus beim Angriff auf Germanicus anno 14: Den Römern gelang es, die Situation in den Griff zu bekommen, indem ein Teil des Heeres kehrt machte, der Nachhut zur Hilfe kam und die Angreifer rückwärts zum Wald hinausdrängte, während der vordere Teil mit dem Tross weitermarschierte und, sobald man freies Gelände erreichte, ein Lager aufschlug.
 
In diesem Gelände bist Du schon durch den Boden, die Wasserlöcher, die erforderliche Vorsicht und durch den Zickzacklauf zwischen den Bäumen nach wenigen Metern erschöpft. Da kommt kein Fuhrwerk durch, kein Pferd. Stelle Dir hier einen römischen Trupp vor: Er ist verloren. Und das vielleicht nur weil der zunächst gangbar erscheinende Weg versperrt ist.

Daher wird ja an allen Ecken und Enden geschildert, wie ein Vortrupp den Wald lichtete. Bäumefällen gehörte zur Routine; eine Szene ist auf der Trajanssäule zu sehen:

1758748311687.png


Auch das Varusheer ist nicht blindlings in den Wald gestolpert, wenn wir uns an Dio halten:

"... so daß die Römer auch schon vor dem Angriff der Feinde Mühe hatten, Bäume zu fällen, Wege zu bahnen und Brücken zu bauen, wie es erforderlich war."

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe hat eine sehr schöne und übersichtlich gestaltete Auflistung und Gegenüberstellung der diesbezüglichen Texte, mit Übersetzung, von Velleius Paterculus, Florus, Tacitus und Cassius Dio:

 
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Bei Deinen Beiträgen habe ich oft den Eindruck, als ob Du die Schlacht in einem einheitlichen Gelände oder gar ausschließlich am Kalkrieser Berg verorten würdest. Nach Dios Beschreibung zog sich die Schlacht über vier Tage hin, während derer sich das römische Heer auf dem Marsch befand und mal in bewaldetem Gebiet, mal in freiem Gelände unterwegs war.
Da ergibt sich jetzt archäologisch ein Problem, wenn man den Text Eine eisenzeitliche Siedlung in Venne:
Leben am Rande eines großen historischen Ereignisses
von Rappe, Burmeister und Friedrichs (Varuskurier 25) liest: Demzufolge haben die Römer friedlich neben der Siedlung in Venne gelagert. Das passt nicht zu vier Tagen Varusschlacht mit Kalkriese als Endpunkt:

Art und Zusammensetzung der römischen Funde bestärken das Bild, das Achim Rost und Susanne Wilbers-Rost in ihrem Forschungsprojekt zu der Kalkrieser Konfliktlandschaft entworfen haben (Rost u. Wilbers-Rost 2016; 2018). Sie hatten seinerzeit die bis dahin bekannten germanischen Siedlungen untersucht und festgestellt, dass sich das römische Fundmaterial der östlich des Kalkrieser Schlachtfeldes auf dem Oberesch gelegenen Siedlungen deutlich von jenen der westlich gelegenen unterschied.​
Die römischen Funde im Osten, im Raum Venne/Ostercappeln, zeigen nicht die Zerstörungs- und Plünderungsspuren der Funde in den westlich gelegenen Siedlungen, wie z. B. beim heutigen Hof Dröge, Kalkriese. Die Funde aus der jetzigen Grabungskampagne deuten ebenfalls nicht auf Kämpfe hin; es handelt sich um Funde von Objekten, die römische Soldaten am Körper getragen haben, wie z. B. Fibeln, Beschläge des Hängeschurzes etc., und die als Verlustfunde gedeutet werden können. Römische Truppen sind bei ihrem Marsch Richtung Kalkriese vonOsten kommend auch in der germanischen Siedlung in Venne gewesen. Die Masse der römischen Funde kam hierbei allerdings nicht aus der germanischen Siedlung, sondern aus dem unmittelbaren Umfeld. Es waren also nicht die Dorfbewohner, die römische Objekte eingetauscht oder auf andere Weise an sich genommen haben; möglicherweise haben römische Truppenteile in direkter Nachbarschaft zu den germanischen Gehöften gelagert, bevor sie weiter nach Westen Richtung Kalkriese zogen.​
Erst auf dem heutigen Oberesch kam es zu den historisch überlieferten Kämpfen, die sich dann bis in den Raum Engter erstreckten und die dortigen Siedlungen in das Kampfgeschehen einbezogen.​
Ich weiß noch nicht ganz, wie ich diesen Sachverhalt einschätzen soll.
 
Von Ostercappeln-Venne bis Engter sind es etwa 8,5 km zu Fuß. Dazwischen liegt Kalkriese bzw. der Oberesch.

Es passen dann die Befunde von Venne nicht zu einer Vernichtungsschlacht in und westlich von Kalkriese.

Es könnte aber auch sein, dass die römischen Funde von Venne einige Wochen oder Monate vor der Schlacht in den Boden gelangten.

Es bleibt dann trotzdem, dass es in diesem Fall für die römischen Truppen kein fremdes und unerschlossenes Gelände gewesen wäre.
 
Mir kommen da drei Möglichkeiten in Betracht um die Aussagen des VARUS Kurier zu interpretieren.

Möglichkeit 1:
Kalkriese ist der Beginn des Schlachtgeschehens und diese zieht sich nach Westen / Südwesten bis Engter. Dann ist Varus und seinen Truppen auf rund 7 Kilometer zu Grunde gegangen.
(lässt sich aber mit den literarischen Quellen schlecht in Einklang bringen)

Möglichkeit 2:
Kalkriese ist der Beginn des Schlachtgeschehens und diese zieht sich dann nach Westen / Südwesten bis Engter. Bei Engter haben die Germanen die Römer nicht weiter attackiert. Die Römer wären weitergezogen und irgendwo weiter westlich oder südwestlich von Engter begannen neue Angriffe
(lässt sich mit den literarischen Quellen besser in Einklang bringen)

Möglichkeit 3:
Die Römer wurden schon irgendwo weiter östlich oder südöstlich von Kalkriese erstmals von den Germanen angegriffen. Dann kam es zu einer Kampfpause. Und bei Kalkriese nahmen dann die Germanen ihre Angriffe wieder auf.

Bei Variante 3a wären dann bei Engter die Römer besiegt
Bei Variante 3b hätten dann die Germanen bei Engter ihre Angriffe erstmals eingestellt um diese dann irgendwo weiter westlich oder südwestlich von Engter wieder aufzunehmen

Nach Rost / Wilbers-Rost soll das Varus-Heer in seiner Masse bei Kalkriese untergegangen sein. Demnach wäre Variante 3a mein Favorit.
 
Es könnte aber auch sein, dass die römischen Funde von Venne einige Wochen oder Monate vor der Schlacht in den Boden gelangten.
Das ist ein interessanter Gedanke.

Als ich schrieb, dass ich noch nicht wisse, was ich von dem Text von Burmeister/Friedrichs/Rappe zu halten habe: Die Funde sind ja noch nicht wirklich wissenschaftlich publiziert, das ist jetzt erst mal ein an ein gebildetes, archäologisch interessiertes Laienpublikum gerichteter Text. Ich gehe schon davon aus, dass die Autoren meinen, was sie schreiben und gute Gründe dafür haben. Für mich als archäologischen Laien stellt sich aber die Frage, wie die Autoren Verlustfunde von einem friedlichen Lager neben einem Germanendorf von Verlustfunden wärhend einer Schlacht unnterscheiden. In Kalkriese hat man viele Funde gemacht von Dingen, die offensichtlich zusammengetragen und zerstört wurden (wobei der Grund für die Zerstörung durchaus in der besseren Transportabilität gelegen haben kann. Kann es nicht einfach sein, dass die in Venne archäologisch wiederentdeckten Verlustfunde einfach von einem Teil des Schlachtfeldes kam, der nur unzureichend abgesucht wurde, wo eben nicht Artefakte von den siegreichen Germanen zusammengetragen wurden, wie es am Oberesch mutmaßlich der Fall war?
Man kann mich nantürlich nun zu recht des Versuchs bezichtigen, die mehrtägige Marschschlacht mit den Funden von Venne zu harmonisieren zu versuchen.

Es bleibt dann trotzdem, dass es in diesem Fall für die römischen Truppen kein fremdes und unerschlossenes Gelände gewesen wäre.
Wie gesagt, wir müssen immer mit Dramatisierungen rechnen; dass das Gelände gänzlich unbekannt war

Möglichkeit 1:
Kalkriese ist der Beginn des Schlachtgeschehens und diese zieht sich nach Westen / Südwesten bis Engter. Dann ist Varus und seinen Truppen auf rund 7 Kilometer zu Grunde gegangen.
(lässt sich aber mit den literarischen Quellen schlecht in Einklang bringen)

Möglichkeit 2:
Kalkriese ist der Beginn des Schlachtgeschehens und diese zieht sich dann nach Westen / Südwesten bis Engter. Bei Engter haben die Germanen die Römer nicht weiter attackiert. Die Römer wären weitergezogen und irgendwo weiter westlich oder südwestlich von Engter begannen neue Angriffe
(lässt sich mit den literarischen Quellen besser in Einklang bringen)

Möglichkeit 3:
Die Römer wurden schon irgendwo weiter östlich oder südöstlich von Kalkriese erstmals von den Germanen angegriffen. Dann kam es zu einer Kampfpause. Und bei Kalkriese nahmen dann die Germanen ihre Angriffe wieder auf.
Deutung 2 finde ich "charmant" (nicht die Tatsache an sich, sondern als Lösungsvorschlag); gegen die Deutung 3 spricht m.E., dass die Römer sicherlich nicht während einer germanischen Angriffspause friedlich neben einem germanischen Dorf gelagert und mit den dort lebenden Germanen freundschaftlich Kaffee getrunken hätten. (Liebe Kinder, Kaffee kannten die Römer natürlich noch nicht.)
 
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