Turgot
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Das wenig professionelle Vorgehen betraf in erster Linie Bismarck.
U.a. dessen wirtschaftspolitische Handlungen und Angriffe gegenüber Rußland (innenpolitisch bedingt, Interessenverbänden folgend) lieferten einen wichtigen Beitrag zur Entfremdung.
Die späteren Indiskretionen zum Rückversicherungsvertrag durch Bismarck sind in diesem Zusammenhang bezeichnend, ein billiges und durchsichtiges Manöver. Das hat in der deutschen Wahrnehmung allerdings Jahrzehnte funktioniert.
Der Unterstaatssekretär des AA Berchem hatte anläßlich der der anstehenden Verlängerung des RV eine Aufzeichung am 25.03.1890 angefertigt. Sie ist unprofessionell: Dort heisst es beispielsweise:
"Der Vertrag, um dessen Erneuerung es sich handelt, hat den Zweck, kriegerische Ereignisse hervorzurufen, dessen Lokalisierung äußerst unwahrscheinlich ist......"
Das war nun abolsuter Blödsinn, denn das Gegenteil ist der Fall. Der RV ist rein defensiver Fatur. Frankreich würde ohne Mitwirkung das Deutsche Reich nie angreifen. Für diesen Fall war die Neutralität Russlands vorgesehen. Österreich würde Russland nur mit Unterstützung des Deutschen Reiches angreifen. Auch für diesen Fall war die Neutralität des anderen Vertragspartners Deutschland vorgesehen. Das war nun wirklich offenkundig; das hätte selbst der General der Infanterie von Caprivi merken müssen. Aber er war ja ein Mann Holsteins.
Dann ist die Rede davon, dass das Reich von Petersburg erpressbar sei, denn die Russen wären in der Lage die Beziehungen zu Wien zu beschädigen. In Wahrheit legten die Russen größten Wert auf absolute Geheimhaltung, da der Vertrag in der russischen Presse nicht gerade sonderlich populär war.
Dann, das ist schlon die Krönung, wird erwähnt, das Kaiser Franz-Joseph aus Verärgerung, wenn das Deutsche Reich für Österreich in eventuellen einen Krieg gegen Russland eingetreten wäre, dann mit Petersburg einen Sonderfreiden abschießen könne. Dieser gedanke unterstellt den Österreichern ja wirklich übles.
Das waren ja schon abstruse Gedanken, mit denen Caprivi als Laie von den angeblichen Fachleuten des AA konfrontiert wurde. Bezeichnend ist auch, das der Behördenchef, Herbert von Bismarck, nicht zur entscheidenen Besprechung gebeten worden war. So hatte Holstein alle Fäden in der hand und er konnte seine heftigen Antipathie gegen eine Bindung mit Russland freien Lauf lassen und alles tanzte nach seiner Pfeife. Darüber kann man nur noch den kopf schütteln.
Holstein war ebenso wie Walderseee von der Unvermeidlichkeit eines Krieges mit Russland durchdrungen und das 25 jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges.
Im Jahre 1896, also als Bismarck im Oktober sich in der Presse zum RV äußerte,notierte der französische Botschafter in Berlin Marquis de Noailles:" Die Entente zwischen Frankreich und Rußland ist heute eine vollendete Tatsache. Diese Bündnis - ist es nicht der General von Caprivi, der es geschaffen hat? Und dafür hatte Wilhelm II. ihn, Bismarck, weggejagt!"
Bismarcks Enthüllungen sorgten für große Aufregung; sowol national als auch international, obwohl es schon vorher in der Presse einige entsprechende Andeutungen gegeben hat. Um Berlin war es mittlerweile einsam geworden und die Abhängigkeit von Wien, dem einzigen zuverlässigen, wenn auch schwachen, Verbündeten. Da machten sich solche Schlagzeilen nicht sonderlich gut, auch wenn sie im großen und ganzen die Wahrheit enthielten.
Groepper, Bismarcks Sturz