Warum kein Frieden 1917?

Der Zar hatte am 02.März 1917 abgedankt. Damit war wohl auch die zarische Regierung hinfällig, da diese ja von den Zaren ernannt und entlassen wurde.
Gut dann eben die Kerenski-Regierung - zu deren Gunsten war der Zar doch zurückgetreten. Diese Regierung wurde doch formell nicht aufgelöst und der Kampf um die Macht währte den gesamten Russischen Bürgerkrieg.
Wieso eigentlich Schisma? Ich kenne den Begriff nur zum Thema Glaubensspaltung der Katholischen Kirche.
Der Begriff wird verwendet, um zu charakterisieren, dass es zwei Regierungen gab, die miteinander konkurrierten und jeweils ihre Anhänger hatten. Griechenland war gespalten in Venizolisten und Anti-Venizolisten. Die Gegenregierung Venizelos hat auch eigene Streitkräfte gebildet und kontrollierte Kreta, einige Inseln und Regionen im Norden von Griechenland.
 
Gut dann eben die Kerenski-Regierung - zu deren Gunsten war der Zar doch zurückgetreten. Diese Regierung wurde doch formell nicht aufgelöst und der Kampf um die Macht währte den gesamten Russischen Bürgerkrieg.

Im Oktober 1917 fand die sogenannte Oktoberrevolution statt. Sie, die Bolschewisten, haben in einer Art von Doppelputsch die Kontrolle über die Sowjets an sich gerissen und die Regierung zerschlagen. Lenin war neuer Herrscher. In Moskau übernahmen Kommissare des dortigen Revolutionskomitees den Kreml. Die dortigen Truppen haben nicht einmal Widerstand geleistet. Auf dem Sowjetkongress wird Lenin als neuer Regierungschef und und Trotzkis als Volkskommissar für das Außenamt. Es existierte keine Regierung Kerenski mehr, da verhaftet. Kerenski selbst war aus Petersburg geflüchtet.

Die Verhandlungen in Brest begannen am 03.Dezember 1917.

Danke für die Erläuterung bezüglich des Schismas.:)
 
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Was hätten sie denn tun sollen? Die territorialen Gewinne der Mittelmächte anerkennen?

Zitat aus dem Friedensangebot der Mittelmächte – Wikipedia

Deutschland und seine Verbündeten, Österreich-Ungarn, Bulgarien und die Türkei, haben in diesem Kampf ihre unüberwindliche Kraft erwiesen. Sie haben über ihre an Zahl und Kriegsmaterial überlegenen Gegner gewaltige Erfolge errungen. Unerschütterlich halten ihre Linien den immer wiederholten Angriffen der Heere ihrer Feinde stand. Der jüngste Ansturm im Balkan ist schnell und siegreich niedergeworfen worden. Die letzten Ereignisse beweisen, daß auch eine weitere Fortdauer des Krieges ihre Widerstandskraft nicht zu brechen vermag, daß vielmehr die gesamte Lage zu der Erwartung weiterer Erfolge berechtigt.

Ich lese das so: Nicht nur, dass sie auf den vergangenen Territorialgewinnen ruhen wollen, die Mittelmächte haben weitere Erfolge in Aussicht gestellt, falls die Entente nicht jetzt einlenkt.

Ich habe die Quelle aus Tormin, Die Weimarer Republik, S.23f, gefunden. Ich kopiere einmal hier rein:

»Deutschland und seine Verbündeten, Österreich-Ungarn, Bulgarien und die Türkei, haben in diesem Kampf ihre unüberwindliche Kraft erwiesen. Sie haben über ihre an Zahl und Kriegsmaterial überlegenen Gegner gewaltige Erfolge errungen. Getragen von dem Bewusstsein ihrer militärischen und wirtschaftlichen Kraft, und bereit, den Kampf nötigenfalls bis zum Äußersten fortzusetzen, zugleich aber auch von dem Wunsch beseelt, weiteres Blutvergießen zu verhüten und den Gräueln des Krieges ein Ende zu machen, schlagen die vier verbündeten Mächte vor, alsbald in Friedensverhandlungen einzutreten. Die Vorschläge, die sie zu diesen Verhandlungen mitbringen werden und die darauf gerichtet sind, Dasein, Ehre und Entwicklungsfreiheit ihrer Völker zu sichern, bilden … eine geeignete Grundlage für die Herstellung eines dauerhaften Frieden…«

Den durch mich fett hervorgehobenen Teil hast du wegfallen lassen. Und das ist eigentlich doch der entscheidende Teil der Botschaft.

Die freundliche Antwortnote der Alliierten:

»…Eine Anregung ohne Bedingungen für die Eröffnung von Verhandlungen ist kein Friedensangebot. Der angebliche Vorschlag … erscheint weniger als ein Friedensangebot denn als Kriegsmanöver. Er beruht auf der systematischen Verkennung des Charakters des Streites in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft. Für die Vergangenheit übersieht die deutsche Note die Tatsachen, die Daten und die Zahlen, die feststellen, dass der Krieg gewollt, hervorgerufen und erklärt worden ist durch Deutschland und Österreich-Ungarn…
Für die Gegenwart stützt sich das angebliche Angebot Deutschlands auf eine ausschließlich europäische "Kriegskarte“, die nur den äußeren und vorübergehenden Schein der Lage und nicht die wirkliche Stärke der Gegner ausdrückt, Eine Friede, der unter solchen Voraussetzungen geschlossen wird, würde einzig den Angreifern zum Vorteil gereichen, die geglaubt hatten, ihr Ziel in zwei Monaten erreichen zu können, und nun nach zwei Jahren merken, dass sie es niemals erreichen werden.
Für die Zukunft verlangen die durch die Kriegserklärung Deutschlands verursachten Verwüstungen, die unzähligen Attentate, die Deutschland und seine Verbündeten gegen die Kriegführenden und gegen die Neutralen verübt haben, Sühne, Wiedergutmachung und Bürgschaften … Deutschland weicht listig dem einen wie dem anderen aus…«

GIQ V, Nr.62
 
Paul Cambon, Botschafter Frankreich in London, äußerte gegenüber seinen Sohn:" Man muß das Manöver des Kanzlers vereiteln. Hier gibt es eine schöne Partie zu spielen." Gegenüber Unterstaatssekretär Hardinge führte Cambon aus, das er das Angebot für gefährlich halte, da es in pazifistischen Kreisen und vielleicht in den Parlamenten bedauernswerte Kampgagnen hervorufe.
Cambon korrespondierte mit dem Chef der Politischen Abteilung Margerie. Cambon meinte, das man Vorschläge erwarte. Margerie kommentierte dies gegenüber Briand als unendlich gefährlich. Man würde territoriale Fragen berühren und wirtschaftliche beiseite lassen, die gleicherweise wichtig seien. Cambon dagegen hoffte, das die deutsche Regierung veranlaßt werde, die die Weigerung in Verhandlungen einzutreten, rechtfertigen. Die Note Wilson fährt Cambon fort, könnte sich in ein Angebot der Vermittlung wandeln und die Ententemächte nötigen, ihre Friedensbedinungen zu formulieren.

Paul Cambon, Correspondance, Paris 1946 III. (15.15.1916)
Paul Cambon an Briand, 13.12.1916, Notiz de Magerie für Briand
 
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In England traf das Friedensangebot auf das neue Kabinett von Lloyd George. Neuer Staatssekretär des Äußeren war Balfour.

Balfour war zu jenem Zeitpunkt erkrankt und wurde von seinem Cousin, den Blockademinister Cecil vertreten. Cecil meinte, man könnte im äußersten Notfall darauf zurückkommen. Er war gegenüber dem deutschen Angebot zur schroffen Ablehnung entschlossen. Er hatte kurz zuvor seine Meinung klipp und klar gegenüber Lansdowne in einen Memo zum Ausdruck gebracht. Ein Frieden sei gegenwärtig nur unheilvoll sein könne denn es sei nicht mehr zu erhoffen als ein Frieden des status quo zusammen mit einem starken Anwachsen der deutschen Macht in Osteuropa. Das erklärte er dann auch dem Kriegskabinett am 15.12.1916 .

Die Gründe warum das englische Kriegskabinett eine Konferenz zur Vorbereitung der Antwort an Deutschland sind interessant. Man fürchtete, dass dies eine falsche Atmosphäre gegenüber den Krieg in den alliierten Ländern hervorrufe und irrige Hoffnungen wecke.

Rothwell, 60 (Cecil Drumommond),
Kernek, The British Governments Reaction to Peace Wilson`s Note
 
Vergessen wir nicht die Lansdowne Note, die ein Friedensangebot von Großbritannien anregen sollte.
Lansdowne wurde kaltgestellt und geächtet. Die herrschende Klasse wollte sich hierauf nicht einlassen.
Lansdowne Letter - Wikipedia

Im Übrigen, dass der Friede von Versailler heute nur negativ gesehen werden kann, zeigt uns deutlich die jüngere europäische Geschichte. So verglich Varoufakis die Sparpolitik mit dem Vertrag von Versailles.
https://www.faz.net/aktuell/wirtsch...agen-mit-frieden-von-versailles-13410667.html

Auch Emmanuel Macron ist ein überzeugter Europäer und hat mehrfach deutlich gemacht, dass der Vertrag von Versailles zu hart war.
Griechenland - Eurozone sucht Hellas-Linie - „Versailles“ oder Milde? | Tiroler Tageszeitung Online

Ich denke, wir sollten aus der Geschichte lernen und hier nicht im Nachhinein nationalistische Politiker Raymond Poincaré oder Georges Clemenceau aus ihrer Verantwortung entlassen.
 
In einem Gespräch zwischen Cambon und dem Premier Lloyd George nannte dieser den Ton der Note Wilsons eine Art von Beleidigung. Doch man müsse antworten und das sei nicht leicht. Er (Lloyd George) wünsche eine Verständigung zwischen Frankreich und England. Von Russland war schon nicht mehr die Rede. Wenn die drei Demokratien England, Italien und Frankreich den Wünschen des Präsidenten entgegentreten, könne dieser die Dinge nicht weitertreiben. Lloyd George hat die entsprechenden Ministerien angewiesen, zu prüfen wie abhängig man bezüglich Munition und Lebensmittel abhängig von den USA sei und ob eine Verweigerung der Kredite und Lieferungen möglich sei.

Lloyd George glaubt wohl auf die USA verzichten zu können.

Paul Cambon selbst nannte Wilsons Note einen Streich, über den man mindestens sagen könne, dass er den Deutschen größtes Vergnügen bereiten würde. Die Note nannte er das lächerlichste Memorandum des Präsidenten der Vereinigten Staaten und Briands Ergüsse dagegen lang und weitläufig.

Schon erhellend, wie über die Friedensbemühungen Wilsons gedacht wurde.

Cambon, Correspondance III. S.135f
 
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Wenn man sich dies vor Augen führt, erscheinen auch die Äußerungen von Kaiser Wilhelm in einem ganz anderen Licht.
 
Den durch mich fett hervorgehobenen Teil hast du wegfallen lassen.
Ich habe noch mehr weggelassen, weil den Rest jede/r durch den von mir gesetzten Link in Wikipedia nachlesen kann.

Die chronologische Reihenfolge der Ereignisse seit dem Attentat von Sarajewo bis zum 4. August 1914 kann man hier nachlesen: Chronologie der Julikrise 1914 – Wikipedia

Ebenfalls lesenswert Karl-Heinz Janßen: Der verpaßte Friede – Zitat:

Vor fünfzig Jahren, im Advent des Kriegsjahres 1916, reichte das kaiserliche Deutschland seinen Feinden die Hand zum Frieden. Aber die Regierungen Englands, Frankreichs und Rußlands wiesen das Friedensangebot der Mittelmächte hohnlachend zurück, da sie es, zu Recht, als erstes Eingeständnis der Schwäche deuteten. Tatsächlich waren die Siegesaussichten des Deutschen Reiches derart gering, daß sich Reichskanzler Theodor von Bethmann Hollweg schon zu Weihnachten 1915 mit den Alliierten über einen Frieden verständigen wollte – wäre ihm nicht General Erich von Falkenhayn in den Arm gefallen. In seiner berühmten Weihnachtsdenkschrift überzeugte der Generalstabschef den Kaiser, daß Deutschland bei Verdun noch einmal das Kriegsglück versuchen müsse.

Was bei Verdun und danach passierte, wissen wir alle.

Auch zu der augenblicklichen Diskussion Griechenland/Rumänien habe ich Interessantes im Janßens Artikel entdeckt – Zitat (siehe oben den Link):

Im Augenblick der Kriegserklärung [Rumäniens] konnte Österreich-Ungarn auf einer 600 Kilometer langen Grenze einem mobilisierten feindlichen Heer von mindestens 300 000 Mann nur knapp 30 000 Mann entgegenstellen, größtenteils abgekämpfte Truppen Landsturm, Bergwerksmiliz und Zollwachen. Wären die Rumänen sofort planvoll und blitzschnell losmarschiert, hätten sie in den vier Wochen, die bis zum Beginn des längst vereinbarten deutschösterreichisch-bulgarischen Gegenangriffs verstreichen mußten, die Heeresgruppe des Erzherzogs Karl von hinten umfassen, den Russen die Karpatenkämme öffnen und die Verbindung nach Griechenland und zur Türkei blockieren können. Das Kriegsglück gab einem kleinen Land die Chance, zwei europäischen Großmächten den Todesstoß zu versetzen.

Vergegenwärtigt man sich diese Gefahr, so nimmt es nicht wunder, daß für Wilhelm II., als ihn am Abend des 27. August die Hiobsbotschaft erreichte, eine Welt zusammenbrach. Jedes weitere Blutvergießen, sagte er seinen Skatfreunden, sei nun sinn- und hoffnungslos geworden.


Das war im August 1916. Kein Wunder, dass man sich in Deutschland Gedanken machte, wie man aus diesem Krieg noch heil herauskommen konnte – das Friedensangebot der Mittelmächte vier Monate später war eine Konsequenz daraus.

Anzunehmen, die Entente wüsste nicht um die Schwäche ihrer Gegner, ist bewusstes Wegsehen von der Realität.
 
Nu ja, wir wissen das Rumänien ziemlich schnell besiegt worden war. Der Feldzug begann am 01.09.1916 und war schon im Januar 1917 beendet. Die Rumänen waren der überlegenen deutschen taktischen und strategischen Führung nicht gewachsen. Da half auch das Mehr an Personal nicht.

Rumänien war hoffnungslos überschätzt worden.
 
hren, im Advent des Kriegsjahres 1916, reichte das kaiserliche Deutschland seinen Feinden die Hand zum Frieden. Aber die Regierungen Englands, Frankreichs und Rußlands wiesen das Friedensangebot der Mittelmächte hohnlachend zurück, da sie es, zu Recht, als erstes Eingeständnis der Schwäche deuteten.

Es war zu jenen Zeitpunkt noch kein Eingeständnis der Schwäche. Aber darauf kommt es gar nicht an. Den Alliierten ist es ganz bestimmt nicht besser gegangen. Die deutschen Armee standen überall in Feindesland.

Aber sie, die Westmächte, wiesen das Angebot zu Friedensgesprächen eben zurück. Ich habe ja weiter oben einiges geschrieben, wie man in London oder Paris dazu dachte. Und das ist erhellend.
 
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Meines Wissens dachte Bethmann 1915 zwar nach der Besiegung Serbiens, der Landweg nach Konstantinopel war gesichert, zwar über eine Friedensinitiative nach, war sich aber noch überhaupt nicht über den Weg im Klaren.
 
Es war zu jenen Zeitpunkt noch kein Eingeständnis der Schwäche. Aber darauf kommt es gar nicht an. Den Alliierten ist es ganz bestimmt nicht besser gegangen.
Natürlich kommt es darauf an und natürlich ist es der Entente besser gegangen – siehe:
https://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Weltkrieg#Kräfteverhältnis

Zitat daraus: Insgesamt setzte die Entente 41.851.000 Soldaten und damit 19 Prozent der wehrfähigen Männer ein (sowie ca. 300 Soldatinnen), die Mittelmächte 24.400.000 Soldaten und somit 71 Prozent der wehrfähigen Männer.

Die deutschen Armee standen überall in Feindesland.
Eben deswegen war das Friedensangebot für die Entente nicht annehmbar gewesen.
 
Nochmal zur angeblich von Falkenhayn verhinderten Friedeninitiative:

Bethmann hatte, als der siegreiche Feldzug gegen Serbien sich dem Ende zuneigte, erkannt, das Frieden wohl nicht machbar sei. Wer in dem unentschiedenen Kampfe das Wort "Frieden" zuerst aussprach, mußte sich dem Vorwurf der Schwäche gefallen lassen. Es hätte der Vorhaltungen Falkenhayns überhaupt nicht bedurft, denn Bethmann war sich diesen Sachverhalts Ende 1915 bewusst.

Nachlesbar bei Janßen, Der Kanzler und der General, S.172
 
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