Das kommt darauf an in welchem taktisch / operativem Rahmen man denkt. Es gibt genügend Beispiele wie gegnerische Einheiten umfaßt (eingekesselt) und gegen die eigene Front gedrückt wurden.
Das würde ich unterstützen.
Als zeitnahes Beispiel, überwiegend mit Schusswaffen geführt und vielleicht von der Geographie (starke Bewaldung, kaum Wege) vergleichbar, fallen mir Partisanenaktionen der Wehrmacht in Weißrußland ein.
Ihr habt beide Recht. Aber ich gebe drei Dinge zu bedenken:
Erstens sind uns regelrechte Kesselschlachten nur aus moderner Zeit bekannt. Sie setzten umfangreiche Kommunikation voraus. Sprich: Die Truppen werden per Funk geführt und koordiniert. Diese Möglichkeit hatten die Römer nicht. Ihre Fähigkeit zu Einkesselungsmanövern waren also sehr beschränkt. Das ging nur relativ kleinräumig, keinesfalls in so großem Maßstab wie es der Umfang der Germanicus-Truppen erforderlich gemacht hätte.
Zweitens ist zum Beispiel die angesprochene Partisanenbekämpfung durch die Wehrmacht so abgelaufen, dass ein Teil der Truppen auf einer festen Linie Stellung bezogen und dort gewartet hat, während ein anderer Teil der Truppen in Jagdkommandos aufgeteilt wurde und die Partisanen gegen diese feste Front gedrückt hat. In einer "Extremform" ist diese Methode in Mauretanien angewandt worden. Dort wurde eine Befestigungsanlage quer durchs Land gebaut, gegen die die Partisanen gedrückt werden sollten. Jedenfalls geht es hier um Aktionen, bei denen ein Teil der Truppen in festen Stellungen liegt, während sich der andere Teil bewegt. Bei den Germanicus-Feldzügen waren aber beide Abteilungen des Heeres in Bewegung.
Drittens funktionieren solche Aktionen nur, wenn die Jagdkommandos das Operationsgebiet systematisch durchkämmen. Sie müssen alle Gegner vor sich her treiben und dürfen nicht zulassen, dass jemand durch die eigene Linie "hindurchsickert". Gleichzeitig müssen sie alle wichtigen Punkte (Pässe, Flussübergänge, Wege etc.) besetzt halten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Germanicus-Truppen sowas in einem Land wie Germanien leisten konnten. Nur nebenbei sei angemerkt, dass moderne Heere für Aktionen dieser Art deutlich umfangreichere Funkausrüstung bereitstellen als in "normalen" Gefechten nötig wäre. Für sowas ist also noch mehr Kommunikation erforderlich.
Aus den drei genannten Gründen glaube ich nicht, dass man den Feldzug des Germanicus als Versuch einer Einkesselung betrachten kann. So wurden Kriege damals auch nicht geführt. Die Truppen rückten nicht auf breiter Front vor. Kämpfe konzentrierten sich an bestimmten Punkten (Schlachten) oder in bestimmten Zonen (Verwüstung von Gebieten). Ziel war es aber immer, die bewaffneten Gegner auszuschalten, nicht großräumig Territorium zu besetzen und zu halten. Das Territorium geriet sowieso unter die Kontrolle des Siegers, wenn es keine gegnerischen Krieger mehr gab.
Ich gehe deshalb davon aus, dass die Strategie des Germanicus vorsah, vom Sammelpunkt aus eine Reihe von kleineren Heeresabteilungen gegen verschiedene Ziele auszusenden und nach Möglichkeit in gleichzeitigen Kämpfen mehrere Stämme zu unterwerfen. Entsprechend groß muss das Operationsgebiet gewesen sein.
MfG