Ortsnamen sind Befunde. Genauso wie archäologische Befunde.
Die Deutung muss mit wissenschaftlichen Methoden vorgenommen werden. Das gilt für archäologische Spuren im Boden ebenso wie für Ortsnamen.
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Die Sprachwissenschaft hat nichts mit Ähnlichkeiten zu tun. Nur wenige Gewässer- und Siedlungsnamen sind in antiken Werken überliefert, aber viel mehr Namen sind mündlich tradiert. Dazu kommen die ersten urkundlichen Erwähnungen, die aber oftmals Schreibtraditionen wiedergeben und mit dem gesprochenen Wort nicht übereinstimmen.
Mit Methoden der historischen Sprachwissenschaft und den bekannten regulären Lautgesetzen (die Entwicklung der Sprache erfolgt nicht willkürlich, sondern nach bestimmten Schemata - Lautverschiebungen) kann man auf die ursprüngliche Wortbezeichnung zurück greifen.
Wenn nun zwei Gruppen mit verschiedenen Sprachen miteinader in Kontakt treten, werden Bezeichnungen und Namen von einer in die andere Sprache übernommen und "sprechbar" gemacht. Aus romanischen Begriffen werden so germanisierte Begriffte gebildet.
Mit Hilfe der historischen Sprachwissenschaft kann von Linguisten geklärt werden, wann entsprechende Begriffe und Worte in der "Entlehnsprache" übernommen wurden und wie der Begriff in der "Ausgangssprache" gelautet hat. Ohne das erforderliche linguistische Fachwissen bleiben die laienhaften Erklärungsversuche eben laienhaft und weitestgehend zum Scheitern verurteilt.
Allerdings gibt es auch in der Sprachwissenschaft unterschiedliche Interpretationsergebnisse, weil vielfach mehrere Ansätze möglich erscheinen und die Wahrscheinlichkeit, welcher Ansatz der richtige ist, unterschiedliche beurteilt wird. Regensburg wurde im Kirchenlatein des 8. Jh. - also, wenn man so will, der Kanzleisprache der frühbajuwarischen Herzöge, als Radaspona, Ratisbona, Radesona, Ratspoa u.a. bezeichnet, 772 auch Reganespurch.
Kommt der Name aus dem keltischen wie Vindobona/Wien, auf das die Endung -bona hindeuten könnte?
Im römischen Reich ist der Ort als Castra Regina, nunc Vallato bezeichnet, im 5. Jh. civitas Regino.
(Aufzählung bei Reitzenstein, Lexikon bayer. Ortsnamen, S. 224) ff. Woher also das gelehrte "-bona"?
Reitzenstein meint, der deutsche Name "Regensburg" sei eine Übersetzung des lateinischen "Castra Regina", wobei sich das "Regina" auf den Fluß "Regen" beziehen könnte - aber auch auf "Regia" als Hinweis auf die herzoglich-königliche Residenz.
Nach neuerer Auffassung könnte der deutsche Name ein für das Regensburger Kloster (Mitte des 8. Jh.) geschaffener Kunstname sein. .
Im Idealfall ergänzen sich Archäologie und Sprachwissenschaft. Und trotz fehlender archäologischer Nachweise von großen römischer Fernstraßen an der Castra Regina wird niemand bezweifeln, dass es diese gab. Sie sind ja auch in antiken Reisehinweisen aufgezeigt. Schwieriger wird es, wenn diese Reisehinweis (z.B. die Tabula) Ortsnamen bezeichnen, die man heute nicht mehr erkennen kann, wenn die Reisehinweise teilweise offenkundig falsch sind (eine römische Ziffer bei den Meilenangaben vergessen), und wenn dann auch noch Differenzen zwischen den einzelnen Disziplinen der Wissenschaft dazu kommen.
Nun gibt es eben auch Differenzen zwischen den einzelnen Wissenschaftszweigen. Der interdisziplinäre Dialog ist vielfach nicht sehr ausgeprägt. Jeder beharrt - mit mehr oder weniger guten Argumenten - auf seiner Weltsicht. Es wäre sinnvoll, im interdisziplinären Dialog zum Konsens zu finden. Leider wird all zu oft das Ergebnis der anderen Disziplin als Nonsens bezeichnet.
Und teilweise gehen die Meinungen auch quer durch die einzelnen Fraktionen.
- So gibt es z.B. eine "Romanentheorie", wonach die Baiern aus einem starken römischen Bevölkerungsanteil hervorgegangen sein sollen. Dann fragt man sich aber, wieso die Baiern einen germanischen Dialekt sprechen, der mit Alemannisch, Langobardisch und Thüringisch den Elbgermanen zugeordnet werden kann.
- Andere meinen, die germanischen Siedler hätten ein weitestgehend entvölkertes Land, eine Ödnis, völlig neu besiedelt.
- Ich vertrete die These, dass germanische Krieger, überwiegend aus dem Kreis der genannten Elbgermanen, als "Föderaten" (mit Selbstversorgung) die Bewachung der römischen Grenzen übernommen haben, Familien nachgezogen sind und sich die germanischen Herzöge (!) (Dux) über einen noch näher zu definierenden Zeitraum von den Beschützern zu den Beherrschern der Region aufgeschwungen haben. Die Stammesbildung der Bajuwaren hat sich dann hier vollzogen. Durch einen beständigen Zuzug der germanischen Hilfswilligen (etwa der vor den Franken zurückweichenden Alemannen) hat der Bevölkerungsanteil der Elbgermanen irgendwann einmal eine Größenordnung von 2/3 der ansässigen Bevölkerung erreicht, so dass das gesamte Land sukzessive (mit einzelnen romanischen Inseln wie der Salzburg-Romania, in denen das erst zeitverzögert erfolgte) "germanisiert" wurde, also die germanisch-romanische Sprachgrenze nach Süden vorgerückt ist. Das hatte aber nicht den Zusammenbruch der römischen Gesellschaft und Verwaltung zur Folge. Die bairischen Herzöge, die ja schon als Föderaten oder in anderer Form in Baiern waren, hatten im Gegenteil größtes Interesse, die vorhandenen Strukturen weiter nutzen zu können. Und dazu gehörte auch die Infrastruktur, die für Boten, das Verschieben von Kriegern usw. nötig war. Diese These würde sowohl archäologische Erkenntnisse wie auch die Ergebnisse der Sprachwissenschaft zu einer Synthese bringen. Deshalb bin ich dabei, ein möglichst vollständiges Bild der "Altstraßen", also insbesondere der römischen Verkehrswege zu erstellen, und dieses Bild mit den Ergebnissen der Sprachwissenschaft abzugleichen, insbesondere im Hinblick auf römisch-romanische Flur- und Ortsnamen, die sich (auch in abgewandelter Form) erhalten haben könnten.
- Und ich ärgere mich, wenn meine Ausführungen unvollständig verdreht wiedergegeben werden und zur Vorwürfen wie "Nun ist die - kaiserzeitliche Höhensiedlung plötzlich eine aus der Bronze- und Urnenfelderzeit (also 800 Jahre vor Augustus' Alpenfeldzug), muss aber trotzdem für eine römische Straße herhalten?" führen. Für die wiederholte Richtigstellung ist mir meine Zeit schlicht zu schade.